Lange Gesichter im Telekom Dome in Bonn. Der deutsche Vizemeister der Basketball-Bundesliga (BBL) verliert auch die zweite Partie der neuen Saison - wieder gegen einen Aufsteiger. Der Fehlstart ist perfekt und die Aussagen des Trainers lassen aufhorchen - die Alarmglocken schrillen.
An den Zuschauern lag es nicht. Trotz der teilweise erschreckend schwachen Vorstellung auf dem Parkett gegen Aufsteiger Tigers Tübingen feuerten die gut 5.500 Zuschauer in Bonn das Team in Magenta immer wieder an. "Wir woll'n euch kämpfen sehen", schallte es zwischendurch von den Rängen. Allein: Es lag nicht am Kämpfen, sondern am Können - zumindest an diesem Abend. Bereits nach dem dritten Viertel war das Spiel quasi gelaufen (49:67), am Ende stand eine 76:88-Pleite. Schon den Auftakt hatten die Bonner bei Rasta Vechta mit 79:84 verloren.
"Ich suche nicht gerne Ausreden. Wir waren auf einem inakzeptablen Niveau. Es ist schwierig, eine Erklärung zu finden", sagte Bonns neuer Coach Roel Moors bei "Dyn". Es sei wohl "eine mentale Sache, das hat nichts mit Basketball zu tun."
Nach den ersten beiden Spielen zeichnet sich immer mehr ab, was natürlich auch schon vorher klar war und irgendwie ein gemeiner Vergleich ist: Aufbau Harald Frey ist nicht TJ Shorts, Hüne Ike Udanoh ist nicht Leon Kratzer, Brian Fobbs ist nicht Sebastian Herrera. Die Feier- und Partystunden in Bonn sind wohl vorerst vorbei.
Baskets Bonn: Katerstimmung nach dem Basketball-Märchen
In der vergangenen Saison schrieben die Baskets Bonn ein wahres Basketball-Märchen, stürmten durch die Hauptrunde, holten zwischendurch sensationell den Champions-League-Pokal und mussten in den Playoffs erst im Finale gegen Ulm, noch so ein Underdog, knapp den Kürzeren ziehen. Kurzum: Bonn war die Geschichte des vergangen Jahres, die Mannschaft der Saison.
Das Team funktionierte als Kollektiv und durch Leistungsspitzen zum Beispiel vom genialen Aufbau TJ Shorts, der entweder assistierte oder selber abschloss. Immer wieder glänzte ein anderer Bonn-Profi. Irgendwie ging das Ding dann fast immer rein und Bonn siegte. So könnte man die Vorsaison größtenteils zusammenfassen.
Auch im Sommer schrieb das Team ungewollt Schlagzeilen, denn die Mannschaft bröselte brutal auseinander. Gleich sechs Spieler und Head Coach Tuomas Iisalo wurden von Paris Basketball abgeworben und wechselten in die französische Hauptstadt. Darunter auch Anführer Shorts. Auch die restlichen Spieler schlossen sich anderen Teams an. Sportdirektor Savo Milovic stand vor der schwierigen Aufgabe, aus dem Nichts eine neue Mannschaft zusammenzustellen. Zusammen mit dem neuen Trainer Roel Moers verpflichtete er einen komplett neuen Kader, der sich erst noch finden muss.
Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich sagte damals im Gespräch mit sport.de und ntv.de, es sei durchaus eine neue Dimension, dass ein europäischer Konkurrent den anderen "so leersaugt". "Vier Personen aus dem Trainerstaff, sechs aus dem Spielerkader. Gesetzlich ist das alles legal", erklärte der Baskets-Chef im Sommer die Pariser Aktivitäten. "Aber in dieser Dimension ist es sicherlich eine Premiere im europäischen Basketball." Das Credo im Sommer war dann: Mund abwischen, weitermachen.
Erklärtes Saisonziel der Baskets Bonn sind die Playoffs. Nach den beiden Auftaktpleiten wirkt das aktuell als Herkulesaufgabe, allerdings gibt es noch 32 Spiele. Die Aufgaben werden aber nicht gerade leichter. Klar ist: Die Mannschaft muss sich noch finden. Stellenweise sorgte sie mit kuriosen Ballverlusten für Slapstick-Einlagen und sogar Verzweiflungs-Lachern im Publikum. Wie das eben so ist, wenn sich zwölf neue Spieler einfinden müssen: Fehler sind vorprogrammiert.
Schweigen statt "Sweet Caroline"
Aber die Fakten sprechen eine klare Sprache: Nun haben die Bonner schon nach zwei Spielen so viele Hauptrunden-Niederlagen wie in der gesamten Vorsaison. Dass die Saison nicht so unfassbar märchenhaft verläuft, sollte allen klar gewesen sein, dennoch schien so etwas wie Enttäuschung oder zumindest harte Ernüchterung in der Halle am Hardtberg zu kleben.
Die vielen eigenen Fehler und der starke Auftritt der Tigers Tübingen saugten aus der sonst so frenetischen Halle in Bonn am Ende dann doch viel Energie raus. Schweigen statt "Sweet Caroline".
Schon am Montag geht es für die Baskets weiter. Dann empfangen sie zu den Syntainics MBC aus Weißfenfels. Das Team ist bislang ebenfalls sieglos. Ein echter Krisengipfel. Und beim Champions-League-Heimspiel in zwei Wochen gegen Hapoel Holon gibt es dann zumindest nochmal einen großen Funken Euphorie. Vor dem Spiel wird das "Champions-League-Sieger"-Banner an die Hallendecke gezogen. Der Triumph ist erst fünf Monate her - es fühlt sich schon an wie eine halbe Ewigkeit.
Emmanuel Schneider