Jameis Winston ist ein schräger Vogel und damit kann man ihm nicht zu nahetreten. Wer kurz nach einem Kreuzbandriss in der Kabine auf Krücken tanzt oder bei Traineransprachen witzige Gesten und Sprüche macht, statt sich auf das Gesagte zu konzentrieren, der ist definitiv nicht aus demselben Holz geschnitzt wie die meisten anderen Quarterbacks der NFL. Am Sonntag trifft der ehemalige Top-Pick auf sein altes Team.
Vor achteinhalb Jahren waren die Tampa Bay Buccaneers an erster Stelle im NFL Draft an der Reihe und hatten die Wahl zwischen Jameis Winston und Marcus. Beide Quarterbacks, die sich wenige Wochen zuvor noch im Endspiel um die College-Meisterschaft gegenübergestanden waren, galten zu jener Zeit als künftige Franchise-Quarterbacks.
NFL Draft 2015 kein Quarterback-Jahr
Was damals niemand ahnte: Keiner von beiden und kein einziger Quarterback, der in diesem Jahr in irgendeiner Runde gedraftet wurde, setzte sich letztendlich als Starter in der NFL. Die Wahl der Buccaneers fiel trotzdem auf Winston an erster Stelle, statt zum Beispiel auf Wide Receiver Amari Cooper oder Guard Brandon Scherff, mit denen man besser gefahren wäre. Doch die NFL ist eine Passing League und so sind schwache Teams ohne Quarterback einfach dazu verdammt, im Draft einen neuen Signal-Caller auszuwählen.
Die Ehe zwischen Jameis Winston und den Tampa Bay Buccaneers hielt fünf Jahre. Die meiste Zeit wurde der junge Spielmacher von der Florida State währenddessen als Starter eingesetzt. Sagenhaft bleibt dabei seine Saison 2019, als er mit 33 Touchdowns und 30 Interceptions in einem Jahr der erste Quarterback überhaupt wurde, der eine 30/30-Saison hingelegt hat. Es ist ein Rekord, der sowohl die Spielweise als auch den Charakter von Winston sehr gut beschreibt.
Winston wechselt nach New Orleans
Der Quarterback ist eine Frohnatur. Er macht sich wenige Gedanken, verliert gern den Fokus in einem Spiel, traut sich aber Pässe zu, vor denen andere zurückschrecken würden. Diese Eigenschaften machten ihn auch an seiner nachfolgenden Station bei den New Orleans Saints zunächst zum Starting Quarterback.
Doch mehrere Verletzungen ließen ihn sich nie vollends im Team etablieren. Vor seiner Ankunft ließ sich Winston die Augen lasern, weil er seit seiner Kindheit unter Kurzsichtigkeit gelitten hat. Skurril, denn bei einer Myopie sieht der Betrachter Dinge in der Ferne nur verschwommen. Vielleicht wäre so mancher Turnover vermeidbar gewesen, wenn der Quarterback sich die Augen bereits ein paar Jahre früher hätte behandeln lassen.
Im Anschluss traf ihn das Verletzungspech aber richtig hart. Zuerst riss ihm das Kreuzband, ein Jahr später dann das Innenband im Knie. Beide Traumata sorgten für ein vorzeitiges Saisonaus.
Für gewöhnlich kehren Spieler nach solch schweren Verletzungen zurück und haben im ersten Jahr wiederkehrende kleinere Blessuren. So geschah es auch bei Winston, der auch im vergangenen Jahr öfter von der Seitenlinie zusehen musste, als auf dem Feld zu stehen.
Jameis Winston: Neue Chance gegen altes Team
Das Schicksal scheint ihm aber hold zu sein. Denn das Unglück von Derek Carr, der sich vor einer Woche an der Schulter seines Wurfarmes verletzte, gibt Winston am Sonntag eine erneute Chance, die New Orleans Saints als Starter aufs Feld zu führen. Pikanterweise wird er das ausgerechnet gegen sein altes Team tun.
Die Partie gegen die Tampa Bay Buccaneers (ab 19 Uhr live auf RTL+) gibt Winston die perfekte Gelegenheit, sich für einen neuen Startplatz in der NFL zu bewerben. In New York bei den Jets wird schließlich noch ein neuer Quarterback gesucht und mit ein oder zwei guten Spielen könnte sich Winston auf die Stelle, die aktuell noch von Zach Wilson besetzt wird, bewerben.
Winston kennt die Defense der Bucs, schließlich trainierte er ein volles Jahr gegen Head Coach Todd Bowles und seine Abwehr in Tampa. Der Saints-Quarterback kann manche Lücken in der Passverteidigung aufdecken, ehe er den Ball in die Hand bekommt. Sofern er damals gut aufgepasst hat.
Philipp Forstner