Für Aaron Rodgers ist die NFL-Saison 2023 bei den New York Jets nach nur wenigen Spielzügen beendet. Für sein Team ist dies besonders bitter, da man sich nun womöglich von den ganz großen Titelambitionen verabschieden muss. Oder hilft am Ende ein alter Bekannter aus?
Die Inszenierung war eigentlich perfekt. Am 22. Jahrestag des 11. Septembers war in den Meadowlands alles auf einen großen Abend getrimmt. Der neue Superstar der New York Jets, Aaron Rodgers, trug sogar die amerikanische Flagge aufs Feld und unterstrich damit nochmal seine Strahlkraft für sein neues Team. Es war angerichtet für ein Monday Night Game, das auch ein Statement an den Rest der Liga hätte werden können.
Doch letztlich kam alles ganz anders. Der 39-Jährige stand vom Start weg unter Dauerbeschuss des Bills-Pass-Rushs und schon bei seinem vierten Spielzug war sein Abend - und vermutlich seine Debüt-Saison in Gang Green - schon wieder beendet. Edge Rusher Leonard Floyd brach durch zum QB und brachte ihn - sauber - zu Boden. Rodgers blieb beim Sack mit dem linken Fuß im Kunstrasen des MetLife Stadiums hängen und riss sich die Achillessehne.
Head Coach Robert Saleh bestätigte auf seiner Pressekonferenz im Anschluss an den 22:16-Overtime-Erfolg, der im Big Picture zweitrangig erscheint, entsprechende Befürchtungen. Eine MRT am Dienstag brachte schließlich traurige Gewissheit, die Achillessehne ist gerissen.
Aus Sicht der Jets der Super-GAU, schließlich war Rodgers der Hauptgrund für fast grenzenlosen Optimismus einer Fan Base, die seit 2010 auf die Playoffs wartet - die längste Durststrecke in der NFL. Rodgers sollte auch die Offense auf ein besonderes Level hieven, eines, auf dem sich die Defense bereits seit der Vorsaison eindeutig befindet.
New York Jets: Defense holt Kohlen aus dem Feuer
Jene Defense war auch gegen Buffalo einer der Hauptgründe für den angesichts des Rodgers-Dramas überraschenden Auftakterfolg der neuen Saison. Allerdings half da auch die vogelwilde Vorstellung von Bills-Quarterback Josh Allen gehörig mit. Jener hatte drei Interceptions geworfen, die allesamt völlig unnötig waren. Safety Jordan Whitehead störte das wenig, er sagte artig danke. Und auch der Fumble kurz vor Ende wäre so nicht zwingend nötig gewesen ... Manchmal muss man eben Geschenke annehmen, was die Jets konsequent taten.
Die Jets eröffneten die Saison also mit einem Sieg, stehen nun jedoch vor einer äußerst ungewissen Zukunft. Die offensichtliche Frage ist, wie es nun auf der Quarterback-Position weitergeht. Laut Saleh wird nun wieder Zach Wilson zum Starter werden. Jener Wilson, der noch im Vorjahr seinen Starter-Job zeitweilig an Joe Flacco und Mike White verloren hatte. Der zweite Pick insgesamt des Drafts 2021 soll nun über den Sommer unter Rodgers' Fittichen enorm gereift sein, sagen sie in Florham Park. Seine Interception gegen Buffalo mag das allerdings widerlegen.
Und die Art und Weise, wie die Jets nach Rodgers' Ausscheiden offensiv agiert haben, ließ zumindest mal darauf schließen, dass man nicht vollends von Wilson überzeugt ist. Im Grunde ließ man ihn nur kurze, sichere Pässe werfen, wenn überhaupt. Seine durchschnittliche Passtiefe lag laut "Next Gen Stats" bei 4,3 Intended Air Yards - nur Justin Field (3,3) und Desmond Ridder (3) warfen in Woche 1 kürzere Pässe im Schnitt. Der spektakuläre Touchdown von Garrett Wilson kam zwar nach Zach Wilsons Zuspiel, doch gehörte dieser Catch zu mindestens 90 Prozent dem Ausnahme-Receiver. Der Ball war nicht mal besonders gut geworfen.
Was also tun? So wie gegen Buffalo vermehrt aufs Run Game setzen und die Defense den Rest besorgen lassen? Vor zehn bis 20 Jahren hätte man damit womöglich Aussichten auf Erfolg gehabt - die Chicago Bears erreichten damit 2006 sogar den Super Bowl. Doch in Zeiten, in denen Offenses die Liga dominieren - siehe den grandiosen Shootout der Dolphins gegen die Chargers am Sonntag als Paradebeispiel - wird es vermutlich schwierig, wirklich bis zum Ende oben mitzuspielen.
New York Jets: Hilft nur noch der GOAT?
Doch was bleibt den Jets anderes übrig, als diesen eher altmodischen Ansatz zu verfolgen, um der selbsternannte Contender zu bleiben? Es ist nicht so, dass der Quarterback-Markt gerade viel hergibt. Die derzeit besten Namen auf dem Free-Agent-Markt wären der nun mehrfach gescheiterte einstige zweite Pick des Drafts 2016, Carson Wentz, sowie CBS-Experte Matt Ryan, Ex-Jet Joe Flacco und Super-Bowl-Eintagsfliege Nick Foles. Ansonsten wäre noch Karriere-Backup Colt McCoy zu haben.
Der Running Gag auf der Social-Plattform X war derweil schon während des Spiels ein gewisser Tom Brady, der sich zwar im Ruhestand befindet, aber schon einmal von einem Rücktritt zurückgetreten ist. Könnte er nochmal für eine große Chance auf einen dann achten Ring zurückkehren? Mit Garrett Wilson hätte er einen grandiosen Top-Receiver und die Defense macht einiges her. Brady selbst allerdings gab während seiner Zeremonie in Foxborough/Massachusetts am Sonntag zu, nicht mehr ganz in Spielverfassung zu sein.
Ein weiterer Grund, nein zu sagen, dürfte seine Bekundung, "ein Leben lang Patriot" zu sein, sein. Die Jets sind so etwas wie die Erzrivalen New Englands in der AFC East - Bradys Gesamtbilanz gegen die Jets: 30-7! Nur gegen Buffalo (33) gewann der GOAT häufiger. Und dann wäre da noch ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor, der womöglich auch eine Rolle bei Rodgers' schwerer Verletzung gespielt haben dürfte: die Offensive Line.
Bei aller Euphorie rundum die Jets war schon lange vor Rodgers' Ankunft in New Jersey eines klar: diese O-Line könnte zum Problem werden. Wer "Hard Knocks" verfolgt hat, weiß ganz genau, dass die Leistung der Beschützer des Quarterbacks ein steter Grund für Frustration bei Saleh und Co. war und sicher immer noch ist. Da hilft es auch nicht, dass Right Tackle Mekhi Becton nach drei Jahren im Team und einigen schweren Verletzungen nun endlich beschlossen hat, sich professionell auf eine Saison vorzubereiten und abzuspecken.

New York Jets: Am falschen Ende gespart
Rodgers stand nur vier Spielzüge auf dem Feld, er versuchte nur einen Pass, der nicht ankam. Er hatte zwei Dropbacks im Spiel und wurde zweimal unter Druck gesetzt, beim zweiten Mal kassierte er den folgenschweren Sack. Mit einer funktionalen Offensive Line wäre das vermutlich zu verhindern gewesen. Sicherlich auch, wenn er sich schneller vom Ball getrennt hätte und nicht gezögert hatte, aber in seiner langen Karriere war es immer eine Stärke von ihm, sich Zeit vor dem Pass zu erkaufen. Hinter der aktuellen O-Line wurde ihm das zum Verhängnis.
Die Jets haben offenkundig am falschen Ende gespart, als sie den hohen Preis für Rodgers - auch nach seinem unglaublichen Verzicht auf garantierte 35 Millionen Dollar seines ausstehenden Gehalts sind ihm immer noch 75 Millionen Dollar garantiert - in Kauf nahmen. Sie erfüllten ihm die Wünsche nach alten Weggefährten wie die Receiver Allen Lazard und Randall Cobb, doch ein Top-Tackle blieb aus. Es ist bekannt, dass Rodgers gerne seinen Buddy David Bakhtiari auch noch aus Green Bay geholt hätte. Auch wenn die Packers ihn nicht abgeben wollten.
Nun muss man mit den Konsequenzen dieser Entscheidungen leben. Mit Rodgers wollte man All-In gehen, nun jedoch hat man plötzlich keine allzu guten Karten mehr auf der Hand.
Marcus Blumberg





































