Woche 1 der NFL-Saison 2023 ist so gut wie im Kasten und lieferte schon einige bemerkenswerte Ergebnisse. Die Offense der Baltimore Ravens offenbarte noch Luft nach oben, während Joe Burrow auf ganzer Linie mit den Cincinnati Bengals enttäuschte. Und was war eigentlich mit der neuen Offensiv-Kombo der Chicago Bears? Die wichtigsten Erkenntnisse des Sonntags.
NFL: Ravens-Offense mit Sand im Getriebe - gutes Debüt für Zay Flowers
Eine der spannendsten Fragen zum Start der neuen Saison war, wie die neue Offense der Baltimore Ravens unter Offensive Coordinator Todd Monken in der Praxis aussehen würde. Die erste Antwort darauf ist noch etwas unklar, wenn man ehrlich sein soll.
Was vor allem auffiel, war das fehlende blinde Verständnis zwischen Lamar Jackson und seinen Receivern. Konkret: Jackson brachte zwar 77,3 Prozent seiner Pässe an, doch es fehlten dabei die Anticipation Throws, die Pässe, die in den Lauf der Receiver geworfen werden. Die Timing-Pässe. Nahezu alles verlief mit Blickkontakt - überspitzt formuliert sah das ein wenig wie Hinterhof-Football aus. Es funktionierte und führte unterm Strich zum Erfolg, aber überzeugend war das nicht.
Die Offense der Ravens war sicherlich der Hauptgrund dafür, dass das Spiel gegen ein insgesamt klar unterlegenes Houston viel zu lange relativ offen war. Noch dazu war Jackson noch weit von seiner Topform entfernt. Er versuchte vereinzelt zu laufen, verlor dabei einen Fumble und warf zudem eine Interception. Man merkte ihm an, dass er nicht nur die letzten sechs Spiele der Vorsaison verpasst hatte, sondern auch in der Preseason nicht auf dem Feld stand.
Zu allem Überfluss verletzte sich Running Back J.K. Dobbins auch noch an der Achillessehne und wird den Rest der Saison verpassen. Das ist besonders bitter für den 24-Jährigen, da er bereits die Saison 2021 mit einem Kreuzbandriss verpasste und nach der Saison Free Agent wird. Schlimmstenfalls droht ihm nun schon das Karriereende - Chancen auf einen mehrjährigen neuen Vertrag sind nun in jedem Fall gleich Null.
Einen Lichtblick hatte die Vorstellung der Ravens-Offense dann aber doch: Rookie-Wide-Receiver Zay Flowers feierte ein durchaus gelungenes Debüt. Er war schon früh der langersehnte Slot-Receiver für Jackson und war der man für die kurzen Pässe und Yards nach dem Catch. Laut "Next Gen Stats" kam er auf ganze 2,7 Average Targeted Air Yards, also eine sehr kurze Passtiefe. Monkens Offense lief noch keineswegs wie geschmiert, der OC verstand es jedoch, Flowers gut in Position zu bringen. Jener hatte im Schnitt 3,5 Yards Seperation und war meist der Motion-Man vor dem Snap. Zudem bekam er Touches über Jet Sweeps, auch wenn jene noch nicht zum großen Erfolg führten.
Insgesamt viel Luft nach oben, doch Flowers scheint ein guter Griff zu sein.
NFL: Joe Burrows schwacher Auftritt in Cleveland
Dass Joe Burrow nicht allzu gern in Cleveland spielt, ist kein großes Geheimnis. Der neue Topverdiener der NFL spielte in Woche 1 der neuen Saison zum vierten Mal in seiner Karriere in Cleveland und kassierte dort seine vierte Niederlage. Doch sah es vermutlich noch nie so schlimm aus.
Joe Burrow brachte nur 14 seiner 31 Pässe für 82 Yards an den Mann. Laut "NFL Research" sind das die drittwenigsten Passing Yards mit mindestens 30 Passversuchen seit mindestens 1950 in der NFL. Mehr noch: Laut "Next Gen Stats" brachte es Burrow auch noch auf eine Completion Percentage over expected von -13,9 Prozent. Das ist der schlechteste Wert seiner Karriere. Doch woran hat es gelegen?
Burrow hatte einen extrem schweren Stand gegen die Defense des neuen Defensive Coordinators der Browns, Jim Schwartz. Burrow musste 10 QB-Hits und zwei Sacks einstecken. Dabei wurde er besonders von seinen Offensive Tackles im Stich gelassen, denn acht dieser Hits entfielen auf die Edge Rusher Myles Garrett (1 Sack) und Za'Darius Smith. Burrow hatte schlicht kaum Zeit zum Passen - seine durchschnittlichen 2,56 Sekunden bis zum Wurf waren in Woche 1 die fünftniedrigste Zeit zum Passen in der NFL.
Und auch seine Receiver sahen aufgrund der engen Coverage der Browns wenig Land. Laut "NGS" liegt der Liga-Schnitt derzeit bei 2,94 Yards Separation, also Abstand von Receiver zum nächsten Verteidiger beim Pass. Tee Higgins (1,87), Tyler Boyd (2,03) und selbst Ja'Marr Chase (2,79) lagen gegen die Browns allesamt unter diesem Wert. Burrow hatte also weder Zeit, noch sonderlich große Passfenster, um viel möglich zu machen.
Einen Trend sollte man daraus noch nicht ablesen, aber wenn die Browns dieses Niveau halten, dann werden sie für manch einen Kontrahenten zum Problem werden.
NFL: Bears vergessen DJ Moore
Wer die Chicago Bears über den Sommer verfolgt hat, wird vor allem eines vernommen haben: schwärmerische Beschreibungen der neuen Offensiv-Kombo Justin Fields und Wide Receiver DJ Moore, der Teil des Trade-Pakets aus Carolina für den ersten Pick im Draft 2023 war. Endlich ein X-Receiver, endlich eine Nummer 1 für Fields im Receiving Corps. Damit einhergehend natürlich auch keine Ausreden mehr für unterirdische Passleistungen des mit den Beinen so elektrischen Quarterbacks.
In Woche 1 gegen die Erzrivalen aus Green Bay jedoch schien man diese Story ein wenig vergessen zu haben. Da war nämlich kaum etwas zu sehen von dieser Connection. Fields warf ganze zwei Pässe im ganzen Spiel in Richtung von Moore - er fing beide für 25 Yards, doch das war's. Mehr versuchte Fields gar nicht. Und warum dem so war, ist nicht so ganz klar. Laut "NGS" hatte Moore im Schnitt 4,21 Yards Separation, war also in NFL-Verhältnissen in der Regel weit offen.
Und an mangelnder Zeit lag es auch nicht, denn Fields hatte im Schnitt 2,95 Sekunden bis zum Wurf. Vielmehr muss man den Gameplan von Offensive Coordinator Luke Getsy hinterfragen. Der konzentrierte sich nämlich hauptsächlich auf kurze Pässe - richtig kurze Pässe! Im Schnitt flogen Fields' Pässe 3,3 Air Yards. Nur Desmond Ridder von den Falcons warf an diesem Wochenende im Schnitt kürzere Pässe (3 Air Yards). Es waren hauptsächlich Screens. Zudem versuchte Fields mit seinen Beinen zu improvisieren. Er führte sein Team naturgemäß mit 59 Rushing Yards an, doch war das angesichts des deutlichen Ergebnisses (20:38) nicht sonderlich relevant.
NFL: Dies und Das aus Woche 1
- Das sollte nicht überraschen: Die Vikings waren basierend auf ihrer Punktedifferenz (-3) ein äußerst glückliches 13-4-Team in der vergangenen Saison. Der Schlüssel zu dieser unglaublichen Bilanz waren sage und schreibe elf Siege in elf Spielen, die mit nicht mehr als einem Score Unterschied entschieden wurden. Solche knappen Ergebnisse sind per se glücklich. Und ein solches Glück gleicht sich statistisch meist aus. Für die Vikings begann dieser Prozess direkt in Woche 1, denn zum Start unterlag man den Buccaneers 17:20.
- Es war nur ein Spiel, aber wir sahen beim Kracher zwischen den Dolphins und Chargers (36:34) eine Evolution einer Offense - und ich meine nicht die der Chargers, die immer noch recht konservativ agierte im Vergleich zur Vorsaison! Die Dolphins haben eine signifikante Anpassung vorgenommen. Im Vorjahr warf Tua Tagovailoa im Schnitt noch für 9,6 Air Yards. Gegen die Chargers schraubte er diesen Wert auf 11,6 nach oben. Waren im Vorjahr noch einige verhältnismäßig kurze Pässe samt Yards nach dem Catch dabei, ging es nun vermehrt auf vertikale Routes. Das mag dem Spielstand geschuldet gewesen sein, doch zeigt es, dass der nächste Schritt für Tua in dieser Offense nicht nur theoretisch möglich ist.
- Die Patriots verloren ihren Heimauftakt gegen die Eagles 20:25 denkbar knapp. Ihre Defense war allerdings schon wieder auf hohem Niveau unterwegs und hielt die Offense von Jalen Hurts gut in Schach. Sie erzielte nur einen Touchdown im Spiel. Es war erst das zweite Mal seit Beginn der vergangenen Saison, das die Eagles-Offense mit Starter Hurts nur einen oder weniger Touchdowns erzielt hat. Zuletzt passierte dies in Woche 18 der Vorsaison gegen die Giants - ein Spiel, in dem es um nichts mehr ging.
Marcus Blumberg