Ryan Gravenberch kann aus persönlicher Sicht bislang maximal auf ein durchwachsenes Jahr beim FC Bayern zurückblicken. Doch ausgerechnet in der Schlussphase der Saison könnte es nun auf das niederländische Top-Talent ankommen. Nutzt der 20-Jährige seine unverhoffte Chance und wird sogar zum X-Faktor im Titelkampf?
Wenn es in den Medien dieser Tage um die zukünftige Rolle von Ryan Gravenberch beim FC Bayern geht, steht immer wieder das Thema Durchhaltevermögen auf der Agenda.
Der "kicker" berichtete beispielsweise am Montag, dass sowohl bei den Münchnern als auch beim im letzten Sommer als Top-Talent von Ajax Amsterdam verpflichteten Mittelfeldspieler "etwas Geduld" gefragt sei.
Doch insbesondere Gravenberch tat sich in den letzten Monaten sichtlich schwer, weiter geduldig auf den Durchbruch zu warten. Wiederholt spielte der 20-Jährige in heimischen Medien offen mit Wechselgedanken und äußerte seine Wünsche und Ambitionen, die kurz zusammengefasst so aussehen: Mehr Spielzeit noch in der laufenden Saison sowie eine neue, bedeutendere Rolle ab 2023/24.
Kein Wunder: Noch im letzten Sommer wurde Gravenberch als "eines der größten Talente in Europa" vorgestellt, das "unserer Mannschaft viel geben kann". Doch rund elf Monate später stehen wettbewerbsübergreifend lediglich vier Startelf-Einsätze und magere 755 Spielminuten zu Buche. In der Bundesliga durfte der Niederländer nie mehr als eine Halbzeit lang auf das Feld.
Ausgerechnet in der heißen Saison-Schlussphase könnte sich das nun jedoch ändern. Denn der seit Längerem formschwache Leon Goretzka, der Gravenberch zuletzt immer wieder vorgezogen wurde, fehlt am kommenden Samstagabend beim Auswärtsspiel gegen Werder Bremen (18:30 Uhr) aufgrund einer Gelbsperre.
Damit dürfte die Stunde - oder genauer dürften die 90 Minuten - des zentralen Mittelfeldspielers geschlagen haben. Es wäre sehr verwunderlich, sollte Gravenberch erneut nicht von Beginn an spielen.
Gravenberch für Goretzka beim FC Bayern?
Schon gegen Hertha BSC bewies Gravenberch nach seiner Einwechslung rund eine halbe Stunde vor Schluss seine Wichtigkeit und trug maßgeblich zu den zwei späten Toren seines Teams bei, indem er Mittelfeld-Kollege Joshua Kimmich immer wieder den Rücken freihielt. Dieser konnte sich so ins Offensivspiel einschalten und beide Treffer zum 2:0-Sieg vorlegen - eine Qualität, die Positions-Konkurrent Goretzka zuletzt vermissen ließ.
Thomas Tuchel hob Gravenberch nach der Partie gegen die Berliner nicht umsonst hervor. "Ryan hat heute ein sehr gutes Spiel von der Bank gemacht", sagte der Coach, dem nicht entgangen war, wie geschickt der Niederländer in der letzten halben Stunde die Fäden im Mittelfeld zog und sich im richtigen Moment auch am Offensivspiel beteiligte. Sowohl beim 2:0 als auch bei der Top-Chance zum möglichen 3:0, das Leroy Sané in der Schlussphase vergab, war der 20-Jährige mit öffnenden Pässen beteiligt. Kurz vor dem Abpfiff feuerte Gravenberch selbst noch einen Ball aufs Tor.
Warum Tuchel nicht schon eher auf Gravenberchs Pressing-Fähigkeiten setzte, verriet der Trainer nicht, erkannte aber die guten Trainingsleistungen des Niederländers an. Gegen Hertha sei der Niederländer einer derjenigen gewesen, "die es verdienen, zu spielen".
In Bremen wird Gravenberch zeigen dürfen, aber auch müssen, dass er auch über die volle Distanz Impulse setzen kann - sowohl in defensiver als auch in offensiver Hinsicht. Denn bei Ajax tat sich der für rund 20 Millionen Euro verpflichtete Mittelfeldmann nicht nur als Abräumer und Ideengeber, sondern auch als auch als Torschütze hervor (25 Scorerpunkte in 103 Spielen). In München kommt er situationsbedingt erst auf ein Tor und eine Vorlage.
Gravenberch soll beim FC Bayern bleiben
Viel mehr kommt es für Gravenberch beim Gastspiel an der Weser aber erneut darauf an, Kimmich bestmöglich zu unterstützen. Dieser hatte sich gegen Hertha auch dank Gravenberch aus einem kleinen Tief befreit. Zusammen brachte das Duo den Mittelfeldmotor wieder auf Trab.
Leistet der Niederländer auch gegen Werder den gleichen Support in der Zentrale und bringt die ihm von Sportchef Hasan Salihamidzic zugeschriebene Mentalität ("Solche Spieler lieben wir") auf den Platz, könnte er gar unverhofft zum X-Faktor für die verbleibenden Partien werden, in denen es um nicht weniger als den einzig noch erreichbaren Titel der Saison geht.
Gelingt das Unterfangen, dann dürfte es auch in Sachen Zukunft bald etwas mehr Gewissheit für beide Seite geben. Dem Vernehmen nach wollen die Münchner Bosse ohnehin auch in der nächsten Saison definitiv auf den 20-Jährigen setzen, der mit einem Arbeitspapier bis 2027 ausgestattet ist.
"Ich habe noch nicht mit der Vereinsführung gesprochen, also warte ich ab, was passiert", sagte Gravenberch zuletzt gegenüber "Voetbal International".
"Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später", sagte einst der große deutsche Geschichtenerzähler Wilhelm Busch.
Bei der Antwort auf die Frage, ob Gravenberch seinen höchst wahrscheinlichen Startelf-Einsatz für sich und den FC Bayern zum Märchen macht, ist allerdings vorerst erneut Geduld gefragt.
Chris Rohdenburg
































