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NoKo-Star beendet seine Karriere

Frenzel zum Abschied: "Gefühlt ist es eher vorbeigerauscht"

Deutschlands erfolgreichster Skisportler Eric Frenzel hört auf
Deutschlands erfolgreichster Skisportler Eric Frenzel hört auf
Foto: © IMAGO/GEPA pictures/ Gintare Karpaviciute
12. März 2023, 13:27

Nach 15 Jahren in der absoluten Weltspitze der Nordischen Kombination ist am Ende der Saison Schluss: Eric Frenzel beendet seine höchst erfolgreiche Karriere. Bei sport.de äußert sich der 34-Jährige exklusiv zu seiner Entscheidung und blickt auf seine Laufbahn zurück.

Die 18. WM-Medaille zu holen und damit den Rekord des legendären Bjørn Dæhlie zu übertreffen, war sein großes Ziel für die Winter-Saison 2022/2023. Genau das hat Eric Frenzel am 1. März in Planica mit Silber im Mannschaftswettbewerb erreicht. Fast auf den Tag genau eine Woche später ist klar: Es ist das letzte große Highlight einer noch größeren Sportlerkarriere. Im Alter von 34 Jahren beendet der erfolgreichste deutsche Skisportler am Ende der Saison seine Laufbahn.

"Mit dieser Medaille und dieser Bestmarke ist auch meine letzte Saison eine runde Sache. Ich habe alles erreicht, was ich erreichen wollte und das noch übertroffen. Es ist der richtige Zeitpunkt gekommen, aufzuhören", sagt Frenzel über seinen Abschied.

Im exklusiven Interview mit sport.de spricht der dreimalige Olympiasieger, fünffache Gesamtweltcupsieger und siebenfache Weltmeister über seine Beweggründe, seine Weggefährten, Höhen und Tiefen seiner Karriere und, wie das nächste Kapitel seiner Lebensgeschichte aussehen könnte.

Herr Frenzel, Sie haben sich dazu entschieden, an diesem Wochenende am legendären Osloer Holmenkollen ihren Abschied vom Leistungssport bekanntzugeben. Wie fühlen Sie sich jetzt, wo es soweit ist?

Eric Frenzel: Für mich war zunächst wichtig, ein Gefühl zu haben, dass die Sache rund ist und dass ich sagen kann: "Jetzt passt es." Ich wollte es nicht direkt bei der WM verkünden, weil mir das Gespräch mit meiner Frau Laura sehr wichtig war. Sie musste eher abreisen, weil meine Jungs in die Schule mussten und ich wollte in Ruhe mit ihr darüber reden. Jetzt ist es für uns die richtige Entscheidung und der richtige Zeitpunkt.

War Ihre Entscheidung über den Rücktritt ein Prozess oder gab es einen Schlüsselmoment?

Gedanken darüber habe ich mir schon länger gemacht. Es war nie so, dass ich gesagt habe, dass ich bis 2023 auf jeden Fall noch weitermache. Es hätte auch schon früher Schluss sein können. Ich habe aber gemerkt, dass die Saison nicht so lief, wie ich mir das vorher gedacht habe.

Wirklich klar wurde es mir dann, als ich die Team-Medaille in Planica geholt habe und nochmal etwas vorzuweisen hatte, dass das nochmal ein Highlight ist. Ich wusste also, dass ich den Bogen nicht überspannt hatte. Weil eines wollte ich nie: Dass es heißt "jetzt kann der Frenzel aber wirklich mal aufhören." Somit hatte ich den richtigen Moment mit dem richtigen Gefühl erwischt.

Fiel es Ihnen vor diesem Hintergrund dann auch leichter, in Planica auf den letzten Start im Großschanzen-Einzel zu verzichten?

Mit dieser Medaille im Rücken und den Vergleichswerten zu den Teamkollegen auf jeden Fall. Mir war immer wichtig, Medaillen gewinnen zu können. Mir war aber klar, dass ich davon im Einzel einfach zu weit weg bin. Und es hätte bei mir schon sehr vieles und bei den Anderen nicht alles stimmen müssen, damit ich das nochmal schaffen hätte können. Aber ich hatte meine Medaille und mir war es wichtig, diese WM genießen zu können, auch mit meiner Familie und meinen Freunden und allen, die da waren.

Dieser Druck, nochmal in eine Ausscheidung zu müssen, wäre für mich nicht passend gewesen. Ich habe den Druck lieber rausgenommen und wollte, dass sich die anderen Jungs gut auf diesen Wettkampf vorbereiten können. Das war definitiv sinnvoller als ein Zittern darum, ob ich überhaupt dabei sein werde.

Aus Ihnen spricht ein Teamplayer in einer Individualsportart, was eher ungewöhnlich ist. Können sie ausmachen, woher dieser Gruppengedanke kommt?

Man verbringt so viel Zeit im Jahr miteinander, man ist mehr mit den Trainingskollegen zusammen als mit der eigenen Familie. Deswegen ist es wichtig, dass die Chemie untereinander passt und man nicht denkt "jetzt muss ich wieder da und dort hin und da ist jemand, den ich überhaupt nicht mag." Ich wollte immer, dass Entscheidungen sportlich fair gefällt werden und es nicht heißt, dass gemauschelt wurde. Es gehört dazu, dass man sich in die Augen schauen kann und fair und ehrlich zueinander ist.

Und das hat sicher dazu beigetragen, dass wir Deutschen in der Nordischen Kombination so erfolgreich waren und sind. Und auch, dass junge Athleten es ins Team geschafft haben. Ich wurde damals auch gut integriert und wurde immer unterstützt. Man war mit dabei und es wurde einem unter die Arme gegriffen.

Aus sportlicher Sicht war die WM in Planica für das deutsche Team die erfolgreichste aller Zeiten. Dennoch gab es auch laut vernehmbare Nebengeräusche, vor allem wegen der schlechten Zuschauerzahlen. Wie bilanzieren Sie Ihr WM-Erlebnis in Planica?

Klar war es enttäuschend, dass nicht die Zuschauerzahlen erreicht wurden wie sonst bei den Skiflug-Weltcups oder -WMs. Aber für mich war wichtig, dass meine Familie, meine Freunde und meine Fans mit dabei waren. Sie haben mich meine ganze Karriere lang begleitet, sind mitgereist und haben mich immer unterstützt. Da waren auch die Vorzeichen egal.

Allen war klar: Sie fahren hin und unterstützen. Jeder, der wollte, konnte dabei sein und als Gemeinschaft einen positiven Abschluss finden. Somit war für mich grundsätzlich alles positiv, also ganz anders als zuvor in Peking bei Olympia 2022 oder bei der WM in Oberstdorf vor zwei Jahren, wo niemand mit dabei sein durfte.

Und für Sie schloss sich ja auch ein kleiner Kreis, denn Sie haben ja in Planica auch Ihre ersten internationalen Medaillen geholt, nämlich 2007 bei der Junioren-WM mit Gold im Sprint und Silber im Team.

(lacht) Ja, das stimmt, das ist in der Tat amüsant. Der austragende Ort war natürlich ein italienischer mit Tarvisio, aber die konnten ihre Schanze nicht gut genug präparieren, sodass wir nach Planica ausgewichen sind. Somit habe ich wirklich meine erste und meine letzte Medaille dort geholt. Das ist gar kein schlechter Ort dafür (schmunzelt).

Ist es dann ebenso Zufall, dass Sie am Ende desselben Winters aufhören wie ihr langjähriger Bundestrainer Hermann Weinbuch?

Bei meiner Entscheidung hat das keine Rolle gespielt. Aber er hinterlässt natürlich große Fußstapfen, gerade für die Kombination in Deutschland. Er hat sie als Athlet und gerade als Trainer geprägt wie kein Anderer. Wir haben ihm sehr viel zu verdanken, deswegen ist es sehr schade. Aber ebenso wie bei mir kommt eben irgendwann der Moment, in dem man spürt, dass eine Veränderung hermuss. Das wird bei ihm genauso gewesen sein. Dass er und ich im selben Jahr aufhören, ist tatsächlich Zufall.


Mehr dazu: Blick auf Frenzels Karriere: "Ein Geschenk" von Musterprofi!


Sie waren 15 Jahre Weltspitze, haben alles gewonnen, was man in der Nordischen Kombination gewinnen kann. Fühlt sich das aus heutiger Perspektive eigentlich an wie eine lange Zeit?

Gefühlt ist es eher vorbeigerauscht. Ich kann es gar nicht richtig begreifen, dass das im Grunde mein halbes bisheriges Leben war. Klar weiß man, was man alles erreicht hat. Aber man ist ja dann doch schnell wieder in dem Fokus zu überlegen, was als nächstes ansteht, worauf man sich vorbereitet und worin man besser werden möchte. Dieses Gefühl getrieben zu sein oder auf der Suche nach etwas zu sein, was einen besser macht, lässt die Zeit schnell verfliegen. Zumal man, wenn man etwas gerne macht, die Euphorie darin sieht. Es kommt mir nicht vor, als wären es 15 Jahre gewesen.

So ähnlich hat es Ex-Skispringer Severin Freund bei seinem Rücktritt letztes Jahr auch formuliert. Er sagte: "Bevor du da hinkommst, kannst du gar nicht begreifen, was du alles erreichen kannst." Erkennen Sie sich darin wieder?

Sportler sind immer davon getrieben, Erfolge zu erzielen und Ziele, die sie sich stecken, erreichen zu wollen. Mir hat es enorm viel gegeben, aber eben auch Motivation, noch mehr zu erreichen, es noch besser zu machen. So hat sich das bei mir hochgeschaukelt.

Es gibt genügend Leistungssportler, die behaupten, ihnen seien Rekorde oder Bestmarken nicht wichtig. Sie aber haben vor der Saison klar gesagt, dass sie die 18. WM-Medaille holen und damit den Rekord von Bjørn Dæhlie brechen möchten. Was bedeutet Ihnen eine Bestmarke wie diese?

In erster Linie ist es für mich Motivation. Leistungssport zu betreiben, um einfach mal nur zu schauen, wohin einen der Weg führt, führt meiner Meinung nach nie dazu, dass man intrinsische Motivation hat. Diese 18. Medaille ist für mich das Ding, was ich erreichen wollte. Sagen zu können, dass ich genauso viele Medaillen hatte wie Dæhlie oder eben jetzt sogar noch eine mehr, macht mich stolz und zufrieden. Und es passt für mich, dass ich mit so einem Erfolg meine aktive Karriere beenden kann.

Sie haben 43 Weltcups gewonnen, sind drei Mal Olympiasieger geworden, haben fünf Mal den Gesamtweltcup und sieben Mal WM-Gold gewonnen. Gibt es unter all diesen Erfolgen einen, der für Sie ein ganz besonderer war?

Meine Karriere war so lang, da war ich auf jeden erreichten Erfolg stolz. Sicherlich gehört da die erste WM-Medaille 2009 in Liberec dazu und noch viel mehr der erste Weltmeistertitel in Oslo. Das war mit die beste WM meiner Karriere. Oder auch Olympia 2018 in Pyeongchang, wo ich Fahnenträger sein durfte und in jedem Wettkampf eine Medaille geholt habe. Besonders war auch Seefeld 2019, wo selbst meine Frau unten im Auslauf stand und vorher gar nicht wusste, was dort aus mir wird. Und dann habe ich da direkt im ersten Wettbewerb den WM-Titel geholt. Es sind so viele Dinge, an die ich mich gerne erinnere, ich könnte die Liste noch lange fortsetzen (lacht).

Dem entnehme ich, dass Sie sich auch Oslo als Station ganz bewusst ausgesucht haben, um Ihren Abschied offiziell zu machen.

Ganz genau, da sind wir wieder beim Thema Dinge bewusst zu genießen. Mir war es wichtig, nicht einfach nur nach dem letzten Rennen zu sagen "Das war es jetzt und tschüss". Die WM ist erfolgreich abgeschlossen und für Laura und mich ist jetzt alles fein. Deswegen wollen wir die Stationen Oslo und Lahti jetzt noch mitnehmen und genießen, so wie all die Jahre. Und wir hätten es sicher nicht so lange gemacht, wenn wir diese Reise nicht hätten genießen können. Oslo und Lahti haben beide so eine große Tradition, ich bin in beiden Orten Weltmeister geworden und verbinde sehr viel damit. Das passt einfach perfekt.

Zu einer Sportlerkarriere gehören neben den Erfolgen auch die schwierigen Zeiten. Was war für Sie das Schwierigste, was Sie durchmachen mussten?

Das ist auch eine Definitionsfrage. Sicherlich ganz hart aus emotionaler Sicht war meine Corona-Infektion letztes Jahr in Peking. So, wie sich die Situation dargestellt hatte, war leider klar, dass ich nicht die großen Gelegenheiten hatte, mich groß darzustellen und Erfolge zu feiern. Ich würde es aber nicht als Tiefpunkt bezeichnen. Vom Kopf her war ich sehr weit unten, weil ich auch nicht wirklich etwas dafür konnte. Aber das ist etwas anderes als wenn man Fehler macht, einem gewissen Druck nicht standhalten konnte oder einen falschen Weg eingeschlagen ist.

Ich hatte auch Jahre, die nicht rund liefen, wie die Saison 2019/2020. Die war aufgrund der ausbleibenden Erfolge schwierig. Da wird man sich bewusst, dass man nicht immer auf der Erfolgswelle schwimmen kann, sondern sich auch mal hochkämpfen muss. Und auch das habe ich geschafft.

Was werden Sie am meisten an Ihrem bisherigen Sportlerleben vermissen und was nicht?

Ich war bislang immer für mich selbst verantwortlich und habe geschaut, wie ich das, was ich mache, soweit optimieren und vorantreiben kann, um möglichst erfolgreich zu sein. Das ist eine privilegierte Position, die man als Sportler hat. Man ist auch recht unabhängig von anderen. Das wird in der Form so nicht mehr sein.

Nicht vermissen werde ich wahrscheinlich diesen inneren Druck, dieses unterschwellige flaue Magengefühl. Und damit verbunden eben auch die letzte Nacht oder letzten Stunden vor dem Wettkampf, die vielleicht auch mal unruhig oder nicht so gut waren. Da bin ich schon froh, dass es sich bald etwas entspannter und gelassener leben lässt.

Worauf freuen Sie sich in Ihrem neuen Lebensabschnitt am meisten?

Definitiv darauf, gewisse Dinge freier entscheiden zu können. Wie zum Beispiel, wann und wohin man in den Urlaub fährt. Es richtet sich jetzt nicht mehr alles nach mir und meinem Training. Es ist schön, dass sich solche Dinge jetzt ändern.

Welche Gedanken haben Sie sich denn bereits mit Blick auf Ihre berufliche Zukunft machen können?

Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich, weil ich Sportsoldat bei der Bundeswehr bin, noch nach meiner sportlichen Karriere, Anspruch auf den Berufsförderungsdienst habe. Dort werde ich so unterstützt, dass ich eine Berufsausbildung machen kann und nicht ohne irgendetwas dastehe, sondern die Zeit überbrücken kann. Und es gibt da auch noch mein Studium im Wirtschaftsingenieurwesen, was ich während meiner Laufbahn angefangen habe und gerne beenden würde. Ich habe die Zeit und die Möglichkeit, alles auf mich zukommen zu lassen und zu sehen, welche Türen aufgehen.

Wenn man auf Ex-Sportler schaut, gibt es im Grunde ja nur zwei Spezies: Die Einen, die der Sport nie loslässt und, die ihm dann in welcher Funktion auch immer erhalten bleiben oder eben die, die damit abschließen und dann etwas ganz anderes machen. In welche Kategorie würde sich Eric Frenzel einsortieren?

(lacht) Also der Kombination ganz "Adé" sagen möchte ich nicht. Meine Erfahrung in irgendeiner Art und Weise weiterzugeben, oder weiter dafür zu kämpfen, dass die Sportart weiterhin olympisch bleibt, kann ich mir sehr gut vorstellen. Ganz von der Bildfläche zu verschwinden, kann ich mir nicht vorstellen. Dazu liebe ich die Kombination viel zu sehr.

Abschließend würde ich Sie gerne noch fragen: Was wünschen Sie sich für die Nordische Kombination?

Für die Nordische Kombination eindeutig: Ich wünsche mir, dass sie auch über die nächsten Olympischen Spiele hinaus der olympischen Familie treu bleiben darf und die Damen dazu kommen. Gleichbedeutend damit, dass sie die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient hat. Wir haben nach wie vor sehr interessante Wettkämpfe und nur weil vielleicht einige Zahlen drumherum nicht ganz passen, gerät sie aufs Abstellgleis. Das finde ich schade.

Und welche Wünsche haben Sie für sich persönlich und Ihre Familie?

Gesundheit und Zufriedenheit. Es nutzt einem alles nichts, wenn man aufgrund der Gesundheit nicht mehr die Möglichkeit hat, gewisse Ziele zu verfolgen. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir als Familie weiterhin gesund bleiben, gute Entscheidungen treffen und ein glückliches und zufriedenes Leben führen werden.

Dafür wünsche ich Ihnen alles Gute und bedanke mich herzlich für dieses Gespräch!

Das Gespräch führte Luis Holuch

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