Die Niederlande wachsen bei der WM bislang über sich hinaus. Jetzt wollen sie dem großen Bruder ein Bein stellen.
Per Wildcard zur WM-Teilnahme, ein Verband mit nur knapp 50.000 Mitgliedern und eine Mannschaft voller Handball-"Zwerge": Die Niederlande kommen auf den ersten Blick ziemlich unspektakulär daher, doch das Team Oranje gehört zu den spannendsten "Entwicklungsländern" des Welthandballs. Klein, aber oho - so lautet das Motto im Nachbarland.
"Vor fünf, sechs Jahren hat das angefangen. Der Kader wurde verjüngt und breiter aufgestellt", erklärt Spielmacher Dani Baijens, einer von acht Deutschland-Legionären, den rasanten Aufschwung vom belächelten Sparringspartner zum ernstzunehmenden Viertelfinalkandidaten. "Die Entwicklung", lobt DHB-Routinier Kai Häfner, "ist sensationell".
Für ihr großes Ziel K.o.-Runde müssen Baijens und seine Mitspieler am Samstag (20:30 Uhr/ZDF) nun dem großen Bruder ein Bein stellen. "Wir wollen Deutschland nicht ärgern oder gut mithalten, wir wollen gewinnen", stellte der Rückraumspieler vom HSV Hamburg in der Hamburger Morgenpost klar: "Wir trauen uns zu, die zu schlagen, aber das wird mega-schwer."
Handball hat sich in den letzten Jahren verändert
Mit Unbekümmertheit und irrsinnigem Tempo rockt Oranje bei der zweiten WM-Teilnahme nach 1961 bislang die WM. Die Siege gegen Argentinien und Katar, vor allem aber die hauchdünne Niederlage gegen den Turniermitfavoriten Norwegen haben Aufsehen erregt. Insbesondere weil Schlüsselspieler wie Baijens (1,82 m), der Magdeburger Kay Smits (1,85 m) und Star-Spielmacher Luc Steins (1,72 m) von Paris St. Germain alle für Handballverhältnisse recht klein gewachsen sind.
"Immer mehr Mannschaften setzen weniger auf klassische Shooter, sondern viel mehr auf starke und schnelle Spieler", sagt DHB-Torhüter Andreas Wolff. Der Handball sei in den letzten Jahren noch einmal deutlich schneller geworden: "Das spiegelt sich auch in der Größe der Spieler wider. Spieler, die 2,20 m groß sind, können nicht so lange Tempo gehen wie die, die zum Beispiel nur 1,90 m groß sind - die Zwerge."
Bislang galten im kleinen aber feinen niederländischen Handballverband (zum Vergleich: DHB hat das 15-fache an Mitgliedern) die Frauen als Aushängeschild. Sie stürmten vor gut drei Jahren zum WM-Titel. So weit sind die Männer noch nicht - doch, da ist sich Kay Smits sicher, "Deutschland wird uns ernst nehmen".