Olympiasieger Florian Wellbrock schwimmt bei seiner verspäteten Rom-Premiere nach Coronainfektion weit hinterher. Der WM-Sechste Lucas Matzerath sprintet zu Bronze über 50 m Brust.
Florian Wellbrock riss sich die Schwimmbrille vom Kopf und hielt sich mit beiden Händen an der Leine fest. Den Olympiasieger hatten die Kräfte verlassen, sein Körper spielte nach der Coronainfektion nicht mit - den Kampf um die EM-Medaillen sah der Doppel-Weltmeister nur aus weiter Ferne.
"Ich habe nach 200, 300 m gemerkt, dass ich mit den Jungs vorne nicht mitschwimmen kann", sagte der 24-Jährige nach Platz fünf im Finale über 1500 m Freistil, "ich dachte, dass ich Bronze sichern könnte, aber das war leider nicht möglich."
Jubeln durften die deutschen Schwimmer am vorletzten Tag der EM-Rennen im Foro Italico dennoch: Brustschwimmer Lucas Matzerath sprintete zu Bronze über 50 m und holte die fünfte Medaille für das Team.
Wellbrock "trotzdem stolz"
Wellbrock dagegen war über 26 Sekunden und fast 50 m weit weg, als sein ukrainischer Trainingskollege Michailo Romantschuk im Duell mit dem italienischen Weltmeister Gregorio Paltrinieri Gold gewann. "Ich bin trotzdem stolz auf mich, dass ich es zumindest versucht habe", sagte der Magdeburger. Ob er wie ursprünglich geplant ab Freitag im Freiwasser am Lido di Ostia startet, ließ er noch offen: "Das müssen wir intern entscheiden."
40 Minuten vorher hatte sich Matzerath von der Begeisterung der italienischen Schwimmfans tragen lassen. "Ich habe die Augen zugemacht und mir vorgestellt, es wäre für mich", sagte der Frankfurter lachend, "die Atmosphäre ist einfach geil." Der WM-Sechste schlug nach 27,11 Sekunden knapp hinter den Lokalmatadoren Nicolo Martinenghi und Simone Cerasuolo an - und blickte zunächst ungläubig auf die Anzeigetafel: "Ich habe ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich es gemerkt habe."
Eine halbe Stunde später nahm der 22-Jährige strahlend seine erste internationale Medaille entgegen: "Wahnsinn." Groß gefeiert wird nicht, denn am Mittwoch steht die Lagenstaffel auf dem Programm, "ein Stück Kuchen heute Abend ist drin."
"Alle sind irgendwie ein bisschen angeschlagen"
Wellbrock war erst mit Verspätung in die EM gestartet. Um den Trainingsrückstand aufzuholen, verzichtete der Magdeburger auf die 800 m. Ein Medaillen-Fünferpack wie in Budapest, wo ihm dieses Kunststück als erstem deutschen Schwimmer seit 40 Jahren gelungen war, war ohnehin nach der Erkrankung utopisch.
Nach dem Auf und Ab im Training und einiger Verunsicherung über die eigene Leistungsstärke fühlte Wellbrock sich nach dem Vorlauf "im Großen und Ganzen gut". Er wollte im Finale "gucken, was der Körper hergeben kann". Nachher meinte er: "Es hätte alles oder auch nichts sein können." Es wurde eher nichts.
Der Freiwasser-Goldmedaillengewinner von Tokio ist nicht der Einzige, der zum Ende der Saison auf dem Zahnfleisch schwimmt. "Alle sind irgendwie ein bisschen angeschlagen, unheimlich viele Leute waren krank, egal ob normale Grippe oder Corona", berichtete Wellbrock, "es ist eine wahnsinnig lange Saison, nach der WM sind alle auch mental müde."
Dennoch war er froh, endlich im Weltrekordbecken des Foro Italico zu schwimmen, wo Paul Biedermann vor 13 Jahren die Schwimmwelt mit Fabelzeiten auf den Kopf stellte: "Die Atmosphäre war Wahnsinn." Druck verspürte er nicht, denn beweisen musste er nach zweimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze bei der WM ohnehin nichts mehr. "Ich bin froh, dass Corona mich erst nach der WM erwischt hat", sagte er: "In Budapest habe ich gezeigt, was ich kann."