Marcus Ehning runzelte kurz die Stirn, dann winkte er ab. Die wievielte WM Herning denn eigentlich für ihn sei, wurde der 48 Jahre alte Senior der deutschen Springreiter-Equipe gefragt. "Ich versuche das noch zu verdrängen", sagte Ehning: "Wenn ich mal nicht mehr reite, zähle ich das mal nach."
Dem Mann kann geholfen werden, Ehning geht in Dänemark zum sechsten Mal für Deutschland in den WM-Parcours. Mit der Mannschaft holte er 2010 in Kentucky Gold, 2006 in Aachen und 2018 in Tryon wurde es Bronze. Das würde reichen, um in Herning das oberste Ziel der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zu erreichen: Die Olympia-Qualifikation für Paris 2024 - dafür muss mindestens Platz fünf in der Mannschaftswertung her.
Doch dieser Weg, das weiß nicht nur Bundestrainer Otto Becker, wird kein leichter sein. "Wenn ich mir alleine die europäischen Teams angucke, komme ich schon auf acht, die richtig top sind", sagte Becker. Eine "ganz enge Kiste" könne das werden, fügte Becker an: "Ich hoffe natürlich, dass wir lange mit dabei sind, aber das wird kein Selbstläufer. Da muss schon alles passen."
"Eine Mannschaftsmedaille wollen wir schon"
Damit es passt, hat Becker einige schlaflose Nächte mit der Zusammenstellung seiner Equipe verbracht. Acht Paare standen in der engeren Auswahl, verglichen mit früheren Championaten ein Luxusproblem. Am Ende fiel die Wahl auf Ehning mit Stargold, Christian Ahlmann mit Dominator, Europameister Andre Thieme mit Chakaria und Jana Wargers mit Limbridge. Das Ersatzpaar sind Janne Friederike Meyer-Zimmermann und Messi.
Beim CHIO vor einigen Wochen in Aachen ließ Deutschland im Preis der Nationen die Konkurrenz hinter sich - allerdings in anderer Besetzung und unter anderen Voraussetzungen. Favorit ist die deutsche Equipe in Herning nicht unbedingt, wohl aber ein Kandidat für das Podium. "Eine Mannschaftsmedaille wollen wir schon", sagte Becker: "Was sonst noch geht, werden wir sehen."
Anwärter auf Gold sind vor allem Olympiasieger Schweden mit dem Weltranglistenersten Henrik von Eckermann und Europameister Schweiz mit Martin Fuchs und Steve Guerdat, dazu kommen Frankreich, die Niederlande, Belgien und die USA. Einen Rückschlag musste die britische Equipe verkraften: Tokio-Olympiasieger Ben Maher verzichtet auf den Einsatz seines Ausnahmepferdes Explosion, das er für nicht fit genug hält.
In der Einzelwertung zählt Europameister Thieme zum engeren Favoritenkreis um Martin Fuchs, Henrik von Eckermann, London-Olympiasieger Steve Guerdat, McLain Ward (USA) oder Scott Brash (Großbritannien). "Fuchs und Eckermann sind sicher die größten Favoriten", sagte Thieme: "Aber mal sehen, wie es läuft. Wenn eine Stange fällt, kann sich schon alles verschieben."
"Es könnte jetzt losgehen"
Ein Finale der vier Besten mit Pferdewechsel, bis zu den Weltreiterspielen 2014 in Caen eine der größten Publikumsattraktionen, wird es wie schon in Tryon auch in Herning nicht geben. Erste Prüfung für die Springreiter ist ein Zeitspringen am Mittwoch, am Donnerstag und Freitag folgt der Nationenpreis, am Sonntag wird er Einzel-Weltmeister gekürt. Am Dienstagabend durften die Reiter erstmals ohne Hindernisse bei Flutlicht ins Stadion, um die Pferde an die Atmosphäre zu gewöhnen.
Otto Becker findet, "es könnte jetzt losgehen. Alle sind gut drauf, wir sind bereit." Und dann fügte er noch hinzu, man solle vor allem froh sein, dass es allen gut gehe: "In Zeiten wie diesen ist das ja nicht selbstverständlich."
