Lange nicht mehr wurde eine neue Formel-1-Saison mit so großer Spannung erwartet wie in diesem Jahr. Wie schlägt sich Max Verstappen als neuer Weltmeister? Welches Team kommt am besten mit dem neuen Regelwerk klar? Was reißt Mick Schumacher in seinem zweiten Jahr in der Königsklasse des Motorsports?
Viele interessante Fragen, viele unterschiedliche Meinungen. Wir haben die spannendsten Thesen zur neuen Saison in der Formel 1 aufgestellt und eifrig darüber diskutiert. Heute in Teil I: Verstappens erfolgreiche Titelverteidigung, Russells beachtliches Mercedes-Debüt und Alonsos irres Treppchen-Comeback.
These I: Max Verstappen verteidigt seinen Weltmeistertitel
Mats-Yannick Roth: Der Niederländer hat es im letzten Jahr allen bewiesen und fährt nun völlig losgelöst von irgendwelchen Erwartungshaltungen auf. Verstappen wird dadurch noch besser, der Respekt der Konkurrenz vor ihm wird zudem noch größer. Mit dem RB18 ist den Red-Bull-Konstrukteuren zudem eine echtes Meisterwerk gelungen. Verstappen wird jüngster Doppel-Weltmeister nach Sebastian Vettel und Fernando Alonso.
Jonas Hofmann: Nach dem WM-Titel im letzten Jahr findet sich Max Verstappen in einer neuen Rolle wieder. Als Titelverteidiger sind Druck und Erwartungshaltung nochmal höher - und bei Misserfolg dürfte auch die Kritik umso härter ausfallen. Doch der Niederländer hat im packenden Saisonfinale 2021 bewiesen, dass ihm Druck nur wenig anhaben kann. Zumal er sich auf ein fantastisches Team verlassen kann, das ihm einmal mehr ein Auto auf den Leib geschneidert hat.
Chris Rohdenburg: Dass Verstappen im Titelkampf ein Wörtchen mitreden wird, steht für mich außer Frage. Aber: Derzeit deutet vieles darauf hin, dass es 2022 kein Zweikampf um die WM gibt, sondern sich etliche Fahrer um die Höchstpunktzahl in den Rennen streiten. Was im Umkehrschluss auch heißt, dass es deutlich schwieriger werden wird für Verstappen und Co.! Kurzum: Verstappens nächster Titel muss noch warten.
Tobias Knoop: Nein, und auch Lewis Hamilton holt sich in diesem Jahr nicht die Krone. Stattdessen tippe ich auf Charles Leclerc oder Carlos Sainz. Der Ferrari machte bei den Testfahrten einen hervorragenden Eindruck, beide sind tolle Fahrer - warum sollte der Weltmeister nicht erstmals seit Kimi Räikkönen 2007 (lang, lang ist's her!) wieder im roten Renner der Scuderia sitzen?!
These II: George Russell stiehlt Lewis Hamilton im Mercedes die Show
Chris Rohdenburg: Russell ist ein anderes Kaliber als Bottas. Der Finne war der perfekte Wingman und arrangierte sich - bis auf kleine Ausreißer - zuletzt mit dieser Rolle. Russell hingegen will mit aller Macht Titel gewinnen. Dass er das Rüstzeug für einen Angriff auf die WM-Krone hat, bewies er bereits bei seinem Kurzeinsatz im Mercedes in Bahrain 2020. Und wer bei seinen Einsätzen für Williams ganz genau hingeschaut hat, weiß, dass die Qualität des jungen Briten immens hoch ist. Hamilton muss sich in Acht nehmen!
Mats-Yannick Roth: Lewis Hamilton fährt seit seinem ersten Formel-1-Rennen vor 15 Jahren um den WM-Titel mit. Über 280 Grands Prix auf allerhöchstem Niveau. In Sachen Konstanz und maximaler Performance macht dem Briten keiner im Feld etwas vor. Erst recht kein 24-jähriger Teamkollege, der sich noch umschauen wird, was Altmeister Hamilton noch so alles drauf hat.
Jonas Hofmann: Viele Hamilton-Nörgler wittern im Vorfeld der Saison Morgenluft. Dass es für den Briten im teaminternen Duell härter wird als in den vergangenen Jahren, steht außer Frage. Doch auch Russell muss erst noch beweisen, dass seine starke Leistung im Mercedes in Bahrain 2020 keine Eintagsfliege war und er wirklich schon die Konstanz hat, einem wie Lewis Hamilton gefährlich zu werden.
Tobias Knoop: Ich glaube, dass der Last-Minute-K.o. im WM-Duell gegen Verstappen bei Hamilton deutliche Spuren hinterlassen hat. Klar, eine positive Trotzreaktion in Form einer Leistungsexplosion wäre auch möglich. Aber eben auch das Gegenteil. Und das wäre dann Russells Chance. Ich glaube jedenfalls, dass der junge Herausforderer dem Mercedes-Platzhirsch deutlich mehr zusetzen kann, als viele jetzt glauben.
These III: Fernando Alonso gewinnt als 40-Jähriger Rennen
Jonas Hofmann: Noch lebt die Hoffnung ein Stück weit, dass die neue Ära in der Formel 1 die Leistungsdichte wie erhofft zusammenrücken lässt. Doch schon bald wird sich zeigen, dass auch mit den neuen Autos vieles beim Alten bleiben wird und wir nicht 15 verschiedene Rennsieger sehen werden. Zwar ist gerade Alonso in einem verrückten Regenrennen alles zuzutrauen - vielleicht sogar ein Sieg. Darauf wetten, würde ich nicht.
Mats-Yannick Roth: Einmal landete Fernando Alonso im Comeback-Jahr 2021 auf dem Siegertreppchen, als er in Katar sensationell Dritter wurde. In einem weiter verbesserten Alpine A522 wird es in der neuen Saison noch weiter nach vorne gehen. Ein Sieg fällt aber nicht ab, dafür sind gleich sechs (!) Konkurrenten im Mercedes, Red Bull und Ferrari in diesem Jahr zu stark.
Chris Rohdenburg: Trotz aller Hoffnungen dürfte es auch 2022 nichts mit einem GP-Sieg für Alonso werden. Dafür ist der A522 am Ende wohl doch zu schwach. Zwar soll es vor dem Saisonstart noch neue Teile geben, doch ob diese Upgrades für einen Sprung nach vorn helfen? Zweifelhaft. Dass Alonso es noch könnte, glaube ich ganz fest, allerdings müssten schon sehr viele glückliche Umstände auftreten, damit der Spanier am Ende tatsächlich ganz oben auf dem/einem Podium landet.
Tobias Knoop: Guter Witz, und Sebastian Vettel wird Weltmeister.