Der frühere norwegische Skispringer Joakim Aune hat Einblicke in seine Arbeit im Trainerstab des chinesischen Nationalteams gegeben und erschreckende Details enthüllt.
"Ich war ungefähr drei Monate dort und es fühlte sich an, als hätte ich drei oder fünf Jahre dort verbracht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich so hart und über einen so langen Zeitraum gearbeitet habe", offenbarte Aune gegenüber "TV2". "Ich stand zehn Stunden mit Grippe an der Schanze bei minus 25 Grad. Wir haben 12 bis 15 Stunden am Tag gearbeitet."
Aune, der in China im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking unter der finnischen Trainer-Ikone Mika Kojonkoski tätig war, erklärte, er habe im Gegensatz zu seinem ehemaligen Vorgesetzten keine Verschwiegenheitserklärung gegenüber dem chinesischen Verband unterschrieben.
"Theoretisch könnte ich alles erzählen, was mir dort passiert ist, aber ich habe Gruselgeschichten darüber gehört, was mit denen passiert ist, die viel geredet haben", sagte der 28-Jährige und verwies in diesem Zusammenhang auf den Fall Peng Shuai.
Die Tennisspielerin hatte im sozialen Netzwerk Weibo einen chinesischen Spitzenpolitiker der sexuellen Belästigung bezichtigt. Danach verschwand sie mehrere Wochen lang von der Bildfläche.
"Ich weiß, dass mein Telefon überwacht wurde"
Aune, der seine aktive Laufbahn Ende 2020 beendet hatte, berichtete, er sei in China auf Schritt und Tritt beobachtet worden. "Mir wurde das Video einer Überwachungskamera zugeschickt, die aufgezeichnet hatte, wie ich unerlaubt zur Hotelrezeption gegangen bin", so der Ex-Skispringer. "Da fühlte ich mich zum ersten Mal etwas unwohl."
"Ich weiß, dass mein Telefon überwacht wurde und ich weiß, dass alles beobachtet wurde, was wir taten. Ich weiß nur nicht, wie genau und in welchem Umfang", ergänzte Aune. "Andere ausländische Trainer erzählten ebenfalls, dass ihre Telefone abgehört wurden und sie sich die ganze Zeit beobachtet fühlten."
Der Druck auf Chinas Athletinnen sei "enorm", sagte Aune. "Ich habe Athleten gesehen, die vor dem Training so erschöpft waren, dass sie am Boden liegend eingeschlafen sind."
Fragwürdiges Belohnungssystem im chinesischen Skispringen
Kritik an dieser Dimension der Trainingsbelastung wurde laut Aune abgebügelt. "Sie sagten mir, dass ich aufpassen müsse, nicht gegen das System zu verstoßen. Solche Diskussionen waren erschreckend."
Zudem war im chinesischen Skispringen ein extrem fragwürdiges Belohnungs- beziehungsweise Bestrafungssystem an der Tagesordnung, wie Aune erläuterte: "Sie haben den Springern einen bestimmten Geldbetrag im Monat gegeben, und dann haben sie uns Trainer gebeten, einen Teil dieses Betrags abzuziehen, wenn jemand im Training nicht gut abschneidet. Dann mussten wir denjenigen auswählen, der im Training am schlechtesten abgeschnitten hat."
Dabei habe der Trainerstab jedoch nicht mitgespielt, so Aune. "Wir beschlossen, in der einen Woche Geld von einem Athleten zu nehmen und in der nächsten von einem anderen. Dann haben wir das Gegenteil auf der positiven Seite gemacht. Wir haben das System so manipuliert, dass niemandem etwas verloren geht."
Ertrag in Form von Medaillen brachte Chinas Skisprung-Drill bei den Spielen in Peking nicht. Im Teamwettbewerb gab es sogar den unrühmlichen Negativrekord für die niedrigste Olympia-Punktzahl aller Zeiten.