Zweieinhalb Jahre nach seinem Wechsel von Bayer Leverkusen zum BVB scheint Julian Brandt endlich sein Glück gefunden zu haben. Unter Trainer Marco Rose hat sich der Offensiv-Allrounder vor allem dank seiner Flexibilität unverzichtbar gemacht, ist außerdem torgefährlich wie nie.
Wenn ein Fußballer zu Beginn seiner Karriere in den Himmel gelobt wird, den riesigen Erwartungen aber auch Jahre später noch nicht komplett gerecht geworden ist, haftet ihm oftmals der Stempel des "schlampigen Genies" an.
Nur wenige Profis mussten sich häufiger gegen den Vorwurf, nicht alles aus den eigenen Möglichkeiten rauszuholen, zur Wehr setzen als Julian Brandt.
Der einstmals als Wunderkind gefeierte Edeltechniker galt schon zu Leverkusener Zeiten als launisch, brachte nach und nach aber mehr Konstanz in seine Leistungen.
Als sich der BVB im Sommer 2019 schließlich für vergleichsweise mickrige 25 Millionen Euro die Dienste des Nationalspielers sicherte, waren sich Fans wie Experten einig, dass den Westfalen ein echter Transfer-Coup gelungen war.
Doch Brandts altes Phlegma holte ihn bei seinem neuen Arbeitgeber wieder ein. Allzu oft schlurfte der gebürtige Bremer teilnahmslos über den Rasen, sein Stammplatz war schnell futsch. Zwischenzeitlich kamen sogar Gerüchte auf, dass hinter verschlossenen Dortmunder Türen bereits über eine vorzeitige Trennung vom Rechtsfuß nachgedacht wird. Lazio Rom soll damals interessiert gewesen sein.
Im Dezember 2021 sind Gedankenspiele dieser Art allerdings kein Thema mehr, denn: In einer ansonsten unsteten Borussia-Mannschaft ist Julian Brandt seit Wochen eine der wenigen Konstanten.
Brandt beim BVB torgefährlich wie nie
Seit Marco Rose beim BVB das Sagen hat, sind Brandts Aktien rapide gestiegen. Ob im zentralen Mittelfeld, als Spielmacher oder auf der Außenbahn - der 25-Jährige stellt sich in den Dienst der Mannschaft und wirkt vor allem körperlich robuster denn je.
An guten Tagen war der DFB-Star schon immer für einen überraschenden Schnittstellenpass oder die eine oder andere elegante Körpertäuschung gut. Mittlerweile gesellt sich eine auffällige Lauf- und Kampfbereitschaft hinzu. Selbst eine heftige Kopfverletzung nach einem Zusammenprall mit Dayot Upamecano im Top-Spiel gegen den FC Bayern konnte den Impulsgeber nur kurzzeitig stoppen.
Brandt wirkt endlich voll integriert ins Dortmunder Spiel, die Zeiten als Fremdkörper scheinen vorbei. Plus: Mit vier Ligatoren hat der Allrounder bereits jetzt häufiger zugeschlagen als in seinen ersten beiden Saisons in Schwarz und Gelb. Erst am vergangenen Wochenende rettete er seinen Farben beim 1:1-Remis in Bochum einen ebenso wichtigen wie verdienten Punkt.

Der Lohn: Kürzlich berief Bundestrainer Hansi Flick den zuvor länger nicht berücksichtigten Brandt, der auch die EM verpasste, wieder ins deutsche Nationalteam.
BVB-Boss Zorc zählte Brandt im Sommer öffentlich an
Auch am Mittwochabend dürfte Brandt erneut in der Startelf der Borussen stehen, wenn Schlusslicht Greuther Fürth im Rahmen der Englischen Woche im Signal Iduna Park zu Gast ist (ab 20:30 Uhr im LIVE-Ticker).
Für den wiedererstarkten Dortmunder bietet das Duell mit dem Kleeblatt die nächste Gelegenheit, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. An allererster Stelle steht dabei ein WM-Ticket.
Brandt weiß selbst ganz genau, dass er keinen Deut nachlassen und nicht wieder in alte Muster verfallen darf. Den öffentlichen Druck im vergangenen Sommer, als er unter anderem von BVB-Sportdirektor Michael Zorc angezählt wurde ("Ich erwarte von ihm eine Leistungssteigerung"), will sich der Ballkünstler zukünftig ersparen.
Über seine bisherige Zeit beim amtierenden Pokalsieger sagte er unlängst auf einer Pressekonferenz: "Sicherlich waren die letzten zwei Jahre sehr turbulent mit guten Phasen und auch mit einer schlechten Saison im letzten Jahr."
Es scheint, als habe Brandt aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. "Schlampig" war gestern, jetzt will er nur noch das "Genie" sein.
Heiko Lütkehus



























