Nils Politt schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf, formte mit seinen Händen ein Herz und brüllte bei der Fahrt über die Ziellinie die ganze Freude heraus.
"Das ist ein Traum, eine Tour-Etappe zu gewinnen. Das ist der größte Sieg, den man holen kann", sagte der 27-Jährige, nachdem er am Donnerstag mit einem Tagessieg bei der 108. Tour de France seinen bislang größten Coup in seiner Karriere vollbracht hatte. Im Zielbereich konnte es Politt noch immer nicht fassen, hob ungläubig sein Rad in die Luft und ließ sich von seinem "sehr guten Freund" André Greipel feiern. Anschließend versuchte er seine Gefühle in Worte zu packen.
Der zweite Profisieg in ihrer Karriere ist gleich ein Tour-Sieg. Wie ist das einzuordnen?
Nils Politt (27): "Eine Tour-Etappe zu gewinnen, ist das Schönste, was es im Radsport gibt. Es war ein Traum von mir als Kind, bei der Tour dabei zu sein. Ich bin jetzt zum fünften Mal dabei, aber ich war nie in der Lage, eine Etappe zu gewinnen. Heute war es so weit. Da wurde ein Traum wahr."
Vor zwei Jahren standen Sie bei Paris-Roubaix schon einmal kurz vor einem riesigen Erfolg ...
"Der zweite Platz damals war schön. Aber das hier, das ist auf jeden Fall schöner."
Welche Rolle hat das Aus Ihres Teamkollegen Peter Sagan heute bei ihrem Sieg gespielt?
"Wir mussten die Taktik ändern, weil Peter wegen seiner Knieprobleme aussteigen musste. Ich habe mich in den vergangenen Tagen schon ziemlich gut gefühlt und heute einfach versucht, mein Bestes zu geben. Dass es dann zum Sieg reicht, ist unglaublich."
Sie waren in einer ganz starken Ausreißergruppe, unter anderem mit Weltmeister Julian Alaphilippe. Welche taktischen Überlegungen gab es da bei Ihnen?
"In der Gruppe waren eine Menge Sprinter. Deshalb wusste ich, dass ich das Rennen hart machen und früh attackieren musste. Ich habe attackiert, dann waren wir mit einer kleinen Gruppe vorne. Da hat mein Sportdirektor gesagt, das ist die letzte Welle, und dann habe ich nochmal angegriffen. Als ich dann solo auf die Ziellinie zugefahren bin, war es unglaublich."
Was ist Ihnen im Ziel durch den Kopf gegangen?
"Ich habe an alle Mühen und Arbeit gedacht, die ich dafür geleistet habe. Radfahren ist meine Leidenschaft. An meine ganze Familie, von der ich wegen Trainingslager und Rennen oft so weit entfernt bin, und jetzt ist es der größte Sieg."
Mit in der Spitzengruppe war Ihr Trainingspartner und guter Freund Andre Greipel. Ihre Attacke hat ihn vielleicht die Chance auf einen Sprintsieg gekostet. Was hat er Ihnen im Rennen gesagt?
"Er ist ein wirklich guter Freund von mir. Wir haben über die Taktik geredet, und er hat mir gesagt: Du bist einer der Stärksten hier, du musst etwas versuchen. Dass er dabei war, als ich meine Etappe gewonnen habe, ist einfach superschön."
Aufgezeichnet von Christoph Leuchtenberg (SID)



