Auch die längste Niederlagenserie der Vereinsgeschichte verleitet die Führungsriege von Werder Bremen offenbar nicht dazu, personelle Maßnahmen zu ergreifen und den schwer angeschlagenen Trainer Florian Kohfeldt zu entlassen. Es zeigt erneut: Am Osterdeich stehen persönliche Beziehungen über allem - auch dem sportlichen Überleben. Ein Kommentar.
"Es geht am Ende nur um Werder Bremen, um nichts anderes" - Florian Kohfeldt hat nach der wieder einmal desaströsen Darbietung seiner Mannschaft bei der 1:3-Niederlage bei Union Berlin richtig erkannt, dass der drohende Abstieg in die 2. Bundesliga kein kollektives Kuscheln der Werder-Familie mehr erlaubt.
Umso mehr verwundert nun, dass laut "Bild" von der Führungsetage entschieden wurde, mit dem chronisch erfolglosen Kohfeldt weiterzumachen.
Mehr dazu: Werder-Bosse halten wohl weiter an Kohfeldt fest
Selbst sieben Pleiten in Folge bei einem Torverhältnis von 5:18 und der unmittelbar bevorstehende Absturz auf Platz 16 scheinen Geschäftsführer Frank Baumann, Aufsichtsratsboss Marco Bode und ihren Kollegen nicht Alarmsignal genug zu sein, um den Trainer zu entlassen und damit einen möglicherweise entscheidenden letzten Impuls im Abstiegskampf zu setzen.
Eine logische Erklärung gibt es dafür nicht - außer die, dass die eng verbundenen Macher sich gegenseitig im Amt halten wollen. Das Team befindet sich seit Wochen in einem bemitleidenswerten Zustand, Kohfeldts Entscheidungen in personeller wie taktischer Hinsicht werden von Spiel zu Spiel seltsamer. Nicht von ungefähr hält selbst die Werder-nahe "Deichstube" eine Trennung mittlerweile für unausweichlich.
Werder ignoriert die Kritik im Netz gekonnt
Dass in Fankreisen neben deutlich zu vernehmender Kritik an den Verantwortlichen auch eine Menge Sarkasmus, teils sogar schon Gleichgültigkeit mitschwingt, zeigt, wie schlecht es um Werder Bremen steht.
Viele Anhänger sind müde von den ewig gleichen Durchhalteparolen ("Wir müssen jetzt dringend anfangen zu punkten"), die nach zwei Jahren Dauer-Tristesse in der Bundesliga keinerlei Wirkung mehr erzielen - weder im Umfeld, noch bei der Mannschaft.
Problem: Da aufgrund der Coronakrise keine Fans in die Stadien dürfen, sind kritische Stimmen fast ausschließlich im Netz wahrnehmbar. Und die dortigen Reaktionen werden gekonnt ignoriert - oder zumindest geringgeschätzt.
Bode sagte kürzlich im "Deichstube"-Interview: "Die Reaktion der Fans auf den Rängen ist enorm wichtig und für mich deutlich wichtiger als in den Foren und Social-Media-Kanälen. [...] Wir wertschätzen die Meinung unserer Fans, aber die Foren sind für mich keine entscheidende Instanz."
So gewähren sie sich an der Weser Narrenfreiheit und werten das Einzige, was in Bremen bislang wichtiger war als den Erhalt der Werder-Familie, herab: Ihre bundesweit als extrem loyal bekannte Anhängerschaft, die zuletzt aber in weiten Teilen von der sportlichen Führung abgerückt zu sein scheint.
An Konsequenzen aus dem Absturz glauben nur noch die kühnsten Optimisten. Das Vertrauen in Kohfeldt, Baumann, Bode und Co. ist längst verspielt.
Heiko Lütkehus


























