Lennard Kämna ist nicht erst seit seinem zweiten Platz auf der 13. Etappe der Tour de France eines der großen Versprechen des deutschen Radsports. Dass es für den 24-Jährigen zur Weltspitze reicht, war zwischenzeitlich aber fraglich.
Lennard Kämna stand am Puy Mary und war mit sich im Reinen. Den Etappensieg, auf den er wie jeder junge Radprofi hoffte, hatte er im Zentralmassiv zwar knapp verfehlt. Doch das, was er immer machen wollte, was ihn zum Radsport brachte, das hatte er am Freitag in beeindruckender Weise umgesetzt.
Bergetappen bei der Tour de France bestreiten, in Fluchtgruppen fahren, um Tageserfolge kämpfen - Kämna lebte auf der 13. Etappe der 107. Frankreich-Rundfahrt seinen Traum. "Die Taktik ist optimal aufgegangen, nur habe ich den Sprint nicht gewonnen", sagte Kämna: "Es kann nicht immer zu 100 Prozent klappen."
Vier Sekunden fehlten ihm zum großen Wurf, weil er den Bergaufsprint gegen den Kolumbianer Daniel Martinez womöglich etwas zu früh initiierte und ihm auf den letzten Metern die Kraft fehlte.
Etappensiege winken - und Rundfahrtsiege?
Dennoch verbuchte Kämna mit dem zweiten Rang sein bislang bestes Ergebnis bei der Tour de France. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis er in den Kreis der deutschen Etappensieger aufsteigt. Womöglich gelingt das noch bei der Tour 2020, mit großer Wahrscheinlichkeit aber in den kommenden Jahren.
Kämna ist dabei, das Versprechen einzulösen, das er dem deutschen Radsport schon als Teenager gab. 2014 wurde er Zeitfahr-Weltmeister bei den Junioren, ein Jahr später Dritter in der U23-Klasse. Dabei ließ er teils deutlich ältere Top-Talente hinter sich.
Kämna ist im Kampf gegen die Uhr hochbegabt. Und obwohl er aus dem norddeutschen Wedel stammt, wo Containerschiffe aus aller Welt die Elbe in Richtung Hamburger Hafen passieren, ist der 24-Jährige auch ein exzellenter Kletterer.
Seine Begabung und der schmale Körperbau machen ihn zu einem potenziell herausragenden Rundfahrer. Generell trägt Kämna Qualitätsmerkmale, die in Deutschland schnell zu Vergleichen mit Jan Ullrich führen.
Mehrmonatige Rad-Pause tat Lennard Kämna gut
Kämna kennt die Rufe nach einem neuen deutschen Tour-Sieger, schon früh wurde er mit ihnen konfrontiert. Den Druck der Erwartungen ließ er nie an sich heran.
Die erste große Krise musste er dennoch schon bewältigen. Vor zwei Jahren, als der Brite Geraint Thomas zum Tour-Sieg fuhr, saß Kämna kaum auf dem Rad. Aus gesundheitlichen Gründen legte er inmitten der Saison eine mehrmonatige Rennpause ein.
"Ich bin von einer Krankheit zur nächsten gelaufen. Ich habe mich dann selbst verheizt und war mental erschöpft, sodass ich gesagt habe, ich brauche eine kurze Pause vom Leistungssport", sagte Kämna später in einem "Spiegel"-Interview. Sechs oder sieben Wochen sei er nicht auf dem Rad gewesen, "kann man auch Sommerferien nennen". Oder eine gute Entscheidung.
Die Pause zahlte sich aus. Kämna kam mit neuer Stärke zurück, 2019 fuhr er eine starke Tour-Premiere, zur Saison 2020 folgte der Wechsel von Sunweb zum Team Bora-hansgrohe, für das er am Freitag das bis dato beste Tagesergebnis holte.
Dabei soll es nicht bleiben. "Es kommen noch ein paar Etappen. Ich hoffe, dass ich eine andere gewinnen kann", sagte Kämna.




