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Arbeitsrechtler: Das droht den Bundesliga-Klubs nun

FC Bayern und Co. sind vom Coronavirus direkt oder indirekt betroffen
FC Bayern und Co. sind vom Coronavirus direkt oder indirekt betroffen
Foto: © FrankHoermann/SVEN SIMON via www.imago-images.de
18. März 2020, 13:05

Die Verschiebung der EM soll den Ligen und Vereinen Luft verschaffen, doch die Verträge der Profis von FC Bayern, BVB, Schalke und Co. bleiben ein Problem.

Alles dreht sich um den Stichtag 30. Juni. Der "SID" sprach mit dem renommierten Arbeitsrechtler Johan-Michel Menke von der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, der Bundesligist FSV Mainz 05 im spektakulären Fall Heinz Müller erfolgreich vertrat, über die mögliche Verschiebung des Transferfensters, Kurzarbeit und Insolvenzen.

Herr Menke, warum ist der 30. Juni als Stichtag im Profifußball so wichtig?

Johan-Michel Menke: Am 30. Juni endet automatisch ein großer Teil der Spielerverträge. Wenn die Ligen ihre Saison verlängern, wonach es jetzt aussieht, und die Spielzeit 2019/20 erst zum Beispiel am 30. September zuende geht, könnten die Spieler arbeitsrechtlich schon weg sein, weil ihre Verträge befristet sind. Das dürfte im Durchschnitt sechs bis sieben Spieler pro Verein betreffen. Wenn also ein Profi von Bayern München auf den Verein zukommt und sagt: Ich gehe jetzt zu Inter Mailand. Dann könnten die Bayern diesen Spieler nicht halten.

Was können die Klubs dagegen tun?

Bei einem späteren Saisonende müssten im Einklang mit den lizenzrechtlichen Vorgaben Sondervereinbarungen getroffen werden. Eine etwaige verlängerte Befristung wäre zwar wegen der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt. Arbeitsrechtlich kann man das aber nach unseren Gesetzen nicht einseitig machen. Der Klub muss auf jeden Spieler zugehen und ihn um eine neue Befristung bitten - und der Spieler muss zustimmen. Spieler, die nicht verlängern, dürften arbeitsrechtlich gesehen wechseln.

Welche weiteren Herausforderungen gibt es?

Eine Herausforderung liegt auf der Ebene der Spielberechtigung, zum Beispiel bei einer Verlegung der Transferfenster. Hier ist die FIFA gefordert. Der Weltverband wird so schnell wie möglich handeln und möglicherweise Vereinswechsel zunächst verbieten müssen. Es dürfte aber Vereine geben, die für die Zeit nach dem 30. Juni schon millionenschwere Transfers geplant haben. Diese könnten bei einem späteren Saisonende Ansprüche wegen entgangener Einnahmen geltend machen.

Aktuell ruht vielerorts der Spiel- und Trainingsbetrieb. Wie können Klubs arbeitsrechtlich mit der Situation umgehen?

Die Vereine müssen ihre Profis aktuell weiter bezahlen, solange die Spiele lediglich zum Gesamtschutz abgesagt sind und sich die Spieler spielbereit halten. Nicht erkrankte oder unter Quarantäne stehende Profis haben nach der sogenannten Betriebsrisikolehre grundsätzlich einen Anspruch auf Training gegen Grundgehalt.

Sind Beurlaubungen möglich?

Ja. Das Grundgehalt wird weiter bezahlt, allerdings keine Prämien, weil es keine Spiele gibt. Allerdings sind Beurlaubungen nur mit Einverständnis der Spieler möglich - wie auch Kurzarbeit. Betriebsbedingte Kündigungen halte ich für weitgehend ausgeschlossen.

Wie können die Vereine arbeitsrechtlich agieren, wenn ein Spieler positiv auf das Coronavirus getestet wurde und/oder in Quarantäne muss?

Jeder Arbeitnehmer hat nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz im Falle einer Erkrankung Anspruch auf sechs Wochen Lohn - auch Fußballer. Gerade im Fußball aber ist davon auszugehen, dass nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein berufliches Tätigkeitsverbot angeordnet wird - Stichwort Training, Kontakt zu anderen. Dann konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch mit dem Entschädigungsanspruch des Mitarbeiters infolge des Tätigkeitsverbotes nach Paragraph 56, Absatz 1 IfSG. Danach wird derjenige, der einem Verbot der Ausübung seiner Arbeitstätigkeit unterliegt, vom Staat in Höhe seines Verdienstausfalls für die Dauer von bis zu sechs Wochen entschädigt. Auch bei Quarantäne-Fällen.

Heißt das im Extremfall: Der Staat übernimmt Millionengehälter?

Wir reden über eine besondere Situation. Moral heißt hier für mich vor allem: Arbeitsplätze retten. Von einer möglichen Insolvenz eines Klubs wären viele Arbeitsplätze betroffen, wir reden da über mittelständische Unternehmen mit oft mehreren Hundert Angestellten. Wenn Sie das Arbeitslosengeld hochrechnen - da käme auf den Staat ein hoher Betrag zu. Deshalb sollten wir die Vereine nicht brandmarken. Außerdem muss jeder Klub seinen Betrieb retten und im Zweifel auch solche Mittel ziehen - sonst macht sich der Vorstand haftbar.

Wann ist Kurzarbeit sinnvoll?

Kurzarbeit ist ein sehr gutes Instrument. Es dürfte im Spieler-Bereich wegen der Beitragsbemessungsgrenze von 6900 Euro in West- und 6450 Euro in Ostdeutschland aber wohl nur unterhalb der 1. und 2. Bundesliga Anwendung finden. Kurzarbeit betrifft aber nicht nur die Spieler, sondern auch andere Mitarbeiter.

Was können Spieler tun, um ihren Klubs zu helfen?

Ganz oder teilweise auf Gehalt oder Prämien verzichten. Manchem wird es egal sein und er wird dahin wechseln, wo noch bezahlt wird. Gewinnen werden die gut alimentierten Klubs. Auch die Großen sind betroffen und werden enorme Abschreibungen haben, aber sie werden es schaffen. Dass ein Verein auf die Insolvenz eines anderen wartet, um einen Spieler zu transferieren, halte ich für nicht vorstellbar. Ich glaube an die Solidarität der Fußballfamilie.

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1. FSV Mainz 05
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