Paukenschlag bei Hertha BSC: Trainer Jürgen Klinsmann hat überraschend seinen Rücktritt erklärt.
Provinzposse beim "Big City Club": Jürgen Klinsmann hat nach nur 76 Tagen am Dienstag überraschend sein Amt als Chefcoach bei Hertha BSC zur Verfügung gestellt. Dabei überrumpelte der Ex-Bundestrainer seinen Arbeitgeber und gab seinen Abschied über seinen Facebook-Account bekannt.
Erst Ende November hatte der 55-Jährige den Job an der Spree übernommen, um den Hauptstadt-Klub vor dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga zu retten.
Herthas sportliche Leitung - Manager Michael Preetz: "Wir sind von dieser Entwicklung am Morgen überrascht worden." - traf die Entscheidung des einstigen Weltklassestürmers unvorbereitet.
"Insbesondere nach der vertrauensvollen Zusammenarbeit hinsichtlich der Personalentscheidungen in der für Hertha BSC intensiven Wintertransferperiode gab es dafür keinerlei Anzeichen", betonte Preetz.
Mehr dazu: Die besten Netzreaktionen zum Rücktritt von Jürgen Klinsmann
Zunächst einmal soll Assistent Alexander Nouri das Training beim Hauptstadt-Klub leiten. Nach "SID"-Informationen steht der ehemalige Bayern- und Frankfurt-Coach Niko Kovac, ein gebürtiger Berliner, für die Klinsmann-Nachfolge nicht zur Verfügung.
Klinsmann fehlte laut eigener Darstellung im Abstiegskampf die nötige Rückendeckung vom Verein, wohl auch von Preetz.
"Als Cheftrainer benötige ich für diese Aufgabe, die noch nicht erledigt ist, auch das Vertrauen der handelnden Personen. Gerade im Abstiegskampf sind Einheit, Zusammenhalt und Konzentration auf das Wesentliche die wichtigsten Elemente", schrieb Klinsmann in den Sozialen Medien.
Hertha-Investor wusste schon einen Tag vorher Bescheid
Wie der frühere Italien-, England und Frankreich-Legionär weiter schrieb, habe er sein "Potenzial als Trainer" nicht mehr ausschöpfen können und konnte damit der Verantwortung als Trainer "auch nicht gerecht werden." Deshalb sei er "nach langer Überlegung" zu der Auffassung gekommen, seinen Posten zur Verfügung zu stellen.
Investor Lars Windhorst sagte der "Bild": "Ich habe Montag von der Entscheidung erfahren. Ich bedauere diesen Schritt von Jürgen Klinsmann sehr."
Sein Amt als Aufsichtsrats-Mitglied will der ehemalige US-Nationaltrainer aber auf jeden Fall behalten. Anhänger, Spieler und die Mitarbeiter von Hertha BSC seien ihm "natürlich ans Herz gewachsen", schrieb Klinsmann. Deshalb werde er "weiter mit der Hertha fiebern." Er freue sich "auf viele Begegnungen in der Stadt oder im Stadion".
Erst Ende November hatte der Macher des Sommermärchens von 2006 das Trainer-Amt bei der Alten Dame vom glücklosen Ante Covic übernommen. Die Ausbeute blieb aber mager. In neun Bundesliga-Spielen holte der frühere Welt- und Europameister zwölf Zähler.
Am vergangenen Samstag hatte es ein 1:3 gegen den FSV Mainz 05 gegeben. Im DFB-Pokal unterlagen die Berliner im Achtelfinale in der vergangenen Woche bei Schalke 04 mit 2:3 nach Verlängerung.
Der Rückzug von Klinsmann kam auch deshalb überraschend, weil Hertha auf Initiative des Trainers im Winter noch rund 78 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben hatte. Dazu gehörten die Mittelfeldspieler Lucas Tousart (25 Millionen an Lyon, bis Sommer zurückverliehen) und Santiago Ascacíbar (Stuttgart/10 Millionen) sowie die Stürmer Krzysztof Piatek (Milan/27 Millionen) und Matheus Cunha (RB Leipzig/18 Millionen Euro). Mit neuen Top-Spielern wollte der Klub mittelfristig Richtung Champions League marschieren.
Klinsmanns Transfer-Strategie sorgt für Wirbel
Andere Spieler wie Stürmer Davie Selke (zu Werder Bremen), Ondrej Duda (Norwich City) oder Eduard Löwen (FC Augsburg) verließen den Verein. Damit war möglicher Ärger mit Preetz programmiert, weil der Manager diese Spieler in voller Überzeugung geholt hatte. Angesichts der Personalsituation drohte auch Eigengewächs Arne Maier mit einem Klub-Wechsel, doch Preetz schritt ein und untersagte einen möglichen Verkauf.
Möglich geworden waren die Einkäufe, weil Windhorst 225 Millionen Euro in den Verein gepumpt hatte. Windhorst war es auch, der Klinsmann als Mitglied in den Aufsichtsrat geholt hatte. Man darf gespannt sein, welche Auswirkungen der Rückzug des früheren Bundestrainers auch auf das Verhältnis zwischen Hertha und Windhorst haben wird.
Sportlich konnte Klinsmann zum Ende des letzten Jahres noch einige Achtungserfolge wie beim 1:0 bei Bayer Leverkusen landen. Im neuen Jahr blieb die Hertha jedoch hinter den Erwartungen zurück. Nach der Pleite gegen Abstiegskandidat Mainz gab es harsche Kritik am taktisch einfallslosen Auftritt der Klinsmann-Elf. Am Samstag (15:30 Uhr) sind die Herthaner zu Gast bei Schlusslicht SC Paderborn.
Klinsmanns Facebook-Posting im Wortlaut:
"Liebe Herthaner,
auf diesem Wege sage ich ein ganz herzliches Dankeschön an alle Spieler, Fans, Zuschauer, Betreuer und Mitarbeiter von Hertha BSC für die Unterstützung, die vielen Begegnungen und den Austausch in den vergangenen zehn Wochen. Diese Zeit war für mich überaus spannend und brachte viele interessante neue Einblicke. Der Klub und die Stadt sind mir noch stärker ans Herz gewachsen.
Ende November haben wir mit einem hochkompetenten Team dem Wunsch der Vereinsführung entsprochen und ihr in einer schwierigen Zeit geholfen. Wir waren in der relativ kurzen Zeit auf einem sehr guten Weg, haben auch dank der Unterstützung vieler Menschen trotz meist schwieriger Spiele inzwischen sechs Punkte Abstand zum Relegationsplatz. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Hertha das Ziel – den Klassenverbleib - schaffen wird.
Als Cheftrainer benötige ich allerdings für diese Aufgabe, die noch nicht erledigt ist, auch das Vertrauen der handelnden Personen. Gerade im Abstiegskampf sind Einheit, Zusammenhalt und Konzentration auf das Wesentliche die wichtigsten Elemente. Sind die nicht garantiert, kann ich mein Potenzial als Trainer nicht ausschöpfen und kann meiner Verantwortung somit auch nicht gerecht werden.
Deshalb bin ich nach langer Überlegung zum Schluss gekommen, mein Amt als Cheftrainer der Hertha zur Verfügung zu stellen und mich wieder auf meine ursprüngliche langfristig angelegte Aufgabe als Aufsichtsratsmitglied zurückzuziehen.
Die Anhänger, die Spieler und die Mitarbeiter sind mir in dieser Zeit natürlich ans Herz gewachsen und deshalb werde ich weiter mit der Hertha fiebern. Ich freue mich weiterhin auf viele Begegnungen in der Stadt oder im Stadion.
HaHoHe
Euer Jürgen"




























