Mit Andre Höflich mischt erstmals seit zehn Jahren wieder ein deutscher Snowboarder die Weltelite in der Halfpipe auf. Sein Erfolgsgeheimnis: Die einzige deutsche Olympiasiegerin, Nicola Thost.
Die Nacht vor Heiligabend 2019, sagt Andre Höflich, werde er "niemals vergessen". Mit der Einladung zu den X-Games habe er schon Stunden vor der eigentlichen Bescherung das schönste Weihnachtsgeschenk erhalten, "seit ich mit neun mein erstes Snowboard bekommen habe. Das ist alles, wovon ich je zu träumen wagte."
Die alljährlich ausgetragenen X-Games sind so etwas wie die inoffiziellen Olympischen Spiele der Freestyle-Szene. Eine Einladung nach Aspen im US-Bundesstaat Colorado gilt als Ritterschlag - und Höflich hat sich diese Auszeichnung redlich verdient. Mit den Plätzen vier und sechs mischte der 22-Jährige in diesem Winter die Halfpipe-Elite im Weltcup auf, besser war ein deutscher Snowboarder zuletzt vor zehn Jahren.
"Dass es so gut läuft - damit habe ich selbst nicht gerechnet", sagt Höflich, der in seiner Karriere immer wieder von Verletzungen (zwei Kreuzbandrisse, Gehirnerschütterungen, Nierenriss) ausgebremst wurde. Von "Zufall" will er aber "auf gar keinen Fall" sprechen. "Dieser mega Step hat sich über viel Training über Jahre entwickelt", sagt er im "SID"-Gespräch, der "Schlüssel" aber liege außerhalb der Pipe.
Thost lobt Höflich: "Etwas Besonderes"
Höflich meint das Mentaltraining mit Nicola Thost, der bis heute einzigen deutschen Snowboard-Olympiasiegerin (1998/Halfpipe). Die beiden haben sich vor gut zehn Jahren bei einem der von Thost organisierten "Sprungbrett-Events" für Talente kennengelernt. "Ich hatte gleich das Gefühl: Er ist etwas Besonderes", sagt Thost.
Die umtriebige 42-Jährige geht eine Skitour in Brixen, als sie über Höflich spricht. "Andre kann andere inspirieren", sagt sie, "ich weiß: Da ist kein Limit nach oben." Vieles an ihrem Schützling, mit dem sie seit August 2019 intensiver arbeitet, erinnere sie an die junge Nicola. Wie Höflich war Thost einst "Trainingsweltmeisterin, es hat mich Jahre gekostet, Wettkämpfe zu gewinnen". Höflich sagt: Seit Thost ihn coache, "kann ich mein ganzes Können wiedergeben, wenn's wichtig ist".
Aber was genau macht sie da? Thost helfe ihm durch Gespräche, "Dinge in meinem Kopf aufzuräumen, mich selbst besser kennenzulernen", sagt Höflich. Klingt esoterisch? "Man muss Bock darauf haben, mutig sein", sagt Höflich, "es wird mehr als nur persönlich." Man rede über Dinge, "die sich in dich reingefressen haben, an die du dich gewöhnt hast und gar nicht mehr bemerkst".
Thost gibt ihm Aufgaben, die Ergebnisse hält der Sportsoldat in einem Arbeitsbüchlein fest, ein oder zweimal die Woche telefonieren sie. Manchmal, sagt Höflich, "bin ich einfach nur geflasht, weil sie etwas sieht - und plötzlich alles Sinn macht". Thost und er vertrauten sich "voll und ganz", die Mentorin sei für ihn "ein sehr besonderer Mensch. Sie ist immer da, auch in meinem Kopf, wenn wir lange keinen Kontakt haben."
Wohin die Zusammenarbeit führen kann? Olympia sei sein klares Ziel, sagt Höflich, der sich als "eher entspannten, aber sehr ehrgeizigen Typen" beschreibt, im Weltcup peilt er das Podium an. Seinen Traumlauf hat er schon choreographiert, "damit schaffe ich es ziemlich sicher".
Thost soll ihn begleiten. "Ich kann noch ganz viel von ihr lernen."