Francesco Friedrich gehört die Aufmerksamkeit, auch Mariama Jamanka macht Schlagzeilen - die stillen Helden der Bob-WM stehen dagegen selten im Fokus. Dabei machen die Anschieber den Unterschied.
Die Spikes graben sich ins Eis, kraftvolle Schritte donnern durch die Bahn, der schwere Bob beschleunigt auf 40 km/h - und dann verschwinden sie. Ein Anschieber nach dem anderen gleitet beinahe geräuschlos in den engen Schlitten. Und spielt danach kaum noch eine Rolle. Wenn an diesem Wochenende die Weltmeister im Viererbob ermittelt werden, stehen in Whistler mal wieder die Piloten im Mittelpunkt, Doppel-Olympiasieger Francesco Friedrich und seine Gegner.
Die Männer dahinter fristen ein Schattendasein, denn die Rollen scheinen klar verteilt: Der Pilot an den Lenkseilen hat das Feingefühl, der Anschieber bringt nur die Kraft. Dabei ist die Athletik von entscheidender Bedeutung im Bobsport.
"Im Viererbob war das Medieninteresse an uns noch geringer"
"Ein Bob-Team gewinnt vor allem durch den Anschub am Start", sagt Kevin Kuske, und der 40-Jährige muss es wissen. Wenn es jemals einen Star auf dem Rücksitz eines Bobs gab, dann war das Kuske. Von 2001 bis 2018 schob er Deutschlands beste Schlitten an, gewann in dieser Zeit elf Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen und ist damit der erfolgreichste Bobsportler aller Zeiten.
Die Rolle der Anschieber, sagt Kuske, sei in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden, weil das Material inzwischen weltweit auf einem ähnlich guten Level ist. Dennoch: Will man zumindest ein wenig auffallen als Anschieber, dann sollte man einen Zweierbob auf Geschwindigkeit bringen. Das hat Kuske festgestellt. "Im Viererbob war das Medieninteresse an uns noch geringer als im Zweierbob", sagt er: "Da schiebt eben nur der Beste aus dem Team."
Anschieber meist aus einer anderen Sportart
Der klare Fokus der Medien liegt aber immer auf den Piloten, und das auch nicht zu Unrecht, so Kuske: "Sie lenken den Bob und haben organisatorisch mehr Aufwand. Es ist schon okay, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekommen." Wer Bobanschieber wird, der wisse ohnehin vorher, wem das Hauptinteresse gilt. Die Motivation aufseiten der Anschieber sei dadurch nicht gehemmt. "Man wird ja trotzdem nach Leistung bewertet und mit Medaillen belohnt", sagt Kuske.
Fast immer kommen die Anschieber aus einer anderen Sportart. Meist sind es Leichtathleten, die nicht die erhofften Erfolge feiern konnten. Im Bobsport bekommen sie die zweite Chance auf eine Karriere. Teil des Nationalteams zu sein und an internationalen Meisterschaften teilzunehmen, bedeutet den meisten mehr als eine große Medienpräsenz.
"Bobsport ist eine Gemeinschaftsleistung"
Und viele seien sogar froh, wenn sie sich fernab des Medienrummels auf ihr Training konzentrieren können, so Kuske. Er selbst war in seiner Karriere auch deshalb kein ganz typischer Anschieber, weil er unter Pilot Andre Lange oft mit den Medien sprach: "Bei den ganzen Terminen konnte ich manchmal verstehen, warum die Anschieber froh sind, in Ruhe gelassen zu werden."
Innerhalb der Mannschaft habe Kuske ohnehin immer gegenseitigen Respekt erlebt. Zwischen den Anschiebern sowieso, aber auch zwischen ihnen und den Lenkern habe es kein Gefälle gegeben. "Die Piloten wissen eben, wie wichtig ein guter Anschub für den Erfolg ist", sagt Kuske: "Bobsport ist eine Gemeinschaftsleistung."