"Wonder Woman" Mikaela Shiffrin dankte nach ihrer erneuten Fahrt in die Geschichtsbücher dem Wettergott von Are. "Vicky", sagte die neue Super-G-Weltmeisterin über die unglückliche Vierte Viktoria Rebensburg, "hatte furchtbar schlechte Sicht. Wenn sie zu dem Zeitpunkt gefahren wäre wie ich, hätten wir vielleicht eine andere Weltmeisterin."
Doch weil Shiffrin am Berg Areskutan die Sonne lachte, war sie 0,07 Sekunden schneller als Rebensburg - und zum vierten Mal Weltmeisterin. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll", meinte sie, "das ist verrückt, wirklich verrückt! Das fühlt sich wie ein Traum an. Ich bin als Weltmeisterin im Super-G nicht vorgesehen."
Shiffrin ist gelernte Technikerin, ihre ersten drei WM-Titel hatte sie 2013, 2015 und 2017 im Slalom eingefahren. Vor zwei Jahren holte sie zudem Silber im Riesenslalom, in beiden Disziplinen hat sie olympisches Gold gewonnen. Doch das WM-Doppel in Slalom und Super-G war bisher nur Anja Pärson gelungen. Nach ihrem Torlauferfolg 2001 gewann die große Schwedin 2005 und 2007 (in Are) in der zweitschnellsten Disziplin.
Dennoch kam Shiffrins Triumph alles andere als überraschend. Die immer noch erst 23 Jahre alte Amerikanerin hatte alle drei Super-G im Weltcup, die sie in diesem Winter in Angriff nahm, gewonnen. Sie ging als Topfavoritin in die erste WM-Entscheidung, obwohl ihre unmittelbare Vorbereitung vom Reisechaos massiv gestört worden war. Ihre Trainer waren in München hängengeblieben, erreichten Are erst in der Nacht vor dem Rennen. Und: Shiffrin fehlten Teile ihres Gepäcks. "Ich habe nur die Ski und die Skischuhe, alles zum Rennfahren gehabt. Ich habe es einfach versucht, es ist unglaublich", sagte sie. Ihre goldfarbenen Winterstiefel hatten es freilich auch rechtzeitig geschafft.
Im Ziel legte Shiffrin ihre sonst oft vornehme Zurückhaltung ab, keiner der ständigen Begleiter konnte sich an einen derart ausgelassenen Jubel erinnern. "Ich hatte dieses wunderbare Glücksgefühl", sagte sie, und dies schrie sie immer wieder in die eiskalte Luft, wohl wissend, dass es auch hätte schief gehen können. Beinahe wäre sie ja bei diesem Hundertstel-Krimi selbst ausgeschieden. "Ich hatte Angst, dass ich das Tor nicht erwische, dann hatte ich Angst, dass ich das Tor umfahre." Sie blieb knapp im Kurs - und distanzierte Silbermedaillengewinnerin Sofia Goggia (Italien) um nur 0,02 Sekunden - umgerechnet 51 Zentimeter.
In der zweiten Woche könnte Shiffrin in Riesenslalom und Slalom ihre Goldmedaillen Nummer zwei und drei in Schweden gewinnen - wenn sie am Freitag nicht noch die Kombination fährt. "Ich will nicht gierig sein", sagte sie dazu am Dienstag, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Der erste Erfolg nehme ihr jedenfalls den Druck. "Es gab ja die Möglichkeit, dass ich hier nichts gewinne", behauptete sie ernsthaft.