Es ist ein statistischer Wert, den wohl niemand bis zum letzten Wochenende mit dem viermaligen Welttorhüter Manuel Neuer in Verbindung gebracht hätte: Die letzten acht Schüsse, die der Kapitäns des FC Bayern München in der Bundesliga auf seinen Kasten bekam, waren allesamt drin. Wie schwer wiegt diese Zahl wirklich? Oder ist alles nur ein kurioser statistischer Zufall?
Aus den letzten Jahren ist kein vergleichbarer Wert bekannt, der eine ähnlich schwache Performance offenbart wie die jüngste Neuer-Statistik. Acht Torschüsse, acht Gegentore: In der Bundesliga hat Manuel Neuer seit der 0:2-Niederlage bei Hertha BSC keinen Ball mehr gehalten. Und dieses Spiel liegt mittlerweile sechs Wochen zurück.
Spielt der lange Zeit unbestritten beste Torhüter der Welt wirklich so schlecht? Oder paaren sich viel mehr folgenschwere Konzentrationsfehler seiner Vorderleute mit extrem effizienten Torabschlüssen der gegnerischen Angreifer?
Manuel Neuer selbst, der schon vor dem Freiburg-Remis von einem "Anti-Lauf" sprach, will von einer möglichen Formkrise nichts wissen. "Ich bin aktuell in einer guten Verfassung", betonte der 32-Jährige. Die letzten vier Ligaspiele ohne gehaltenen Ball sind aber nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Zu genervt reagierte er auf die jüngsten Gegentreffer, zu gereizt im Anschluss im Palaver mit den Medienvertretern.
Manuel Neuer im Keeper-Ranking abgeschlagen
Die Fakten liegen auf dem Tisch: Bis auf seinen Aussetzer gegen den FC Augsburg, als Neuer beim 1:1 seiner Bayern eine Ecke unterlief und somit den Weg zum Ausgleichstreffer von Felix Götze ebnete, spielte der Weltmeister von 2014 auf der Linie quasi fehlerfrei.
Bei allen acht Gegentoren gegen Gladbach (0:3), Wolfsburg (3:1), Mainz (2:1) und Freiburg (1:1) traf den Nationalmannschaftskapitän keine Schuld. Die Verantwortung tragen andere.
Vor allem die Anfälligkeit über die defensiven Außenbahnen wurde dem FC Bayern bislang mehrfach zum Verhängnis. Gegen Wolfsburg, Mainz und Freiburg in der Bundesliga sowie im Pokal gegen Rödinghausen setzte es viermal in Serie einen Gegentreffer nach einer Hereingabe über außen. Neuer hatte jeweils keine Chance, den Treffer zu verhindern.
>> Mehr dazu: Belegt! Manuel Neuer hält seit fünf Spielen keinen Ball
Zur Wahrheit gehört aber ebenfalls, dass Neuers Leistungen so schlechte Zahlen wie nie zuvor aufweisen. In den bislang zehn absolvierten Bundesligaspielen in dieser Saison wehrte der 32-Jährige 50 Prozent aller Schüsse auf sein Tor ab. Das bedeutet im Ranking Platz 19 von 20 aller Torhüter, die mindestens 30 Prozent der Spielminuten absolviert haben. Lediglich Nürnbergs Fabian Bredlow, der in den ersten Wochen beim Club im Kasten stand, liegt in diesem Ranking hinter Neuer.
Zum Vergleich: In den Jahren zuvor kratzte der Münchner jedes Jahr an der 80-Prozent-Marke und gehörte seit seinem Wechsel vom FC Schalke im Jahr 2011 jede Saison auch statistisch zu den besten Torhütern der Bundesliga.
Der FC Bayern hat erst zwei Mal zu Null gespielt
In der laufenden Bundesliga-Spielzeit hat der Bayern-Spielführer zudem erst zweimal die Null gehalten - für Neuer ebenfalls ein unterirdischer Wert.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass ein Manuel Neuer in der Form vor seiner schweren Knöchelverletzung 2017/2018 besser ausgesehen, sein Team mit dem ein oder anderen parierten "Unhaltbaren" mehr Sicherheit und Stabilität verliehen hätte.
Doch diesen Unterschied macht Neuer nicht mehr aus. Der Übertorwart ist geerdet und 2018/2019 zumindest statistisch nicht mehr als ein durchschnittlicher Bundesliga-Torwart.
Der Keeper selbst zeigte sich trotz der bitteren Null-Paraden-Serie selbstbewusst, versicherte in einem "tz"-Interview: "Im Kopf habe ich überhaupt kein Problem mit meiner Verletzung. Ich habe keine Schmerzen, keine Beschwerden. Natürlich ist es so, dass einem ein Jahr lang die Abläufe fehlen. Aber dafür habe ich in der Vergangenheit einfach zu gute Spiele gemacht, seitdem ich wieder da bin – auch direkt nach der Verletzung, schon bei der WM."
Beim BVB wartet der direkte Vergleich mit Roman Bürki
Die Horror-Bilanz von acht nicht gehaltenen Torschüssen in Folge wird sicherlich in Kürze enden, mit großer Wahrscheinlichkeit schon am Samstagabend bei Tabellenführer Borussia Dortmund (ab 18:30 Uhr), wenn der FCB-Kasten deutlich mehr unter Beschuss geraten dürfte als gegen Freiburg, Mainz und Co.
Der Eindruck, dass der Rekordmeister nicht mehr das Nonplusultra der Bundesliga zwischen den Pfosten stehen hat, hat sich aber verfestigt. Zumal beim Erzrivalen aus Dortmund mit Roman Bürki derzeit ein Schlussmann in Weltklasse-Form im Tor steht. In allen relevanten Statistiken thront der Schweizer vor dem Bayern-Star.
Dem wohl erfolgreichsten Torhüter des letzten Jahrzehnts werden nur Zu-Null-Spiele helfen, sich wieder aus dem Mittelmaß-Status zu befreien. Ob es Neuer nun gefällt oder nicht.
Mats-Yannick Roth





























