Kugelstoßerin Christina Schwanitz gilt bei der EM in Berlin als eine der größten deutschen Goldhoffnungen - trotz ihres Autounfalls vor zwei Wochen.
Christina Schwanitz hat ihr Lachen wiedergefunden. Ihr Lachen, das genauso markant wie ansteckend ist. Bei der Leichtathletik-EM in Berlin will die Titelverteidigerin das erfolgreiche Kugelstoß-Comeback nach ihrer Babypause vergolden - trotz des Autounfalls auf dem Weg ins "Aktuelle Sportstudio" vor zwei Wochen.
"Mir geht es so weit ganz gut. Wir hatten alle Schutzengel, die unterwegs waren", sagte die 32-Jährige am Montagmittag. Das Ziel nach dem Schockmoment ist klar: das dritte EM-Gold in Serie: "Das ist realistisch und mein ganz großer Wunsch", betonte sie zuletzt im "ZDF".
Als erste deutsche Kugelstoßerin könnte sie sich in Berlin zum dritten Mal zur Kugelstoß-Europameisterin krönen. Vier Titel hat bisher nur die Russin Nadeschda Tschischowa (1966 bis 1974) vorzuweisen.
"Bin erstmal umgefallen"
Am Dienstagvormittag tritt Schwanitz in Berlin in der Qualifikation an, am Mittwoch geht es um ihren Titel-Hattrick. "Ein bisschen gehandicapt bin ich", sagte sie. Vor allem eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma machten ihr zu schaffen. "Das hat den Gleichgewichtssinn gestört. Ich bin in den Ring gegangen und erstmal umgefallen. Jetzt komme ich aber wieder ganz gut rückwärtsdrehend durch den Ring", sagte sie - inzwischen wieder mit einem Lachen.
Sollte Schwanitz ihre Normalform annähernd abrufen können, dürfte sie eigentlich nicht zu schlagen sein. Bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg stieß sie erstmals seit der Geburt ihrer Zwillinge und der anschließenden Babypause wieder über 20 Meter. Und überraschte sich damit selbst. Inzwischen ist sie mit ihren 20,06 m hinter Chinas Weltmeisterin Lijiao Gong Nummer zwei der Welt, in Europa unangefochten sogar die Nummer eins.
Krümel vor Ort
Und die Zwillinge, die sie liebevoll Krümel nennt, sind in Berlin zusätzliche Motivation. "Sie werden auf jeden Fall da sein", sagte sie.
Ihr Erfolgsgeheimnis: Organisationstalent, Disziplin, Erfahrung - und Unterstützung aus ihrem Umfeld. "Familie und Leistungssport sind vereinbar. Aber nur mit viel Hilfe", hatte sie nach den deutschen Meisterschaften erklärt und ein Plädoyer für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehalten. Weit über den Sport hinaus: "Wenn man sagt, beide Elternteile gehen arbeiten, und das wurstelt man so hin - das funktioniert nicht. Das sollte man sich in Deutschland auch mal überlegen."
In ihren Erfolg sind viele eingebunden. Ihr Mann, die Freunde, der Kindergarten, die Bundeswehr, ihr Coach Sven Lang, der auch mal zu ungewöhnlichen Zeiten mit ihr trainiert, Disziplin, und, und, und. Alleine diese Aufzählung zeigt, was für Anstrengungen hinter ihrem Erfolg stehen. Nicht nur sportlich.
Schwanitz will sich selbst etwas beweisen
Ihre Schlussfolgerung: "Wenn wir nicht so viele Freunde und Unterstützer hätten, wenn ich nicht das Training schieben könnte, wenn die Firma meines Mannes uns nicht entgegenkommen würde - dann könnte ich keinen Leistungssport mehr betreiben."
Christina Schwanitz entschied sich bewusst für eine Rückkehr in den Ring, auch, weil sie sich selbst etwas beweisen wollte. Bisher hat sie das auf beeindruckende Weise getan.