Am Dienstag hat Bundestrainer Joachim Löw mit seinem vorläufigen WM-Kader für einige Überraschungen gesorgt. Entsprechend neugierig waren die anwesenden Journalisten, die den 58-Jährigen im Anschluss mit Fragen löcherten. Löws Antworten im Wortlaut.
Herr Löw, wie schwer war es, das vorläufige Aufgebot zu nominieren?
Joachim Löw: Mein Job als Bundestrainer ist es leider auch, Träume platzen zu lassen und harte Entscheidungen zu treffen. Es ist nie gegen einen Spieler, sondern immer im Sinne der Mannschaft. Es hängt manchmal an Kleinigkeiten, die am Ende entscheiden. Auch die Spieler, die nicht nominiert sind, sind hervorragende Fußballer und super Typen. Sie sind vielleicht nach der WM wieder dabei.
Was waren Ihre Kriterien?
Die sportliche Komponente ist ein Entscheidungskriterium. Wer ist physisch und psychisch in der Lage, nach einer harten Saison seine Top-Leistung abzurufen. Die Mannschaft muss aber nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb funktionieren. Wir beurteilen den Kader auch danach, wer unsere Spielidee am besten umsetzen kann.
Sie haben 27 Spieler ins vorläufige Aufgebot berufen. Warum so viele?
Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass es in der Vorbereitung oder den letzten Spielen noch Verletzte geben kann. Deswegen ist es für uns selbstverständlich, etwas Luft zu lassen.
Warum fehlt Mario Götze?
Es war nicht seine Saison. Er hat nicht seine Form gezeigt, die er bringen kann. Er hat eine wahnsinnige Qualität. Ich hoffe, dass er nach der Sommerpause in Dortmund einen anderen Beginn hat und wieder zurückkommt. Es tut mir wahnsinnig leid. Das gilt auch für Sandro Wagner. Aber wir mussten Entscheidungen treffen. Natürlich sind die Spieler sehr enttäuscht. Es war eine Entscheidung für Nils Petersen und Mario Gomez und nicht gegen Sandro Wagner.
Was hat den Ausschlag für Nils Petersen gegeben?
Nils hat bei einer Mannschaft, die nicht wahnsinnig viele Chancen herausspielt, 15 Tore gemacht. Er macht einen starken und fitten Eindruck. Er wächst mit der Aufgabe. Von ihm verspreche ich mir einiges. Er ist auch ein starker Joker.
Auch mit Jonathan Tah hat nicht jeder gerechnet.
Jonathan Tah hat sehr große Fortschritte gemacht. In seiner Spielauslösung hat er sich noch einmal stark verbessert.
Wie ist die Situation bei Manuel Neuer?
Wir waren in den vergangenen Wochen fast täglich im Austausch mit Manuel Neuer. Wir wollen uns jetzt selber ein Bild machen. Wir haben im Trainingslager die Chance, ihn zu sehen und zu beurteilen. Danach werden wir offen und ehrlich reden, ob es für ihn möglich ist, die WM zu spielen. Momentan sieht es sehr gut aus, die Verletzung ist vollständig verheilt. Ohne Spielpraxis in eine WM zu gehen, ist nach so einer langen Pause aber schier unmöglich.
Was versprechen Sie sich von Marco Reus?
Marco Reus hat eine besondere Gabe und ist eine außergewöhnliche Waffe. Er war in der Rückrunde in sehr guter Form. Er steht für außergewöhnliche Dinge. Er kann uns bei dem Turnier entscheidend helfen.
Ilkay Gündogan und Mesut Özil haben mit ihrem Auftritt mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan für Wirbel gesorgt. Haben Sie daran gedacht, die Spieler zu bestrafen?
An Sanktionen habe ich zu keiner Sekunde gedacht. Es war keine glückliche Aktion. Wenn man für Deutschland spielt, vertritt man auch das Land und seine Werte. Beide haben uns zu verstehen gegeben, dass sie keine politische Botschaft senden wollen. Beide haben für die Integration viel getan. Es ist eine Lehre für sie. Wir werden im Trainingslager noch einmal mit den Spielern sprechen.
Wie lautet Ihre Zielsetzung für die WM?
Wir wollen das Maximum erreichen. Wir wollen ins Finale und den Titel wieder nach Deutschland holen.
Unabhängig vom Ausgang werden Sie Ihren Vertrag bis 2022 verlängern...
Eine vorzeitige Verlängerung ist immer etwas ganz Besonderes. Wir möchten uns beim Verband für das Vertrauen bedanken. Das ist aber auch eine Verpflichtung, die Mannschaft in den nächsten Jahren weiterzuentwickeln. Mir macht es unheimlich viel Spaß, in dieser Konstellation mit so vielen inspirierenden Menschen zu arbeiten. Nach der WM könnte es einen Umbruch geben. Wir können dann mit vielen jungen Spielern Richtung WM 2022 gehen.







