Gregor Schlierenzauer startet in Titisee-Neustadt einen neuerlichen Comeback-Versuch. Ob der Rekord-Weltcupsieger noch einmal zur Form aus Glanztagen findet, ist fraglich.
Das Knie hält, doch wie es um seinen Kopf bestellt ist, weiß vermutlich nicht einmal Gregor Schlierenzauer selbst. "Mir geht es sehr gut. Ich habe keine Beschwerden mehr und freue mich irrsinnig", sagt Österreichs Skisprung-Idol zwar vor seinem neuerlichen Comeback-Versuch am Wochenende in Titisee-Neustadt.
Doch bestehen berechtigte Zweifel daran, dass der erfolgreichste, aber wohl auch rätselhafteste Springer der Weltcup-Geschichte noch einmal zur Form bester Tage findet.
"So einfach vorne hineindonnern, das wird's nicht spielen", sagt Österreichs Trainer Heinz Kuttin in Kärntnerischer Mundart. Auf Hochdeutsch: Auch von einem sechsmaligen Weltmeister sind keine Wunderdinge zu erwarten, zumal Schlierenzauers 53. und bislang letzter Weltcupsieg nun auch schon drei Jahre zurückliegt.
Karriereende stand bereits im Raum
Schlierenzauer, den zuletzt ein Seitenbandanriss im Knie als bislang letzter Rückschlag einer langen Leidensphase außer Gefecht gesetzt hatte, denkt allerdings größer. Nach der "längsten und besten Vorbereitung, die ich je hatte", ist der 27-Jährige der Überzeugung, "dass ich voll dabei bin. Wenn alles passt, dann auch ganz vorne."
Ganz vorne, das war der alte "Schlieri". 2006 gewann er als 16-Jähriger seinen ersten Weltcup, rund sieben Jahre war der Tiroler bester Skispringer der Welt. Danach folgte der brutale Absturz: Die ständigen Änderungen an Reglement und Material zerschossen das Flugsystem des feinfühligen Ausnahmefliegers, hinzu kamen schwere Verletzungen und mentale Probleme.
Anfang 2016 kumulierten diese, als Schlierenzauer entnervt die Vierschanzentournee aufgab, kurz darauf eine Auszeit vom Springen verkündete und sich im März auch noch das Kreuzbandriss riss. Das Karriereende stand im Raum: "Ich habe mich gefragt: Was will ich jetzt eigentlich noch?"
Schlierenzauer wohl immer noch Branchen-Topverdiener
Doch Anfang 2017 kehrte er in den Weltcup zurück - nur um beim Fliegen in Oberstdorf schwer zu stürzen. Schlierenzauer schaffte es mit einem Kraftakt dennoch zu den Weltmeisterschaften in Lahti und holte Team-Bronze, seine zwölfte WM-Medaille. Mit der neuerlichen Knie-Verletzung in der Vorbereitung ging es aber zurück in die Talsohle.
Warum weitermachen also als ein Springer, der - bis auf den Olympiasieg im Einzel - alles erreicht, in den vergangenen drei Jahren aber auch 49 von 62 Weltcupspringen verpasst hat? Schlierenzauer selbst verhehlt nicht, das auch bei ausbleibendem Erfolg sein Sportler-Dasein lukrativ ist. Dank des Sponsorenvertrages mit einem Brausegiganten ist der mutmaßlich erste Skisprung-Millionär wohl immer noch Branchen-Topverdiener.
Der Traum von einer Olympischer Einzelmedaille lebt
"Ohne Red Bull würde ich nicht mehr skispringen", sagt Schlierenzauer: "Aber es wird mir bewusst, dass das die richtige Entscheidung war." Und wenn schon Schlierenzauer wie ein Relikt einer anderen Generation wirkt, wie ein Kasai oder Ahonen, darf nicht vergessen werden, dass er weder 45 Jahre alt wie der eine noch 40 wie der andere ist, sondern mit 27 kaum älter als die aktuellen deutschen Leistungsträger Richard Freitag und Markus Eisenbichler.
Nun also der Blick nach vorne, wieder einmal. Den Traum vom olympischen Einzelgold hat Schlierenzauer nicht aufgegeben, die WM 2019 in seiner Tiroler Heimat als Ziel. Und Weltcupsieg 54 - mit diesem würde er Alpin-Idol Hermann Maier überflügeln: "Das wäre ein Meilenstein."
