Kein Boxkampf hat in den letzten Jahrzehnten für mehr Aufmerksamkeit in Deutschland gesorgt als der Fight um die Schwergewichtskrone nach Version der IBF zwischen Axel Schulz und Francois Botha.
Über 18 Millionen Menschen wollten an den TV-Geräten bei "RTL" oder live vor Ort in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart miterleben, wie sich der damals 27-jährige Axel Schulz am 9. Dezember 1995 als erster Deutscher seit Max Schmeling zum Weltmeister im Schwergewicht krönen wollte.
Der Kampf gegen den Südafrikaner Botha war die zweite Chance für Schulz, sich einen WM-Gürtel zu sichern. Schon die erste Schwergewichts-Weltmeisterschaft des Brandenburgers gegen Box-Legende George Foreman wurde zu einer Skandalnacht. Trotz eines beherzten Kampfes und der vermeintlich besseren Leistung verlor Schulz gegen den Altmeister Foreman nach Punkten.
Dennoch verhalf Schulz der Kampf zu einem enormen Popularitätsschub, auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus. Schulz verriet Jahre später gegenüber "Bild": "Ich glaube, ich durfte nicht gewinnen. Da war zu viel Geld im Spiel."
Das Sportevent des Jahres 1995: Axel Schulz vs. Francois Botha
Da der 46-jährige Foreman einen Rückkampf gegen Schulz ablehnte, bot sich im Dezember '95 die zweite Möglichkeit für den Linksausleger, endlich Weltmeister zu werden.
Der Fight um den vakanten IBF-Gürtel zwischen Schulz und Botha wurde in der Bundesrepublik zu dem Sportevent des Jahres. Die Aufmerksamkeit und die Erwartungshaltung waren entsprechend riesig. Der gleichaltrige Botha war hierzulande ein vollkommen unbeschriebenes Blatt, ernsthafte WM-Chancen wurden ihm keine eingeräumt. Axel Schulz hingegen wurde die größtmögliche Bühne bereitet, um vor heimischem Publikum seinen persönlichen Karrieregipfel zu erklimmen.
Doch es kam alles ganz anders: Während sich der Schützling von Trainer Manfred Wolke von Beginn an viel zu passiv, fast schon zurückhaltend präsentierte, boxte Botha angriffslustig und risikofreudig. Schulz steckte die Kombinationen des Südafrikaners zwar gut weg, zeigte sich selbst aber auch in der zweiten Hälfte des Kampfes viel zu lethargisch.
Schulz boxt zu mut- und kraftlos
In den letzten Runden schlichen die beiden entkräfteten Schwergewichtler die meiste Zeit über nur noch umeinander herum oder nahmen mit gegenseitigen Umklammerungen Zeit von der Uhr. Auch, wenn die Tausenden Schulz-Fans in der Stuttgarter Arena merklich unzufriedener und ungeduldiger wurden, schaffte es Axel Schulz nicht mehr, dem Kampf zum Ende hin noch die entscheidende Wende zu geben.

Der aktivere Botha ließ sich noch vor der Urteilsverkündung der Kampfrichter feiern und reckte beide Fäuste nach oben. Schulz hingegen wollte noch nicht ganz wahrhaben, was letztlich unausweichlich war: Er verlor auch seinen zweiten WM-Kampf - denkbar knapp nach Split Decision der drei Kampfrichter.
Die treuen Schulz-Unterstützer und deutschen Box-Fans wollten das Ergebnis zunächst nicht akzeptieren und protestierten lautstark, witterten sie doch nach dem Skandal-Urteil des Foreman-Kampfes den nächsten Betrug an ihrem Schützling. Es flogen Gläser und Flaschen in den Ring, mehrere Zuschauer in den ersten Reihen wurden leicht verletzt.
Botha gedopt - Kampf annulliert
Genützt hat das alles nichts. Der WM-Gürtel war weg, schon zum zweiten Mal. Doch das Schicksal sollte noch eine weitere Wendung für den deutschen 1,91-Meter-Hünen bereithalten. Wenige Tage nach dem vermeintlichen Titelgewinn wurde Francois Botha die Einnahme der verbotenen Steroids Nondrolon nachgewiesen. Botha bekam den IBF-Titel aberkannt, das Urteil der Fight-Nacht von Stuttgart lautete fortan "No Contest".
Schulz fühlte sich betrogen, meinte Jahre später in der "BZ": "Ich habe Botha immer noch nicht verziehen. Nach meiner Meinung habe ich den Kampf sowieso gewonnen. Aber der mächtige Promoter-König Don King saß ja mit am Ring." Immerhin: 20 Jahre später besuchte Botha seinen einstigen Widersacher in Frankfurt/Oder und entschuldigte sich für sein Doping-Vergehen.

Axel Schulz verlor ein halbes Jahr nach dem annullierten Botha-Fight auch noch seinen dritten WM-Kampf. Seiner Popularität hat das aber nur wenig geschadet. Bis zum Ende seiner Laufbahn füllte er die Arenen in Berlin, Dortmund, Köln oder Leipzig und fesselte ein Millionenpublikum an die TV-Geräte.
Auf sportlicher Ebene blieb Schulz der ganz große Sieg verwehrt. Dass seine Karriere mit niederschmetternden K.o.-Niederlagen 1999 gegen Wladimir Klitschko und sieben Jahre später beim Comeback-Versuch gegen Brian Minto endete, war allerdings bezeichnend.
Mats-Yannick Roth
