Raubüberfälle an der Strecke, ein zu teures Rennen und bald kein Brasilianer mehr in der Startaufstellung - erstmals seit fast 50 Jahren. Das Land der großen Weltmeister scheint sich langsam von der Formel 1 zu verabschieden.
So geht es nicht weiter, dachte Lewis Hamilton, und er legte den Finger in die Wunde dieser stolzen Formel-1-Nation. "Mitglieder meines Teams wurden mit vorgehaltener Waffe gestoppt. Es fielen Schüsse, einem hielten sie die Waffe an den Kopf", twitterte der Weltmeister nach einem erneuten Raubüberfall im Rahmen des Großen Preises von Brasilien: "So etwas passiert hier in jedem einzelnen Jahr."
Auch Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff stellte fest: "Es kann eigentlich nicht sein, dass wir gepanzerte Fahrzeuge und Spezialkräfte brauchen, um hier sicher von der Strecke ins Hotel zu kommen. Aber so ist es eben." Es ist eben vor allem ein Standortproblem. "Armut und viel Kriminalität" gebe es in dieser Gegend von São Paulo, sagte Hamilton. Was er nicht aussprach: Genau dort trägt die glitzernde Formel 1 alljährlich einen Grand Prix aus.
Keine Stars, kein Nachwuchs
Und auch sportlich ist die Beziehung Brasiliens zur Königsklasse mittlwerweile schwierig. An diesem Wochenende bestritt Felipe Massa seinen letzten Heim-Grand-Prix, der Rücktritt des 36-Jährigen ist ein Einschnitt. Im kommenden Jahr ist erstmals seit 1969 kein Brasilianer mehr in der Königsklasse vertreten, und das wird eine Weile so bleiben. In den Nachwuchsklassen drängt niemand nach oben, einer der wenigen Hoffnungsträger ist gerade 15 Jahre alt: Caio Collet, momentan im Kartsport aktiv.
Nach Jahrzehnten mit Piloten wie Emerson Fittipaldi, Nelson Piquet, Ayrton Senna, Rubens Barrichello und Massa dürfte für eine Weile also kein Brasilianer mehr um Punkte in der Formel 1 kämpfen.
Massa: Harte Zeiten für Brasilien
Und auch der Standort São Paulo ist gefährdet. Bis 2020 läuft der Vertrag, doch schon seit Jahren wird über ein vorzeitiges Ende spekuliert, weil das Rennen jährlich viel Geld kostet, das nicht da ist. Auch ein Verkauf und die Privatisierung des Autodromo Jose Carlos Pace wird daher seit einer Weile diskutiert und könnte schon im kommenden Frühjahr erfolgen.
"Wir machen gerade Zeiten durch, die nicht so einfach sind", sagte Massa, der letzte verbliebene Brasilianer, kurz vor seinem Rücktritt: "Aber ich hoffe, dass die Formel 1 für immer in Brasilien bleibt. Dieses Land ist zu wichtig, wir hatten so viele Fahrer, so viele Weltmeister." Doch mit dieser Vergangenheit kann die Zukunft wohl nicht mithalten.

