Mit 4:1 fiedelte Milan am Mittwoch Chievo Verona vom Feld, das klare Ergebnis kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Saison des AC einmal mehr droht, in einem Debakel zu enden.
Ausgelassene Feierstimmung in Schwarz und Rot herrschte auf der Piazza del Duomo letztmals 2011, als Alessandro Nesta, Clarence Seedorf, Andrea Pirlo, Filippo Inzaghi, Zlatan Ibrahimović und Co. den 18. Scudetto der Vereinsgeschichte in die stolzgeschwängerte Luft reckten - dann begann der langsame Verfall.
Reichte es 2012 noch zum Vizetitel und 2013 zu Platz drei, verpasste Milan 2014, 2015 und 2016 die Europapokalplätze und verabschiedete sich vorerst ins sportliche Mittelmaß. 2017 retteten sich die Rossoneri immerhin hauchdünn in die Europa-League-Quali, die Konkurrenz aus Rom, Neapel und Turin musste man dennoch sehnsüchtig aus der Ferne anschmachten.
Ein Umstand, dem der siebenfache Champions-League-Gewinner - nur Real holte den Pott häufiger - im Sommer den Kampf ansagte. Eine 200 Millionen Euro schwere Finanzspritze der chinesischen Investorengruppe Sino-Europe Sports Investment Management Changxing Co. Ltd, die den Klub im April übernahm, sollte den schlafenden Riesen aus seinem Dornröschenschlaf erwecken. Milan überflutete den ohnehin überhitzten Markt kurzerhand mit Millionen-Offerten, tauschte den Großteil des Kaders aus und visierte selbstbewusst die Rückkehr zu altem Glanz an - ohne Erfolg.
Keine Königsklasse, kein Sexappeal
Während Paris Saint-Germain und Manchester City - die einzigen beiden Klubs, die Milans Investitionen im Sommer signifikant toppten - in ihren Ligen munter von der Tabellenspitze grüßen, hinken die Mannen aus der Modestadt den ambitionierten Ansprüchen meilenweit hinterher; die Champions-League-Ränge sind bereits elf Zähler entfernt. Ganz überraschend kommt die Rückkehr auf den Boden der Tatsachen allerdings nicht.
Klar, das lombardische Klima hat seinen Reiz, die Stadt bietet eigentlich alles und der AC wartet mit Tradition, einem vollen Trophäenschrank, begeisterten Fans und einem wunderbaren Stadion auf - die Nicht-Qualifikation für die Champions League lindert den Sexappeal der Rot-Schwarzen aber mächtig. Bei kaum einem Poker um die Topstars der Szene wurde Milan nicht genannt, das Rennen machte die Truppe von Vincenzo Montella nur einmal: Top-Verteidiger Leonardo Bonucci wechselte ausgerechnet von Liga-Primus Juventus zu Milan.
Für die restlichen 155 Millionen Euro sicherte man sich die Dienste von Ricardo Rodríguez (18 Mio. vom VfL Wolfsburg), Lucas Biglia (17 Mio. von Lazio), Mateo Musacchio (18 Mio. von Villarreal), Hakan Çalhanoğlu (22 Mio. von Bayer Leverkusen), Andrea Conti (25 Mio. von Atalanta), André Silva (38 Mio. vom FC Porto) sowie die Leihspieler Franck Kessié und Nikola Kalinić - zweifelsohne sehr gute Kicker, für den Angriff auf die europäische Spitze aber nicht genug.
Kritik von "Mister Milan"
"Die Transferpolitik habe ich nicht verstanden", kritisierte "Mister Milan", Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, unlängst im Gespräch mit dem "Corriere della Sera". "Mit all diesem Geld, hätte man da nicht einen Topspieler kaufen können?", hinterfragte Berlusconi, der die Geschicke des Klubs über 30 Jahre als Eigner und Präsident leitete.
Um die von den Verantwortlichen beschriebene Rückkehr "zu altem Ruhm" oder dem Comeback in der "Weltspitze" ist es inzwischen ruhig geworden, sogar die Zukunft unter dem Banner des chinesischen Konsortiums wurde zuletzt in Frage gestellt. Nur sportliche Erfolge können die Wogen wohl etwas glätten. Dass die Krise ein baldiges Ende findet, ist aber eher nicht zu erwarten: In der Liga empfängt man am Samstag Serienmeister Juventus (18 Uhr im Liveticker), ehe der Klub beim Angstgegner Sassuolo Calcio und beim aktuellen Tabellenführer SSC Neapel gastiert.
"Für einen Verein mit der Geschichte von Milan ist alles möglich", machte Ronaldinho, zweimaliger Weltfußballer und Ex-Milan-Akteur, den Rossoneri zuletzt Hoffnung. Dass sich dieser Satz in beide Richtungen interpretieren lässt, soll an dieser Stelle nicht als schlechtes Omen gewertet werden.



























