Der Große Preis von Italien zählt seit jeher zu den wichtigsten Rennen im Formel-1-Kalender. Dies galt auch für die Ausgabe im Jahr 2008. Und dennoch war in jenem Jahr vieles anders. Während Weltmeister Kimi Räikkönen und WM-Leader Lewis Hamilton nur eine unerwartete Nebenrolle spielten, holte sich ein 21-Jähriger nach einer wahren Wasserschlacht im unterlegenen Toro Rosso seinen ersten Grand-Prix-Sieg: Sebastian Vettel.
Schon am Tag vor dem Rennen schaffte das Nachwuchstalent aus Heppenheim eine kleine Sensation: Im Qualifying setzte er sich am ebenfalls verregneten Samstag vor den Top-Fahrern Heikki Kovalainen im McLaren-Mercedes und Mark Webber im Red Bull durch und bejubelte als jüngster Fahrer der Formel-1-Geschichte eine Pole Position (ein Rekord, der bis heute steht).
Der spätere Weltmeister Lewis Hamilton verzockte sich an diesem Tag völlig und fuhr nur auf Platz 15 der Qualifikation.
Schon nach der ersten Pole im 22. Grand Prix seiner jungen Karriere jubelte Sebastian Vettel ausgelassen: "Unglaublich! Ich bin hin und weg. Heute früh habe ich noch Witze mit meinen Mechanikern gemacht, dass wir im Regen um die Pole Position fahren müssen. Und jetzt stehe ich tatsächlich da. Einer meiner größten Träume wird wahr."

An mehr traute sich der Vorjahres-Rookie noch gar nicht zu glauben: "Man kann jetzt nicht erwarten, dass wir um den Sieg mitfahren. Aber ein paar Punkte oder ein Platz auf dem Podium wären schon schön."
Sicherheitsstart hinter dem Safety Car
So zurückhaltend sich Vettel noch am Samstag gegenüber der Presse zeigte, so kompromisslos und fokussiert präsentierte er sich am Sonntagnachmittag in seinem Toro Rosso. In einem unterlegenen Fahrzeug, in dem Vettel bis dato so viele Ausfälle wie kein anderer Pilot zu verdauen hatte, bewies der Deutsche neben herausragendem fahrerischen Talent auch Nerven aus Stahl.
Gestartet wurde aus Sicherheitsgründen hinter dem Safety Car, welches zwei Runden lang das Tempo vorgab. Vettel fand sich nach der Rennfreigabe in der dritten Runde sofort wunderbar mit dem klitschnassen Untergrund im Autodromo Nazionale zurecht und brachte innerhalb weniger Runden mehr als fünf Sekunden zwischen sich und Verfolger Kovalainen.
Während die Top-Fahrer um Lewis Hamilton und Kimi Raikkönen anfangs große Probleme im undurchsichtigen Verfolgerfeld hatten, nutzte Vettel die gischtfreie Sicht als Rennführender und setzte sich bis zum ersten Boxenstopp immer weiter ab. Nachdem zu Rennmitte einzig WM-Leader Lewis Hamilton noch schnellere Runden drehte als Vettel und bedrohlich schnell aufholte, wurde dieser von einem taktischen Fehlgriff beim Reifenwechsel um seine möglichen Podestchancen gebracht und am Ende lediglich Siebter.
714 Tage nach dem letzten Schumi-Sieg
Der neue Regenkönig der Formel 1 hingegen ließ sich auch bei langsam abtrocknender Piste nicht mehr von Platz eins verdrängen. Im Gegenteil: Trotz schwächerer Motorenleistung hielt er die gesamte Konkurrenz auf Distanz, baute seine Führung auf am Ende über zwölf Sekunden Vorsprung nach 53 glorreichen Monza-Runden aus.
714 Tage nach dem letzten Sieg von Michael Schumacher war ein neuer deutscher Champion in der Königsklasse des Motorsports geboren. Sebastian Vettel selbst war vollkommen überwältigt: "Das ist der beste Tag meines Lebens! So schön hätte ich mir das in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt." Knapp zwei Jahre später bejubelte Vettel den nächsten besten Tag seines Lebens. Er krönte sich in Abu Dhabi zum bis heute jüngsten Weltmeister aller Zeiten.
Mats-Yannick Roth