Gesa Krause hatte sichtlich Mühe, nicht in Tränen auszubrechen und sprach mit erstickter Stimme von einem "Trauma". Die Europameisterin erlebte bei der Leichtathletik-WM das chaotischste 3000-Meter-Hindernis-Rennen ihrer Karriere.
Ein Sturz beendete in London all ihre Medaillenträume. "Ich glaube, ich war 16, als ich das letzte Mal gestürzt bin. Das ist jetzt etwas, das ich verarbeiten muss", sagte sie nach ihrem neunten Platz zutiefst enttäuscht.
Die 25-Jährige vom Verein Silvesterlauf Trier kam in ihrem dritten WM-Finale nach 9:23,87 Minuten ins Ziel. Bei der WM vor zwei Jahren in Peking hatte sie mit Bronze überrascht. Gold gewann diesmal überraschend die Amerikanerin Emma Coburn in 9:02,58 Minuten vor ihrer Teamkollegin Courtney Frerichs in 9:03,77.
Das Unheil hatte bereits auf dem ersten Kilometer begonnen, als die Jahresbeste und Führende Celliphine Chepteek Chespol aus Kenia am Wassergraben vorbeilief - und umkehrte. Kurz danach gehörte Krause zu jenen Läuferinnen, die plötzlich auf der Bahn lagen. "Ich habe leider einen Schlag auf den Kopf bekommen", sagte sie unmittelbar nach dem Rennen in der "ARD". "Das ist schwer zu verkraften. Ich habe das ganze Jahr dafür trainiert. Es tut einfach weh, dass ich nicht eingreifen konnte."
Bronze holte die Titelverteidigerin und Olympia-Zweite Hyvin Kiyeng Jepkemoi aus Kenia. Krause landete abgeschlagen im Feld, war aber dennoch stolz, "dass ich noch durchgelaufen bin".
Nachricht an die Fans auf Facebook
Am Folgetag meldete sich die 25-Jährige bei Facebook zu Wort und gestand, dass die Enttäuschung bei ihr immer noch sehr tief sitzt: "Es ist hart meine Gefühlswelt in Worte zu fassen und einen klaren Gedanken zu finden, denn in meinem Kopf läuft der Film des gestrigen Rennens in Dauerschleife. Das "Was wäre wenn..." plagt mich und gleichzeitig versuche ich diesen Gedanken zu verwerfen, denn ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und muss die bittere Wahrheit akzeptieren. Ich bin am Boden zerstört nicht zeigen zu können was wirklich in mir steckt. Ein Jahr Arbeit für den gestrigen Tag hat sich nach einem unverschuldeten Sturz in Luft aufgelöst."
"Unter neun Minuten - das kann Gesa nicht"
Die Ausdauerspezialistin vom Verein Silvesterlauf Trier wollte beim Saisonhöhepunkt eigentlich ihren am 5. Mai in Doha/Katar aufgestellte deutschen Rekord von 9:15,70 noch unterbieten. An die Zeit der beiden Amerikanerinnen wäre sie wohl ohnehin nicht herangekommen.
"Es ist nicht so, dass da vorne alle Weltrekord laufen. Aber unter neun Minuten - das kann Gesa nicht", hatte ihr Trainer Wolfgang Heinig vor dem WM-Finale erklärt. "Wenn sie einen guten Tag erwischt, könnten es mal 9:10 oder 9:12 werden." Aber nicht bei diesem Rennverlauf, wo schon früh alles zu Ende war. "Bis zwei Kilometer hat es mich nicht angestrengt, es ist deprimierend, wenn man sieht, wie viel mehr man drauf hat. Wie viel mehr in einem steckt. Wenn man so viel opfert und so viele Wochen von zuhause weg ist", sagte Krause.
Dabei hatte sie wieder einmal einen immensen Aufwand betrieben, um mit allen Chancen in das WM-Rennen zu gehen. Etwa 5500 Kilometer läuft die Hindernisspezialistin im Jahr, bis zu 170 in einer normalen Woche. Sie war in Trainingslagern in Südafrika, Kenia und zuletzt in Davos/Schweiz. Sie rannte bei Wind und Wetter auf der bescheidenen Anlage in Frankfurt-Niederrad.
In Europa top, in der Welt oft alleine gegen Afrikas Asse - und nun auch noch zwei Amerikanerinnen ganz vorne. Deutschlands "Leichtathletin des Jahres" 2015 und 2016 winkt aber bei der EM nächstes Jahr in Berlin ein vielversprechendes Heimspiel - jenseits von Afrika und Amerika.
