Vier Goldmedaillen, zweimal Silber und einmal Bronze in Rio: Doch von seinen Olympiaerfolgen kann sich der Deutsche Kanu-Verband nur wenig kaufen. Im Zuge der Spitzensportreform werden dem erfolgreichsten deutschen Verband der letzten sieben Sommerspiele derart drastisch die Mittel gekürzt, dass die Kanuten gleich mehrere Trainerstellen streichen müssen.
"Über den Bescheid war ich sehr erstaunt, ich verstehe ehrlich gesagt die Welt nicht mehr", sagte DKV-Präsident Thomas Konietzko: "Die Diskussionen, die wir über die Leistungssportreform zwei Jahre lang geführt haben, waren offenbar abstrakt und gingen komplett an der Realität vorbei." Laut des 53-Jährigen fehle es im System an "Geld" und "Kraft", konkret fehle dem DKV ab Neujahr ein niedriger sechsstelliger Betrag.
Am Dienstag teilte der Kanu-Verband mit, dass die Stelle des zum 1. Februar ausscheidenden Cheftrainers Reiner Kießler wegen der Kürzung staatlicher Mittel nicht neu besetzt wird. Einige der Aufgaben soll künftig Sportdirektor Jens Kahl zusätzlich übernehmen. Zudem müssen vier Nachwuchstrainer entlassen werden.
Vesper sorgt sich
Neuer leitender Bundestrainer für die Nationalmannschaft wird der bisherige Disziplintrainer der Kajak-Männer Arndt Hanisch, der aber auch weiterhin für das Training der Disziplingruppe verantwortlich sein wird. Alle anderen Bundestrainer verbleiben in ihren bisherigen Funktionen.
Die Existenzängste der Kanuten blieben auch dem Dachverband nicht verborgen. "Ich fände es sehr bedauerlich und ärgerlich, wenn einer unserer erfolgreichsten Verbände gezwungen würde, ein so erfolgreiches Projekt zu beenden", sagte Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Konietzko: Reform hat mehr geschadet als genutzt
Dennoch sieht er keinen Zusammenhang zwischen den Umstrukturierungen beim DKV und der Reform. "Diese Entscheidung hat nichts mit der Leistungssportreform zu tun. Im Gegenteil: Ziel der Leistungssportreform ist ja, dass so etwas durch die Umsetzung der Neustrukturierung eben genau nicht mehr vorkommt. Parallel dazu setzen wir uns beim BMI dafür ein, dass dieses Projekt weiter gefördert wird", sagte Vesper.
Konietzko kann diese Auffassung nicht teilen: "Fakt ist, dass Stand jetzt selbst dem erfolgreichen DKV die Reform mehr geschadet als genutzt hat. Wir haben ab dem 1. Januar weniger Geld zur Verfügung als vorher."
Einsparungen ein problematisches Zeichen
Die Spitzensportreform des DOSB und des Bundesinnenministeriums sieht im Grundsatz vor, dass aussichtsreiche Verbände, Disziplinen und Athleten mehr, eher perspektivlose weniger Geld erhalten. Die Einsparungen bei den erfolgreichen Kanuten könnten deshalb ein problematisches Zeichen darstellen.
Eine Umsetzung der Reform ist für Konietzko untrennbar mit einem "Mittelaufwuchs" verbunden. "Die Politik hat anders entschieden, und wenn ich dem DOSB überhaupt einen Vorwurf machen kann, dann den, dass dieser Zusammenhang nicht deutlicher gemacht wurde. Der Sport hat sich mit seiner Zustimmung einseitig zu den Zielen der Reform bekannt und steckt jetzt in dem Dilemma, dass die Mittel für die Umsetzung fehlen."
Bereits in der Vergangenheit habe es Versuche internationaler und finanzkräftigerer Verbände gegeben, deutsche Trainer abzuwerben, weswegen sich der DKV mit der Nichtbesetzung des Cheftrainer-Postens zum Handeln gezwungen sah. "Um unseren Trainern unsere Wertschätzung zu zeigen, blieb uns nichts weiter übrig, als eine Stelle einzusparen und damit zumindest eine angemessene Gehaltsanpassung für die im Verband bleibenden Trainer zu sichern", sagte Konietzko.