Das Duell der Absteiger VfB Stuttgart und Hannover 96 am Montag (ab 20:15 Uhr im sport.de-Liveticker) ist erwartungsgemäß das Spitzenspiel der 2. Bundesliga. Keiner kennt beide Klubs besser als Martin Harnik, der im vergangenen Sommer vom VfB nach Hannover wechselte. Im Interview spricht der Torjäger der Niedersachsen über das Wiedersehen mit dem Ex-Klub, die Besonderheiten der 2. Bundesliga und den Konkurrenzkampf im starken 96-Kader.
Herr Harnik, wie aufgeregt sind Sie mit Blick auf das Duell gegen ihren Ex-Verein?
Martin Harnik: So richtig spannend wird es erst, wenn es Richtung Stadion geht. Dann ist die Anspannung am größten, wenn ich die Aufstellung vom VfB sehe, wo die alten Kameraden draufstehen.
Wer sind die Kameraden, an die Sie sich am liebsten erinnern?
In erster Linie Daniel Ginczek, Florian Klein und Christian Gentner. Aber da gibt es ja einige, mit denen ich noch im letzten Jahr zusammengespielt habe. Und gerade mit "Gente" von Anfang an.
Tauscht man sich mit den Ex-Kollegen über die zweite Liga aus?
Ja und Nein. Wir wünschen uns vor den Spielen regelmäßig Glück und gratulieren uns auch hinterher zu Siegen. Aber in unserer Freizeit haben wir auch andere Themen.
Wie stark schätzen Sie den VfB Stuttgart ein vor dem direkten Duell?
Da wir auswärts spielen, hat Stuttgart die Favoritenrolle inne. Aber nur minimal. Ich sehe uns aber schon auf Augenhöhe. Wir fahren mit dem nötigen Selbstbewusstsein hin, um dort etwas zu holen. Aber der VfB hat auch nicht umsonst 32 Punkte.
Sie haben lange in der Bundesliga gespielt. Wie ist der Schritt in die zweite Liga?
Es ist definitiv so anspruchsvoll, wie ich es erwartet habe. Aber man muss an die ganze Geschichte auch immer positiv herangehen. Wenn man jedes Wochenende jammert, warum man gegen Aue spielt und nicht gegen Leverkusen oder gegen Heidenheim und nicht gegen Bayern, dann zieht man sich natürlich runter. Ich sehe es positiv: Man sieht mal wieder andere Stadien, man spielt mal wieder gegen andere Gegner. Wenn man am Ende das Ziel erreichen wird, dann war es sicherlich ein cooles Jahr in der zweiten Liga.
Mehr als ein halbes Jahrzehnt VfB, Pokalfinale, Europa-League-Zeiten, große Erfolge: Ragt das Stuttgart-Spiel unter Flutlicht vor 60.000 Zuschauern nicht doch heraus?
Natürlich freuen wir uns drauf. Das liegt jetzt nicht nur an meiner persönlichen Situation. Ganz allgemein wird das ein geiles Spiel. Montagabend gegen Stuttgart, den Tabellenführer und Mitabsteiger - die Konstellation ist definitiv besonders. Natürlich spielen wir jetzt alle hier in der zweiten Liga, um aufzusteigen und wieder 1. Liga zu spielen. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Motivationsprobleme haben wir jedenfalls keine, sonst hätten wir keine 28 Punkte auf dem Konto.
Was war das Besondere beim VfB? Sie waren sechs Jahre da, eine ganz lange Zeit.
In erster Linie war es der Verein, bei dem ich zum Bundesliga-Profi gereift bin. Ich hab davor zwar einige Einsätze bei Werder gehabt, hab dann zweite Bundesliga in Düsseldorf gespielt, aber so richtig als Stammspieler durchgesetzt habe ich mich erst in Stuttgart. Dort habe ich auch meine ersten internationalen Erfahrungen gesammelt. Und bin am Ende auch Vizekapitän gewesen. Es waren viele kleine Schritte, die ich dort getan habe. Auch privat: Ich habe dort geheiratet, wir sind Eltern geworden und haben noch einen Hund dazubekommen. Es gibt also sehr schöne Erinnerungen, die mir bis heute präsent sind.
Was ist so anspruchsvoll an der zweiten Liga?
In erster Linie, dass jeder Gegner uns wehtun will. Wir gehen in fast jedes Spiel als Favorit. Jeder will den Absteiger schlagen und zwar unabhängig davon, welche Rolle wir gerade spielen. Wir haben einige Spieler dabei, die schon viel Erfahrung in der Bundesliga gesammelt haben, womit sich die Gegner messen wollen. Außerdem ist der Spielstil, die Spielweise anders und dementsprechend anspruchsvoll, weil es sehr körperbetont zugeht.
Für wen war der Abstieg schlimmer, für den VfB oder Hannover 96?
Dafür müsste ich das Jahr in Hannover miterlebt haben. Ich bin jetzt erst dazugekommen, als schon wieder Aufbruchsstimmung herrschte. Und die hat es in Stuttgart auch gegeben. Da war auch beim ersten Spiel das Stadion ausverkauft und auch jetzt ist die Unterstützung riesig. Aber die Enttäuschung war natürlich genauso groß am Ende der Saison. Ich denke, das hat beide gleich hart getroffen.
Wie empfinden Sie die aktuelle Stimmung im Umfeld von 96?
Sehr positiv. Natürlich möchte jeder gern Spektakel sehen und dass wir mit 15 Siegen an der Spitze stehen. Aber so einfach ist es nicht. Und ich glaube, das weiß hier auch jeder. Es ist noch nie jemand im Schongang in die erste Liga aufgestiegen. Es wissen schon alle, dass in erster Linie das Ergebnis zählt und erst dann die Art und Weise, wie es dazu gekommen ist. Wir wollen sicher noch mehr Spiele gewinnen, als wir es bisher getan haben, aber wir sind trotzdem da, wo wir uns sehen. Und das ist im Kampf um den Aufstieg.
Die Offensive ist bei 96 gut besetzt. Wie läuft der Konkurrenzkampf?
Das ist eine Charakterfrage. Das ist sicherlich ein wichtiger Baustein bei uns in der Mannschaft, dass wir einen sehr guten Mannschaftscharakter haben. Es ist ein Vorteil, dass sich jeder Spieler nicht sofort angegriffen fühlt, wenn er mal nicht in der Startelf steht, weil wir eben alle ein gemeinsames Ziel verfolgen. Und da ist es am Ende nicht wichtig, wer die meisten Tore geschossen oder die meisten Spiele absolviert hat. Da zählt nur die Mannschaft, die den Gesamterfolg will. Das schweißt zusammen. Wenn man in der Bundesliga spielt und man spielt weder um die Europa League noch gegen den Abstieg, dann geht es mehr um einen persönlich.
Ist Ihre Mannschaft bereits erstligareif?
Man wächst mit seinen Aufgaben. Jetzt in der zweiten Liga sind einfach andere Dinge gefragt als hoffentlich im nächsten Jahr in der 1. Liga. Wir haben einige Spieler im Team, die schon Bundesliga-Erfahrung gesammelt haben und ich hoffe, dass wir die Diskussion um die Erstligareife, und ob der Kader stark genug ist, im nächsten Sommer führen dürfen.
Sie sind jemand, der in der Mixed Zone Tacheles redet. War das schon immer so oder ist das mit den Jahren entstanden?
Das müsste ich mal vergleichen mit den ersten Interviews, die ich gegeben habe. Grundsätzlich ist es ja Quatsch, drum herum zu reden. Alle, die das hier lesen, die haben meistens auch das Spiel gesehen und haben sich auch ihr eigenes Bild gemacht. Denen etwas zu verkaufen, woran man nicht glaubt, finde ich dann nicht authentisch. Ich erzähle sicher nicht alles, was ich denke, aber erzähle auch nichts, wohinter ich nicht stehen würde. Das ist ein Balanceakt.
aufgezeichnet von Christian Rohdenburg und Mats-Yannick Roth


























