Kombinierer Johannes Rydzek könnte in diesem Winter die Wachablösung von Superstar Eric Frenzel schaffen. Hoch hinaus wollte der Hobby-Bergsteiger schon immer.
Vor der Rückreise vom Polarkreis musste Johannes Rydzek noch beim Weihnachtsmann antreten. Mit einem kleinen Problem: "Ich wusste gar nicht, was ich auf den Wunschzettel schreiben soll", klagte der nordische Kombinierer angesichts seines Traumstarts in den WM-Winter. Zwei Rennen, zwei Siege - nicht einmal Olympiasieger Eric Frenzel war jemals ein solcher Blitzstart gelungen.
Tatsächlich scheint Rydzek einer Wachablösung von Superstar Frenzel so nah wie nie. Viermal in Folge gewann der 28 Jahre alte "Kombinierer-König" Frenzel zuletzt den Gesamtweltcup, nun könnte die Zeit von Kronprinz Rydzek (24) gekommen sein. "Er hat dazu gelernt und einfach viel drauf", sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch.
Hoch hinaus wollte Rydzek schon immer. Der Bergfan bestieg einst elf Viertausender innerhalb eines Jahres, als Fernziel sei "der Himalaya ein Muss". Wer die Facebook-Seite des Weltmeisters besucht, wird mit Fotos von Gipfelkreuzen, Bergschluchten und Wasserfällen begrüßt. "Die Berge sind meine Heimat", sagt der Oberstdorfer.
Gegenentwurf zu Frenzel
Rydzek, der Naturbursche, ist dabei eine Art Gegenentwurf zu Frenzel, mit dem er sich blendend versteht. Während der Sachse stets höflich und freundlich ist, aber selten einmal aus sich herausgeht, ist Rydzek Strahlemann und Stimmungskanone zugleich, dabei nie um einen flotten Spruch verlegen. Zumindest in Sachen Außendarstellung taugt er zweifellos eher als Aushängeschild.
Doch bis dahin war es ein langer Weg. Fast drei Jahre lagen zwischen Rydzeks erstem Weltcupsieg, den er 2011 als 19-Jähriger in Lahti feierte, und dem zweiten im Februar 2014 ebenfalls in Lahti. Seitdem geht es auf und ab: Bei der WM 2015 in Falun holte er Gold im Einzel und mit der Staffel, vergangenen Winter aber "nur" einen einzigen Weltcup-Sieg. Diese Zahl hat er schon jetzt übertroffen.
Erinnerungen an Sotschi?
"Johannes hat auf der mentalen Seite dazu gelernt. Wo er sich früher vergraben hat, glaubt er heute an sich", sagt Weinbuch. Unvergessen bleibt das teaminterne Gerangel, das ihm bei Olympia in Sotschi womöglich den größten Erfolg seiner Karriere kostete: In der vorletzten Kurve wurde Rydzek im Kampf um Gold zu Fall gebracht. "Unfallgegner" war Teamkollege Fabian Rießle, statt Edelmetall gab es Platz acht, Frust und Tränen. "Wenn ich da ewig drüber nachdenke, vergeude ich nur unnötig Energie", sagt Rydzek heute.
Um 2018 in Pyeongchang einen neuen Anlauf auf Gold zu starten, arbeitet Rydzek schon jetzt akribisch. Auf der Schanze hat er sich noch einmal verbessert, in der Loipe ist er ohnehin bärenstark: Nach der vergangenen Saison nahm er kurzerhand am Engadin Skimarathon über 42 Kilometer mit fast 8000 Teilnehmern teil. Rydzek hielt sich lange in der Spitzengruppe und belegte am Ende den 18. Platz.
Zu früh freuen sollte sich der Fan des Fußball-Bundesligisten FC Augsburg jedoch nicht - denn so schnell wird sich Eric Frenzel nicht geschlagen geben. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Superstar eher spät in Schwung kommt. Für Spannung ist also weiter gesorgt.