Starker Wellengang hat die Startrampe für die Freiwasser-Schwimmwettbewerbe der Olympischen Spiele an der Copacabana weggespült.
Die aus vier Elementen zusammengesetzte Stahlplattform zerbrach, zwei Teile strandeten unweit der ursprünglichen Stelle, zwei weitere wurden von der Strömung hunderte Meter weit mitgerissen. Während deshalb das Training am Samstag abgesagt wurde, seien die Wettkämpfe am Montag und Dienstag nicht gefährdet, hieß es.
"Das sind Handlungen Gottes und der Natur. Aber darauf sind wir vorbereitet. Wir haben eine zweite Plattform. Und wenn sich das Problem wiederholt, gibt es einen Plan C", sagte Mario Andrada, Kommunikationsdirektor von Rio2016. Der Start der Freiwasserschwimmer erfolgt wenige Meter vom Strand entfernt von einer festgezurrten Plattform auf offenem Meer.
Hoher Wellengang hatte schon vor den Spielen für Aufregung gesorgt. Am 21. April waren Pfeiler eines Küstenradweges von der Brandung weggerissen worden. Die als Olympia-Vermächtnis gepriesene "Ciclovia" stürzte auf mehreren Metern ein, zwei Menschen starben. Wenige Tage vor der Eröffnungsfeier überschwemmte eine Flutwelle Teile der Copacabana.
Schlechte Stimmung im deutschen Lager
Die deutschen Freiwasser-Weltmeister schwimmen am berühmtesten Strand der Welt vor einer Traumkulisse um olympische Medaillen, doch schon vor dem Start an der Copacabana gibt es Krach. Der Bundestrainer und der Mannschaftsarzt durften nicht mitfliegen - Rekordchampion Thomas Lurz schlägt deshalb Alarm. "Das ist unprofessionell", sagte der zwölfmalige Weltmeister: "Es ist gefährlich, es kann sehr hohe Wellen geben, da brauchst du Leute, die sich auskennen."
Wenn am Montag Isabelle Härle und tags drauf Christian Reichert auf den Zehn-Kilometer-Kurs im Schatten des Zuckerhuts gehen, steht den Team-Weltmeistern von 2015 Alexander Beck nicht zur Seite. Der Klinik-Chefarzt aus Würzburg, der die Freiwasserschwimmer seit Jahren zu allen Weltcups begleitet, gehört in Rio de Janeiro nicht zum Olympia-Aufgebot.
"Er ist einer der besten Notfallmediziner weltweit", sagt Lurz, "er hat bei der EM in Berlin einer Schwimmerin das Leben gerettet." Auf der Regattastrecke Grünau hatte die Polin Natalie Charlos vor zwei Jahren kurz vor dem Ziel das Bewusstsein verloren und wurde gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser gezogen. Beck leistete die Notversorgung.
Schwierige Bedingungen
"Bei ihm weiß man, der zieht dich raus, wenn was passiert", sagt Lurz, der im vergangenen Jahr seine Karriere beendet hatte: "Wir hatten schon Todesfälle im Freiwasser - und bei der EM hatten wir mehr Glück als Verstand."
Die Bedingungen auf der Olympiastrecke sind schwierig. In den vergangenen Tagen hatte eine Kaltfront mit starken Winden für mehrere Meter hohe Wellen an der Copacabana gesorgt. Zu Wochenbeginn ist allerdings eine Wetterberuhigung angesagt. Statt des erfahrenen Beck wurde den Freiwasserschwimmern die Ärztin der Wasserspringer zugeteilt. "Das ist aber was anderes als Beckenschwimmen", sagte Lurz.
Dass auch sein Bruder Stefan Lurz, der langjährige Chefcoach der Marathonschwimmer, nicht zum Rio-Aufgebot gehört, ärgert den Olympiazweiten von London zusätzlich: "Der Bundestrainer muss dabei sein. Wir haben jahrelang die Medaillen gewonnen, aber die Wertschätzung fehlt." Vor vier Jahren hatte der Rekordweltmeister als einziger deutscher Schwimmer olympisches Edelmetall geholt.
"Froh, dass meine Heimtrainerin da ist"
Die Lurz-Brüder hatten 2011 auch dafür gesorgt, dass die Beckenschwimmerin Härle das Metier wechselte. Seitdem hat die Essenerin zweimal WM-Gold im Teamwettbewerb und den EM-Titel 2014 über fünf Kilometer gewonnen, in Rio hat sie Medaillenchancen. "Isi würde nie bei Olympia schwimmen, wenn wir beide sie nicht belatschert hätten", sagte Thomas Lurz, "das hat viel Überredungskunst gekostet."
Die 28-Jährige stört es allerdings wenig, dass der Bundestrainer fehlt. "Ich habe mit ihm sowieso nicht so viel zu tun", sagte Härle: "Ich bin froh, dass meine Heimtrainerin da ist." Die Essenerin Nicole Endruschat betreut offiziell die beiden Freiwasserschwimmer. Der Bundestrainer und der Mannschaftsarzt sind ab Montag dennoch an der Copacabana - allerdings als Zuschauer auf eigene Kosten.
