Eine Südamerika-Rundreise mit der Freundin, dann beginnt die Suche nach einem Job: Goldschütze Henri Junghänel hat nach seinem Olympiasieg andere Prioritäten als den Sport. Womöglich wird das auch so bleiben.
Im Moment des größten sportlichen Erfolgs träumte Henri Junghänel von der Zukunft, nur für das Schießen war dabei kein Platz. "Ecuador, Argentinien, dann weiter nach Chile. Am Ende ein kleiner Flug nach Panama", sagte der deutsche Rio-Olympiasieger im Kleinkaliber-Liegendschießen.
Drei Monate will er ab September mit Freundin Julia durch Südamerika touren, sich danach in Berlin um eine Ingenieursstelle bewerben. Der Leistungssport rückt in den Hintergrund. Und das womöglich für immer. "Ich will nicht auf ewig Sportler sein, weil ich damit in Deutschland kein Geld verdienen kann", sagte Junghänel: "Es geht dann darum, ob während des Berufs die Lust noch da ist. Und ob es sich zeitlich noch vereinbaren lässt."
Junghänel ist ein introvertierter, hoch intelligenter und zielstrebiger junger Mann. An der University of Kentucky machte der 28-Jährige seinen Bachelor in Maschinenbau, er trainierte im College-Team, wurde in unmittelbarer Nähe zum Campus gecoacht. "Es gab dort super Trainingsvoraussetzungen. Es war für den Werdegang sehr, sehr hilfreich", sagte Junghänel. Im Juli folgte in Berlin sein Master. Abschlussnote: 1,0. "Es war also rundherum ein sehr erfolgreiches Jahr", sagte er.
Beendet Junghänel seine Karriere, wäre er für den deutschen Spitzensport ein herber Verlust. Denn er ist nicht nur eloquent, sondern vor allem auch ein äußert präziser und erfolgreicher Schütze, mehr noch: ein Olympiasieger.
Für den strukturierten Junghänel, der so konkrete Vorstellungen für die Zukunft hat, war im Finale alles nach Plan gelaufen. 10,8, 10,7, 10,7 - mit einer Serie herausragender Versuche baute er seinen Vorsprung aus und lag klar auf Goldkurs. Vor den letzten beiden Schüssen führte Junghänel 1,1 Punkte vor dem Südkoreaner Kim Jonghyun - und ließ sich Gold nicht mehr nehmen.
Vater Reinhart und Mutter Regina litten auf der Tribüne, und das tat Junghänel durchaus leid. "Mein Vater hat schon vor sechs, sieben Jahren gesagt, dass er nicht mehr zu meinen Wettkämpfen geht, weil er es nicht aushält", sagte er.
Natürlich überwog bei Junghänel, der als Kind auf einem historischen Markt an einer Schießbude seinen Sport für sich entdeckte, bei aller Zurückhaltung in Zukunftsfragen die Freude. Bewegt murmelte er bei der Siegerehrung die Nationalhymne mit, für die Fotografen biss er ins Edelmetall. "Die Medaille schmeckt ein wenig metallisch", konstatierte er, "aber sie fühlt sich ausgezeichnet an. Die ist absolut geil."
Die große Party verschob er auf Sonntagabend nach Abschluss der olympischen Schützen-Wettbewerbe. "Wenn das komplette Schützenteam durch ist, werde ich kräftig einen ausgeben", versprach Junghänel kurz nach der Medaillenzeremonie. In diesem Fall ging sein Plan nicht ganz auf. Denn, so gestand er wenige Stunden später, "ein paar Bier im Deutschen Haus" wollte er sich am Abend im Deutschen Haus vorab gönnen.

