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Stolzer Huck straft seine Kritiker Lügen

Marco Huck ist wieder da - und mit dem IBO-Gürtel zurück im Geschäft
Marco Huck ist wieder da - und mit dem IBO-Gürtel zurück im Geschäft
Foto: © getty, Lars Baron
28. Februar 2016, 20:05

"Styles make fights", sagte Ola Afolabi nach seiner 10-Runden-Schlacht gegen Marco Huck bedröppelt, das linke Auge tischtennisballgroß zugeschwollen - "Sein Stil liegt mir irgendwie nicht."

Dass die Gangart der Ring-Gladiatoren Verlauf und Ausgang eines Duells bestimmt, ist eine alte Binsenweisheit im Boxen. Und doch lag der entthronte IBO-Titelträger damit in seiner Blitzanalyse ziemlich richtig. Zwar war Afolabi dank seines Eisenkinns auch im 30. Profi-Duell ein Besuch auf dem harten Ring-Boden erspart geblieben - mehr als die weiße Niederschlags-Weste war für den 35-Jährigen gegen den kraftvollen Offensiv-Stil Hucks allerdings nicht drin.

Konzentriert und hochmotiviert präsentierte der Lokalmatador sich den 7.000 begeisterten Zuschauern im Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen - 'seinem' Publikum, wie Huck später nicht müde wurde zu betonte. Eine "faustische" Botschaft wollte der 31-Jährige allerdings vor allem den deutschen Box-Experten zukommen lassen, die ihn vergangenen Sommer nach seiner schweren K.o.-Niederlage gegen den Polen Krzysztof Glowacki in New Jersey bereits abgeschrieben hatten.

Denn während die Faustkampf-Gemeinde in Amerika Huck für sein spektakuläres, wenngleich verlorenes US-Debüt feierte, wurde er in der Heimat mit Spott und Häme übergossen. Ohne Trainer-Urgestein Ulli Wegner sei Huck im Ring aufgeschmissen, die Trennung vom langjährigen Promoter ein Fehler, der Schritt zur Selbstvermarktung eine Nummer zu groß - so hallte das Echo auf Hucks K.o. aus dem Blätterwald.

"Harte Arbeit zahlt sich aus"

Den stolzen Huck trafen diese Kommentare ins Mark, doch verstand er es, im Moment der Niederlage die Fehler zuerst bei sich selbst zu suchen und den Schalter entsprechend umzulegen. Ohne Faxen - und weitgehend ohne allzu großmäulige Sprüche - bereitete sich der Ex-Champion im abgeschiedenen Harz auf Teil IV mit dem zähen Afolabi vor. Huck schuftete, um die Kritiker Lügen zu strafen und sich selbst zu beweisen, noch immer zur Weltspitze zu gehören. "Harte Arbeit zahlt sich aus", sagte der frisch gekrönte IBO-Champion nach dem Kampf immer wieder. Noch so eine Binsenweisheit, die zutraf.

Denn Huck hatte im Seilgeviert nicht nur wie ein Berserker geschuftet, sondern auch den Kampfplan von Trainer Varol Vekiloglu "zu 95 Prozent umgesetzt", wie dieser nach seinem siegreichen Debüt als erster Mann in der Ecke lobte. Die fehlenden fünf Prozent zum Maximum dürfte Vekiloglu vor allem auf die erste Kampfeshälfte zurückführen, als sein Schützling doch ein ums andere Mal in unsaubere Muster zurückfiel. Mit ausgestrecktem Arm schob Huck seinen Kontrahenten vor sich her, drückte ihn die Seile und hämmerte mit wilden Heumachern auf Afolabi ein, von denen nicht wenige ihr Ziel verfehlten.

Klare Aktionen statt Harakiri

Aber zwischen den ungestümen Attacken überzeugte Huck eben auch immer wieder mit klaren Aktionen. Mit knackigen Schlagkombinationen zum Körper nahm er 'Kryptonite' schon früh viel Wind aus den Segeln, während es dem Titelverteidiger - von einigen tückischen Führhänden abgesehen - nicht gelang, Hucks Deckung zu durchbrechen. Und dann war da ja noch dieser Schlag in der dritten Runde, von dem Afolabi nach dem Kampf auf der Pressekonferenz erzählte. "Marco hat mich mit seiner Rechten einfach erwischt. Danach war mein Auge zu", beschrieb der einstige Sparringspartner der Klitschko-Brüder die Schlüssel-Szene des Gefechts.

Huck schlug auf Anweisung seiner Ecke Kapital aus der Verletzung des Gegenübers. Immer wieder traktierte er Afolabis linkes Auge - so lange, bis der Ringrichter den mutigen Engländer vor sich selbst schützte und aus dem Kampf nahm. Verübeln kann Huck die Augen-Kloppe niemand. Wer im Ring Gnade erwartet, ist beim Faustkampf fehl am Platze.

Schläge wie aus dem Lehrbuch

Den besten Huck sahen die Zuschauer indes in den letzten vier Runden. Nachdem sich Afolabi in Runde 7 bei einem unabsichtlichen Kopfstoß über seinem geschwollenen Auge auch noch einen Cut zugezogen hatte, roch der Herausforderer Lunte. Das Erstaunliche: Huck stürmte nicht wie ein wilder Stier auf seinen Rivalen zu. Stattdessen legte er sich wie ein Raubtier auf die Pirsch, um im richtigen Moment zum Angriff überzugehen.

Den Anweisungen Vekiloglus folgend, schlug der ehemalige Kickboxer auf einmal eine gestochen scharfe Führhand, mit der er die richtige Distanz fand, um blitzschnelle und präzise Hände ins Ziel zu bringen. Der linke Haken und die rechte Gerade trafen in den Runden 7 bis 10 teilweise wie aus dem Lehrbuch. Dass Afolabi nicht fiel, lag einzig an dessen "Betonschädel" (Huck) - Kratzer im Ehrgefühl des gebürtigen Serben wird der ausgebliebene K.o. jedoch kaum hinterlassen haben.

"Ich will den Rückkampf gegen Glowacki"

Bei Huck und Vekiloglu dürfte sich vielmehr tiefe Genugtuung breitmachen. Schließlich hatten nicht wenige Beobachter die plötzliche Beförderung des Trainer-Greenhorns zum Chefcoach nur zehn Tage vor dem Kampf äußerst skeptisch beäugt. In Halle gewann man dann aber den Eindruck, als brauche Huck gar keinen "Diktator" in der Ecke, wie Ex-Coach Wegner zuvor im Interview mit der "Welt" noch geunkt hatte. Mit seiner unaufgeregten und sachlichen Art scheint der frühere Profi Vekiloglu den eigenwilligen Huck tatsächlich am besten zu erreichen, auch wenn das Gespann diese These durch weitere erfolgreiche Ring-Auftritte noch bestätigen muss.

Mit dem Sieg gegen Afolabi sicherte sich Huck zwar lediglich den Gürtel des eher unbedeutenden IBO-Verbandes. Dennoch stehen dem Deutschen in der Gewichtsklasse bis 90,72 Kilogramm wieder alle Türen offen, wobei es einen klaren Wunschgegner gibt. "Ich will den Rückkampf gegen Glowacki", betonte Huck noch in der Nacht seiner erfolgreichen Rückkehr in den Ring. Boxt er gegen den Polen ähnlich stark wie über weite Strecken in Halle, hat Huck gute Chancen, sich die weitaus prestigeträchtigeren WBO-Krone wieder aufs Haupt zu setzen. Keine schlechten Aussichten für einen, der sich bereits die ersten Noten eines sportlichen Requiems anhören musste.

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