Antje Döll spielt als DHB-Kapitänin mit 37 Jahren das Turnier ihres Lebens und wird als MVP ausgezeichnet. Dabei stand sie im Sommer urplötzlich ohne Verein da.
Antje Döll genoss die Siegerehrung ganz besonders. Sichtlich gerührt nahm die Kapitänin von Deutschlands Handballerinnen die Silbermedaille entgegen. Als wäre all das nicht genug, wurde die Linksaußen nach dem so knapp verlorenen Finale gegen Norwegen (20:23) neben Emily Vogel auch noch in das Allstar-Team der WM berufen. So etwas hatte Döll in ihrer langen Karriere noch nicht erlebt.
Mit 37 Jahren spielte Döll das Turnier ihres Lebens. Mit 49 Toren in neun Partien und einer überragenden Quote von rund 88 Prozent war die Rechtshänderin eine der Erfolgsgarantinnen auf dem Weg zur ersten deutschen WM-Medaille seit 18 Jahren. Dabei stand Döll noch im Sommer ohne Verein da.
Beim Gedanken an ihre Achterbahnfahrt von der Handball-Hölle in den Handball-Himmel schossen Döll sofort die Tränen in die Augen. "Ich habe es schon zu meinen Mitspielerinnen aus ehemals Ludwigsburg gesagt: Nach dem ganzen Scheiß, der im Sommer passiert ist, haben wir uns einfach verdient, eine Medaille zu holen", sagte die Anführerin der DHB-Frauen. Dann brach ihre Stimme.
Erstes Turnier als Kapitänin
Auch Monate nach der Insolvenz von Ligaprimus HB Ludwigsburg, dessen Absturz den ganzen Frauenhandball erschütterte und in ein schlechtes Licht rückte, geht es Döll brutal nahe, über diese schwierige Zeit zu sprechen. Doch die Linksaußen hat es geschafft, die Katastrophe des Spätsommers gemeinsam mit dem DHB-Team in eine Erfolgsstory umzuschreiben. "Ich bin umso glücklicher, dass es jetzt geklappt hat", sagte Döll nach dem Sensationssieg im Halbfinale gegen Frankreich (29:23).
Die Rechtshänderin von der Sport-Union Neckarsulm hatte im denkwürdigen Halbfinale nicht nur qua Amt ihre Mannschaft angeführt, sondern war mit neun Treffern einmal mehr vorangegangen. Mit 37 Jahren blüht Döll in ihrem ersten Turnier als Kapitänin so richtig auf. Als Anführerin. Aber, und vor allem, als Leistungsträgerin.
"Sie hatte ein schweres Jahr mit der Umstrukturierung, einem neuen Verein, auf einmal ein neues Setting. Die Rolle als Kapitänin bei einer Heim-WM trägt sie unfassbar gut. Es ist einfach eine Frau, die im Leben steht, die gestanden ist, die von jeder Spielerin maximal akzeptiert wird", schwärmt Bundestrainer Markus Gaugisch und bezeichnet Döll als "Vorbild" in ihrer "Art und Weise. Trainingsfleißig, begeisterungsfähig, trotzdem teamfähig. Das ist eine tolle Sache."
Noch kein Gedanken an Karriereende
Döll steht dabei sinnbildlich für den absoluten Willen im deutschen Team. Nie aufzugeben, ist Teil ihrer DNA. In ihrer Juniorinnen-Zeit, Döll war damals noch Kreisläuferin, war eine Nationalmannschaftskarriere vonseiten der Trainer praktisch ausgeschlossen worden. Doch Döll wagte einen kompletten Neustart, schulte in einem kniffligen Prozess mit Sonderschichten und ganz viel Ehrgeiz auf die Außenposition um - und debütierte wenige Jahre später als 28-Jährige tatsächlich im A-Nationalteam.
Seitdem ist Döll, die neben dem Handball als Kriminaloberkommissarin bei der Polizei Ludwigsburg arbeitet, aus dem DHB-Team nicht mehr wegzudenken. Sie machte diverse Tiefschläge mit und ist nun ein Gesicht des deutschen Höhenflugs.
Auch nach der WM? Nicht unwahrscheinlich, dass Dauerbrennerin Döll der Sinn noch lange nicht nach Ruhe steht. "Das weiß ich tatsächlich noch nicht", sagte sie. "Es macht mir wahnsinnig viel Spaß. Der Körper ist gut, er fühlt sich gut an. Wenn die Leistung stimmt und der Bundestrainer sagt, er möchte mich dabei haben, dann bin ich dabei."





