Nachdem die Indianapolis Colts vor wenigen Wochen noch das Überraschungsteam der Saison und drauf und dran waren, erstmals seit langer Zeit wieder die AFC South zu gewinnen, hat die schwere Verletzung von Quarterback Daniel Jones nun alles auf den Kopf gestellt. Doch wie geht es jetzt weiter?
Die NFL ist ein extrem schnelllebiges Geschäft. Den jüngsten Beweis dafür erbrachten unfreiwillig die Indianapolis Colts. Sie waren mit 7-1 in die Saison gestartet und sahen eigentlich schon wie der sichere Sieger der schwachen AFC South aus. Jene Division hatte Indy zuletzt in der Saison 2014 mit Quarterback Andrew Luck gewonnen.
Dies sollte jedoch auf lange Zeit die mit Abstand beste Saison des Teams aus Indiana bleiben - damals hingen sie das für viele Memes missbrauchte "AFC Finalist"-Banner unters Dach im Lucas Oil Stadium, nachdem sie von den New England Patriots im AFC Championship Game mit 7:45 überrollt worden waren. Seither reichte es nur noch für zwei Playoff-Teilnahmen 2018 und 2020, jeweils als Wild Card unter dem damaligen Head Coach Frank Reich.
2018 war zudem die letzte Saison von Luck in der NFL. Ein Jahr später - wenige Wochen vor Saisonstart 2019 -, hing Luck nämlich seine Hufe (get it?) an den Nagel und trat damit ein schier nie enden wollendes Quarterback-Karussell los. Seit jener Saison hatten die Colts in jedem Jahr einen neuen Starting Quarterback, der jedoch zumeist ein abgehalfterter einstiger Star war, der seinen Zenit schon überschritten hatte.
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Colts: Viele Quarterbacks, kaum Erfolg
Erst 2023 änderte sich dies, als man mit dem vierten Pick insgesamt Anthony Richardson im Draft zog. Aufgrund einer schweren Verletzung musste dann aber doch größtenteils Wandervogel Gardner Minshew ran. 2024 verpasste Richardson ebenfalls mehrere Wochen, in denen dann Joe Flacco einsprang. Das Ergebnis war jedoch nahezu immer gleich: es reichte nicht für größere Erfolge.
Mit Daniel Jones schien man aber in diesem Jahr endlich das große Los gezogen zu haben. Der in New York gescheiterte einstige Erstrundenpick spielte groß auf und ließ die Colts wieder träumen. Von einem Division-Titel und vielleicht sogar mal wieder einem längeren Playoff-Run. 7-1 war eine Ansage, ebenso die Leistungen von Jones, der eine der effizientesten Offenses der NFL anführte.
Doch die Formkurve von Jones und den Colts begann rund um das Berlin-Spiel Anfang November etwas abzuflachen. In Woche 9 schon kassierte man eine bittere Niederlage in Pittsburgh. Die Falcons wurden im Olympiastadion jedoch besiegt, sodass Hoffnung bestand, dass dies nur ein Ausrutscher war. Es folgte die Bye Week und eine verhängnisvolle Niederlage in Kansas City in Woche 12.
Verhängnisvoll deshalb, weil später bekannt wurde, dass sich Jones eine Fraktur des Wadenbeins zugezogen hatte. Er spielte dennoch weiter und es hieß, dass er die Verletzung am linken Unterschenkel nicht verschlimmern könne. Per 3D-Druck erhielt Jones sogar spezielle Protektoren für seine Wade von drei ehemaligen College-Kumpels von Duke.

Colts: Tiefpunkt in Jacksonville
Doch auch mit diesem zusätzlichen Schutz merkte man ihm an, dass ihn die Verletzung behinderte. Es folgte eine Niederlage gegen die Houston Texans und schließlich der Tiefpunkt am vergangenen Sonntag in Jacksonville: Jones riss sich ohne Gegnerkontakt die Achillessehne im rechten Bein und wird für den Rest der Saison und darüber hinaus monatelang ausfallen.
Wie aus dem Nichts haben sich damit die Vorzeichen für die nahe Zukunft der Colts gewaltig verändert. Nicht nur sind die Playoff-Chancen der Colts nach der nunmehr dritten Niederlage in Serie deutlich gesunken und liegen laut "Next Gen Stats" nur noch bei 32 Prozent, sie blicken nun auch auf eine erneut ungewisse Zukunft.
Unmittelbar stellt sich für Indy erstmal die Frage, wer am kommenden Sonntag beim Gastspiel in Seattle starten wird. Laut Head Coach Shane Steichen plagt sich Backup Riley Leonard mit Knieproblemen herum und sein Status ist unklar. Steichen "hofft", dass Leonard, der schon gegen die Jaguars eingesprungen war, spielten kann. Sonderlich zuversichtlich wirkte Steichen am Montag aber noch nicht: "Wir werden sehen."
Daraufhin platzte am Montagabend eine Bombe: Philip Rivers, der zuletzt 2020 in der NFL spielte und Indy in die Playoffs führte, sollte zu einem Probetraining eingeflogen werden. Am Dienstag war klar: der 44-Jährige, dessen älteste Tochter ein paar Monate älter ist als Leonard (22), schließt sich der Practice Squad des Teams an! Es heißt, sein Arm ist immer noch in einem guten Zustand. Was mit dem Rest seines Körpers ist, erfahren die Colts dann ab Mittwoch im Training.
Rivers keine völlig absurde Idee
So absurd diese Idee auch klingen mag, ist sie gar nicht mal so weit hergeholt. Rivers kennt Head Coach Shane Steichen schon seit seiner Chargers-Zeit. Er spielt das System, das Steichen in Indy nutzt, seit jeher und coacht es auch seit 2021 an der High School seines Sohnes. Mehr noch: Rivers und Steichen sind befreundet und tauschen sich offenbar mehrmals die Woche über Football aus, wie diverse Medien berichteten.
Der physische Aspekt ist die eine Sache, doch mental und vom Spielverständnis her dürfte Rivers einen klaren Vorteil gegenüber den anderen auf dem Markt verfügbaren Quarterbacks haben: er gehört zu der eigentlich schon ausgestorbenen Art von Quarterbacks, die tatsächlich an der Line of Scrimmage und vor dem Snap gewinnen können. Er wäre buchstäblich ein Coach auf dem Feld.
Abgesehen vom kurzfristigen Ausblick stellt sich für die Colts aber nun auch die Frage, ob man womöglich zu viel riskiert hat mit den jüngsten folgenschweren Entscheidungen. Sie haben zur Trade Deadline Star-Cornerback Sauce Gardner - derzeit auch verletzt - von den New York Jets für seine zwei nächsten Erstrundenpicks eingetauscht. Nicht nur war das ein stolzer Preis für einen Spieler, der überdies schon in seinem zweiten Vertrag ist. Es war auch ein Move, der sie im Grunde auf Quarterback für die kommenden Jahre festgesetzt hat. Die klare Erwartung war offenbar, dass man sich im Frühjahr mit Jones auf einen ebenfalls hochdotierten Vertrag einigen würde, um ihn langfristig an die Colts zu binden.
| Woche | Datum | Gegner |
|---|---|---|
| 15 | 14.12.2025 | @ Seattle Seahawks |
| 16 | 22.12.2025 | vs. San Francisco 49ers |
| 17 | 28.12.2025 | vs. Jacksonville Jaguars |
| 18 | 03./04.01.2026 | @ Houston Texans |
Jones: Verzögert sich neuer Deal durch Verletzung?
Die schwere Verletzung jetzt wirft zumindest die Frage auf, ob eine langfristige Vertragsverlängerung damit nicht zumindest kritisch beäugt werden sollte. Jones hat seine klar beste NFL-Saison gespielt. Aber es war eben auch seine erste wirklich gute Saison nach zuvor sechs äußerst überschaubaren Jahren in New York. Wer garantiert also, dass dies nun die finale, die echte Version dieses Quarterbacks und nicht nur ein Sturm im Wasserglas war? Und jetzt ist Jones auch noch schwer verletzt und es besteht die Chance, dass er mindestens mal den Saisonstart 2026 verpasst.
Nicht ausgeschlossen, dass die Colts daher erstmal vorsichtig werden und ihn zunächst mal nur per Franchise Tag halten würden. Mit einem voraussichtlichen Preis von etwas mehr als 40 Millionen Dollar für Quarterbacks wäre dies ohnehin die wohl günstigere Variante im Vergleich zu einem langfristigen Vertrag, der durchschnittlich sicherlich noch um einiges teurer ausfallen würde.
Dass man an Jones festhalten wird, erscheint derweil sehr sicher. Damit reden wir dann eher darüber, was die Colts tun werden, um für einen möglichen verspäteten Saisonstart vorzubauen. Viel wird davon abhängen, wie sich Leonard in den letzten Spielen dieser Saison präsentiert. Überzeugt er, ist das die Antwort. Wenn nicht, wird man sich einen besseren Backup suchen müssen, der im Zweifel auch der Starter zum Saisonstart 2026 sein kann. Könnte das womöglich auch Rivers sein?
Anthony Richardson wiederum wird es wohl nicht sein. Er steht weiterhin auf der Injured Reserve List und wird laut Steichen in diesem Jahr auch nicht mehr aktiviert werden. Gerüchten zufolge stehen die Zeichen nach der Saison dann ohnehin auf Trennung.
Gut möglich also, dass auch 2026 die Serie von bislang nunmehr acht Jahren am Stück mit einem neuen Opening-Day-Starting-Quarterback weitergehen wird. Es besteht aber die Hoffnung, dass Jones derjenige ist, der sie irgendwann beenden wird.





































