Woche 14 der NFL liegt größtenteils hinter uns und die Buffalo Bills können vor dem wohl wichtigsten Spiel der Saison in der AFC East kurz durchatmen. Den Ravens scheint derweil die Luft auszugehen und die Packers haben ein Ausrufezeichen gesetzt.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg nennt an jedem Montag seine Erkenntnisse der NFL-Woche.
Bills retten ihre Saison
Laufen die Buffalo Bills zur rechten Zeit heiß? Sie haben durch ihren beeindruckenden Kampfsieg über die Cincinnati Bengals im Schneegestöber erstmals seit Anfang November wieder zwei Spiele am Stück gewonnen und gehen somit mit Rückenwind ins wohl vorentscheidende Spiel um die AFC East bei den New England Patriots in Woche 15 (19 Uhr live bei RTL).
Was sie dabei auszeichnete, waren vor allem Nehmerqualitäten. Sie liefen fast das ganze Spiel über hinterher. Das von Joe Burrow angeführte Cincinnati erzielte Touchdowns in seinen ersten drei Drives und führte zur Pause 21:11. Und als Burrow Mike Gesicki Mitte des vierten Viertels für einen 12-Yard-Touchdown fand, schien die Messe mit 28:18 schon fast gelesen. Die Bengals-Offense war einfach nicht zu halten.
Doch dann folgte eine verrückte Sequenz, in der Burrow nicht nur einen, sondern gleich zwei Picks in aufeinanderfolgenden Plays warf. Es waren seine ersten beiden Interceptions überhaupt in dieser Saison. Die erste, ein zu tief geworfener Screen, landete in den ausgestreckten Armen von Cornerback Christian Benford, der schon in Woche 13 der Held war – mit zwei Takeaways und einem Touchdown. Benford machte daraus einen Pick-Six und brachte Buffalo erstmals in Front. Kurz darauf wurde ein Pass von Burrow an der Line abgefälscht und landete in den Armen von Edge Rusher A.J. Epenesa. Es folgte ein weiterer Touchdown zur Entscheidung. Vor allem dem hatte Josh Allen sein Team mit einem 40-Yard-Touchdown-Run überhaupt wieder ins Spiel gebracht.
Was die Bills derzeit machen, ist nicht unbedingt ansehnlich und wirkt nicht unbedingt rund. Das Run Game schwächelte nun ein wenig, und James Cook hatte gleich zwei Fumbles an der Goal Line – einer führte zum Touchback. Doch wenn Allen nun wieder in MVP-Form agiert – er hielt sein Team über das gesamte Spiel in Reichweite, während die eigene Defense kaum Antworten für Burrow und Co. hatte – und die Leistungsträger der Defense in den wichtigen Momenten eben doch Plays machen, dann kann dieses Team weit kommen.
Sie liegen derzeit zwei Spiele hinter New England in der AFC East und haben bereits das erste Duell mit den Patriots verloren, sodass die Division womöglich außer Reichweite ist – mit dem leichten Restprogramm des Kontrahenten obendrauf. Doch die Playoffs sind nun sehr wahrscheinlich (95 Prozent Chance laut "NGS"), und in dieser Form und einer weit offenen AFC wäre dann so einiges möglich.
Ravens-Aufholjagd schon vorbei?
Aaron Rodgers legte beim 27:22-Erfolg über die Baltimore Ravens in Maryland sein wohl bestes Spiel für die Steelers seit Woche 6 gegen die Browns hin. Mehr noch: Er warf erstmals seit Mitte Oktober (!) wieder einen Deep Ball – sogar mehrere in Richtung DK Metcalf, die auch ankamen – und erzielte erstmals seit drei Jahren wieder einen Rushing Touchdown. Laut "PFF" hatte er insgesamt sogar fünf Big-Time-Throws und kein Play, das zu einem Turnover hätte führen müssen. Einen BTT hatte er übrigens seit Woche 8 gegen die Packers nicht mehr!
Doch nein, dies wird keine Lobhudelei für einen 42-Jährigen. Dies ist eine Generalkritik am Gegner, der das zugelassen hat! Die Ravens, die zwar zwischenzeitlich fünf Spiele am Stück gewannen, haben nun ihre vergangenen zwei Spiele verloren und wieder alle möglichen Defizite an den Tag gelegt. Sicher hatten sie in diesem Spiel mehr als sieben Minuten länger den Ball, erzielten über 100 Yards mehr und kamen auf 217 Rushing Yards (Steelers: 34). Doch all das war am Ende nichts wert, weil man in den entscheidenden Momenten versagt hat.
Die Ravens waren 2/6 in der Red Zone und begnügten sich einfach viel zu oft mit Field Goals. John Harbaugh spielte ultrakonservativ und kostete seinem Team damit sicherlich auch die Chance, das Spiel zu gewinnen. Das galt auch für die Entscheidung, nach dem Touchdown im dritten Viertel den Extrapunkt zu nehmen und nicht etwa auf zwei Punkte zu gehen, um auf drei zu verkürzen – in einem ohnehin schwierigen Spiel. Die zwei Field Goals im vierten Viertel kamen bei 4th&4 und 4th&8 in der Red Zone. Das bei 4th&8 geht in Ordnung, das davor an der 10-Yard-Linie? Nein! Nicht beim Stand von 16:27.
Wenn man Lamar Jackson, der in diesem Spiel endlich auch wieder seine Beine nutzte, um Plays zu machen, als Quarterback hat, darf man in der Red Zone ruhig aggressiver, mutiger sein.
Kein Druck auf Rodgers
Erschwerend kam hinzu, dass die Offensive Line in Sachen Pass Protection relativ löchrig war und Jackson zweimal zur Unzeit – einmal am Ende des Spiels – per Sack zu Boden ging. Insgesamt sah er 17 Pressures. Das weitaus größere Problem war jedoch, dass die eigene Defense nach besseren Vorstellungen in jüngerer Vergangenheit keinen einzigen Sack gegen Rodgers schaffte (12 Pressures). Und da man kaum für Druck sorgte, hatte Rodgers keine große Mühe, den Ball wie üblich schnell loszuwerden.
Besonders schwach war indes die Coverage, gerade in Man. Metcalf zerstörte diese im Alleingang und machte aus sieben Targets drei Receptions für 87 Yards. Die Ravens versagten also defensiv auf allen Ebenen, während sie offensiv mutlos agierten. So gewinnt man kein enges Duell in der AFC North. Letzteres ist für sie mittlerweile ein roter Faden, denn in der eigenen Division sind die eigentlich favorisierten Ravens nun 2-2, in der AFC 4-5. Ihre Playoff-Chancen liegen bei 6-7 nun nur noch bei 34 Prozent laut "Next Gen Stats". Das hatte man sich nach dem frustrierenden Playoff-Aus im Vorjahr anders vorgestellt.
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Packers landen Big Point im Norden
Nach fünf Siegen am Stück ist der Höhenflug der Chicago Bears erst einmal gestoppt. Allerdings zeigten sie auch in Green Bay, dass sie zu Recht so weit oben in der NFC North stehen. Dennoch waren es die Packers, die hier das große Ausrufezeichen setzten. Sie gewannen diesen Shootout mit einer Offense, die kaum zu halten war, als es wirklich zählte.
Die Packers-Offense spielte zeitweise wie aus einem Guss, und Jordan Love erinnerte vor allem mit seinem 45-Yard-Touchdown-Pass auf Bo Melton an Aaron Rodgers’ beste Zeiten. Es war nicht ganz ein Hail Mary, doch es kam schon sehr nah heran. Der Ball flog laut "Next Gen Stats" 55,1 Air Yards, und Melton besorgte den Rest. Überdies zeigte sich mal wieder, wie vielseitig und unberechenbar das Receiving Corps der Packers ist.
Jayden Reed kam nach längerer Verletzungspause zurück und fing mit vier Pässen direkt wieder mit die meisten seines Teams. Er kam auf 31 Yards. Christian Watson spielte – wie schon in den vergangenen Wochen – die Hauptrolle, hatte aber ebenfalls nur vier Targets und Receptions für 89 Yards und zwei Touchdowns. Insgesamt warf Love Pässe auf zehn verschiedene Receiver, acht davon fingen mindestens einen Pass.
Zudem funktionierte das Run Game, und Josh Jacobs lief für 86 Yards und einen Touchdown - den zum Sieg, versteht sich.
Bemerkenswert war auch, dass die Defense – an einem Tag, an dem der Pass Rush kaum Zugriff auf den Quarterback hatte (1 Sack, 1 QB-Hit) – am Ende doch den Schlusspunkt setzte. Cornerback Keisean Nixon war es, der die Interception in der Endzone zur Entscheidung fing. Hier spielte allerdings auch Glück mit, da ein anderer Receiver völlig offen in der Endzone stand, als Williams den verhängnisvollen Pass in Richtung Cole Kmet geworfen hatte.
Am Ende stehen die Packers nun wieder da, wo sie am Saisonende seit 2021 nicht mehr standen, nämlich auf Rang eins der NFC North.
Bleibt das so? Das Restprogramm ist zumindest kein einfaches: Es stehen noch drei Auswärtsspiele in Denver, Chicago und Minnesota an sowie ein Heimspiel gegen die Ravens in Woche 17. Doch mit einer Offense in dieser Form scheint vieles möglich.
May the real George Pickens please stand up
Es dauerte bis Woche 14, aber dann durften wir doch wieder das Leo-DiCaprio-Meme aus "Once Upon a Time ... in Hollywood" rausholen, in dem er erstaunt auf den Bildschirm zeigt. Ja, da ist er wieder! Der George Pickens, den wir alle aus Pittsburgh kennen. Der, der nur bedingt Bock auf seinen Job hat und bei einem relativ wichtigen Deep Ball von Dak Prescott einfach ein paar Yards zu früh die Route abgebrochen und das Play abgeschenkt hat.
Als er dafür - heftig - von TV-Experte Richard Sherman bei "Prime Video" kritisiert wurde, sendete er eine erboste Antwort via Insta-Story, die er später dann doch wieder löschte. Sherman sprach davon, dass die große Story des Spiels, das die Detroit Lions gegen die Dallas Cowboys 44:30 gewannen, der Fakt gewesen sei, dass Pickens "uninteressiert am Footballspielen" wirkte. Er sei "losgelöst" vom Spiel gewesen, er sei "verschwunden" und habe nicht alles gegeben. Das, so schlussfolgerte der frühere Star-Cornerback, sei "inakzeptabel" gewesen.
Pickens' Antwort in der Insta-Story begann mit dem Hinweis, dass dies ja ein Teamsport sei und er nun mal nicht der einzige Spieler des Teams sei. Er verwies auf die gute Coverage der Lions als Erklärung für seinen schwachen Abend (5 REC, 37 YDS, 9 TGTS), beleidigte dann aber Sherman als "Pussy Ass Sherman" und sprach diesem seine spielerische Klasse ab.
Am Folgetag darauf angesprochen, sagte Head Coach Brian Schottenheimer: "Ich weiß, was angeblich veröffentlicht wurde. Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen. Soweit ich weiß, wurde es wieder entfernt, aber ich werde mit ihm sprechen, nur um nach ihm zu sehen. Das sind leider Dinge, mit denen wir in diesem Beruf zu tun haben. Ich habe also noch nicht mit ihm gesprochen - aber das werde ich."
Flournoy-Show ist am Ende zu wenig
Zu allem Überfluss verletzte sich im Spiel auch noch CeeDee Lamb nach starker Vorstellung bis dahin - er brachte es auf 121 Yards (6 REC) -, was dazu führte, dass Prescott von da an hauptsächlich in die Richtung eines Rollenspielers schaute: Ryan Flournoy machte ein Monsterspiel und fing neun Pässe für 115 Yards und einen Touchdown.
Es half nicht, das Spiel noch zu drehen und damit die eigenen Playoff-Chancen am Leben zu halten – laut "Next Gen Stats" liegen diese nun nur noch bei mageren 8 Prozent. Doch warf das Spiel neue Fragen auf. Nicht unbedingt nach der Defense. Diese steigerte sich in den vergangenen Wochen, hat aber weiterhin, wenig überraschend, gravierende Lücken, die man gegen die Lions deutlich sah. Doch was wird nun aus Pickens?
Man wird ihn sicherlich halten, aber gibt man ihm nun auch einen langfristigen, hoch dotierten neuen Vertrag? Bislang war er wohl Dallas' bester Receiver und einer der besten der Liga. Doch das Lions-Spiel war ein Reminder, was bei Pickens eben auch immer möglich ist. Darum haben ihn die Steelers bereitwillig getradet. Die Cowboys müssen sich nun die Frage stellen, ob das nur ein einmaliger Rückfall war oder dies eine stete Gefahr bleibt. Denn dann wäre ein Deal zum Marktwert - sicherlich irgendwas zwischen 30 und 40 Millionen Dollar im Schnitt für mindestens drei Jahre - ein sehr großes Risiko.
Entsprechend wäre es keine Überraschung, wenn sich die Cowboys im anstehenden Frühjahr erst einmal nur mit dem Franchise Tag, der für Wide Receiver voraussichtlich rund 24 Millionen Dollar kosten wird, begnügen würden. Das gäbe ihnen ein weiteres Jahr, um diesen Spieler mit schwierigem Charakter genauer zu beäugen, ehe man sich langfristig bindet - wenn man nach der jüngsten Vorstellung vielleicht doch Zweifel haben sollte.




































