Am Donnerstag ist Thanksgiving. In der NFL wird dieser amerikanischste aller Feiertage immer im großen Stil gefeiert. Eine Tradition an diesem Tag ist auch immer um den Tisch zu gehen und zu sagen, wofür man in diesem Jahr dankbar ist. Und da gibt es einiges mit Blick auf die NFL.
Die NFL-Saison 2025 ist bislang absolut unberechenbar mit vielen Überraschungen und einigen Enttäuschungen. Für den echten Fan des Spiels jedoch ist einiges geboten. sport.de-Redakteur Marcus Blumberg nimmt den anstehenden Thanksgiving Day zum Anlass, zu erklären, wofür er in dieser Saison besonders dankbar ist.
Thanksgiving 2025
Eine ultraspannende Saison
Wir sprechen in der NFL immer gerne über die "Competitive Balance" durch Salary Cap und den Draft. Meist jedoch ist das nur oberflächlich der Fall und die Favoriten setzen sich am Ende ja doch immer durch. In diesem Jahr jedoch scheint das nicht unbedingt der Fall zu sein. In diesem Jahr scheint wirklich jeder jeden schlagen zu können.
Sportwetter dürften bereits gemerkt haben, dass es sich in diesem Jahr nicht unbedingt lohnt, zu wetten. Zu unberechenbar sind die Spiele. Kein Team ist noch ungeschlagen, keines ist sieglos. Die New York Giants etwa haben mit den Eagles und Chargers schon zwei mögliche Playoff-Teams geschlagen - es waren ihre einzigen Siege in dieser Saison!
Die Cleveland Browns, die mitunter katastrophal aussahen in diesem Jahr, haben die Packers kurz vor Schluss bezwungen und auf der anderen Seite haben einstige Super-Bowl-Favoriten wie die Ravens und Chiefs schon jeweils fünf Spiele verloren. Allesamt sind dies Dinge, die sicherlich kaum jemand auf dem Zettel hatte.
Doch damit nicht genug - Teams, die in den vergangenen Jahren nur rumgedümpelt haben, spielen richtig gute Saisons. Allen voran sind hier die Indianapolis Colts zu nennen, die auch noch mit dem längst abgeschriebenen Quarterback Daniel Jones ihre beste Saison seit wahrscheinlich 2014 spielen, als sie letztmals die AFC South gewannen. Die Denver Broncos wiederum sind drauf und dran, erstmals seit 2015 wieder die AFC West zu gewinnen.
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Es ist wahrlich eine unglaubliche, unberechenbare und sehr spannende Saison, zumal noch einige Divisions kurz vor Thanksgiving völlig offen sind. Ein spannender Schlussspurt und hochklassige Playoffs sind da fast vorprogrammiert.
Konkurrenzfähige Bears
Eine der spannendsten Divisions in diesem Jahr ist die NFC North. Die Green Bay Packers sind dort wieder oben dran, ebenso die zuletzt richtig groß aufspielenden Detroit Lions - Bonusfakt: diese beiden Spielen an Thanksgiving um 19 Uhr gegeneinander, ein Umstand, für den ich auch sehr dankbar bin (ab 18:30 Uhr live bei NITRO). Doch, dass die Chicago Bears ebenfalls zu diesem Zeitpunkt der Saison noch oben mitspielen, ist auch für einen neutralen Fan ein Grund zur Freude - auch wenn man das in Wisconsin vermutlich anders sieht.
Vor Jahresfrist noch traten die Bears an Thanksgiving bei den Lions im Ford Field an und unterlagen letztlich 20:23, damit also denkbar knapp. Das besondere Vorkommnis in diesem Spiel? Das katastrophale Clock Management vom damaligen Head Coach Matt Eberflus, der genauso wie sein Quarterback Caleb Williams offenbar nicht fähig war, eine längst überfällige Timeout zu nehmen, wodurch dem Team am Ende die Zeit ausging, doch nochmal wenigstens das Spiel auszugleichen.
Nach dem Spiel stand Chicago bei 4-8 und die Saison war gelaufen. Die Bears zogen dann noch am Tag danach die Reißleine und entließen Eberflus, der mittlerweile der Defensive Coordinator der Dallas Cowboys ist - jene Spielen ebenfalls an Thanksgiving gegen die Chiefs (ab 22 Uhr live bei NITRO). Für Eberflus war jedenfalls Schluss und der Weg war frei für Ben Johnson, der seinerzeit noch Offensive Coordinator der Lions war und an diesem Ergebnis direkten Einfluss hatte.
Ein Jahr später ist Johnson nun der Head Coach in Chicago und hat es geschafft, die Chaostruppe der Bears in eine lange nicht dagewesene Position zu führen. Williams ist zwar immer noch nicht auf ganz hohem Niveau unterwegs, doch die Bears-Offense wirkt recht kompetent. Ein Satz, der so schon länger nicht mehr gefallen ist, schon gar nicht von meiner Wenigkeit!
Und natürlich muss man hier die Kirche im Dorf lassen, denn die Bears (8-3) stehen vermutlich besser da als sie sollten, wenn man sich ihre Punktedifferenz anschaut, die immer noch im negativen Bereich (-3) liegt. Doch eine klar positive Bilanz vor Thanksgiving ist etwas, was man in Chicago schon länger nicht mehr hatte. Selbst eine Winning Season gab es zuletzt 2018 (12-4) und davor 2012 (10-6)!
Bears-Fans, seid dankbar, in der Windy City wird vieles richtig gemacht!

Fortschrittlichere Coaches
Gefühlt gibt es in diesem Jahr deutlich mehr Teams und somit deutlich mehr Head Coaches, die bei 4th Down nicht kicken oder punten, sondern den Versuch ausspielen, um einen Drive am Leben zu halten oder eben sogar einen Touchdown zu erzielen. Doch das ist nicht nur gefühlt so.
Ein Blick in die Zahlen verrät, dass es in diesem Jahr bis jetzt 19 Teams gibt, die wenigstens eine 4th-Down-Go-Rate von mindestens 50 Prozent haben. Die Lions führen das Feld naturgemäß mit knapp unter 80 Prozent an.
An dieser Stelle sei erklärt, dass es hier darum geht, wie oft Teams vierte Versuche ausspielen, wenn sie das analytisch betrachtet auch machen sollten. "Go" wird in diesen Fällen empfohlen, wenn durch das Ausspielen des vierten Versuchs die Siegwahrscheinlichkeit um mindestens 1 Prozent ansteigt.
Das gilt natürlich nicht für alle Head Coaches, es gibt weiterhin solche, die noch immer in der Vergangenheit leben und sehr konservativ coachen. Kurioserweise liegt hier ausgerechnet Sean Payton von den Denver Broncos ganz hinten mit einem Wert von knapp über 20 Prozent. Er kann es sich aber auch leisten, zu sagen, "ich vertraue auf meine Defense". Ein Luxus, den andere nicht haben.
Klare Steigerung zur Vorsaison
Im Vergleich zum Vorjahr sind die bisherigen Tendenzen aber eine klare Steigerung, denn 2024 gab es nur zwölf Teams, die eine Go-Rate von wenigstens 50 Prozent hatten. Und selbst die Lions lagen damals nur bei knapp über 70 Prozent. Das Schlusslicht damals? John Harbaughs Los Angeles Chargers, die damals sogar unter 20 Prozent lagen, aber dennoch die Playoffs erreichten - nicht ganz zufällig auch dank einer starken Defense. Sie sind damit genauso wie die Broncos in diesem Jahr eben die viel zitierte Ausnahme von der Regel.
Dennoch sehen wir eben unterm Strich weniger Punts und weniger Field Goals, auch wenn die nun länger sind als früher. Doch wer den Football liebt, sollte sich darüber freuen, dass mehr Teams und Coaches Analytics nutzen, um bessere Entscheidungen im Spiel zu treffen. Man spielt mehr auf Sieg als früher.
Entsprechend sei hier auch positiv erwähnt, wie die New York Jets (!) ihren ersten Sieg eingefahren haben. Sie schlugen bekanntermaßen die Cincinnati Bengals mit einem fulminanten Comeback und drei Touchdowns im vierten Viertel. Beim Stand von 24:38 - 14 Punkte Rückstand - gelang ihnen ein Touchdown durch Breece Hall. Was folgte? Nein, kein Extrapunkt, denn Head Coach Aaron Glenn ist ja einer aus dem Dan-Campbell-Coaching-Tree. Er ging aufs "Analytics Play", also auf eine Two-Point Conversion. Die gelang, sodass der Rückstand nur noch sechs Punkte betrug.
Rund zwei Minuten vor Schluss gelang der nächste Touchdown und dann war es der simple Extrapunkt, der für den Unterschied sorgte beim 39:38-Sieg von Gang Green.
Viel mehr Positives gab es aus New Jersey bislang nicht zu berichten, doch diese Sequenz ist beispielhaft dafür, wie man heutzutage mit schlauerem Coaching Erfolg haben kann.
Kickoff-Returns
Schon im Vorjahr waren Kickoff-Returns durch das neue Kickoff-Format wieder mehr ein Faktor als in der jüngeren Vergangenheit. Doch Teams entschieden sich dann doch zumeist lieber dazu, den Ball in die Endzone zu kicken und damit den Touchback zu nehmen. Der Ball ging an die 30-Yard-Linie und damit waren die Kicking Teams offenbar einverstanden.
Die für 2025 erfolgte Regeländerung mit dem Ball an der 35 nach Touchback brachte nun jedoch das gewünschte bessere Resultat. Die Liga wollte mehr Action, mehr Kickoff-Returns und das hat sie nun auch bekommen! Im Schnitt gab es in der Saison 2024 28,8 Kickoff-Returns pro Team. In diesem Jahr? Schon jetzt 44! Oder anders formuliert: Teams hatten 2024 1,7 Kickoff-Returns pro Spiel, in diesem Jahr sind 4!
Allerdings sei auch erwähnt, dass die Return-Yards im Schnitt leicht zurückgegangen sind. Waren es im Vorjahr noch 27,6, derzeit sind es 25,9. Die Marke von 7 Kickoff-Return-Touchdowns insgesamt könnte noch getoppt werden, derzeit sind es deren 4. Übrigens: in diesem Jahr haben Teams schon 10 Punt-Return-Touchdowns erzielt, im Vorjahr waren es nur 6.
Der Kickoff-Return jedoch ist in keinem Fall tot und vor allem kein prozessualer Akt mehr. Und das ist genau das, was die Liga mit der Formatanpassung für diese Saison wollte.
Drake Maye
Das hier ist mein Text und meine Liste, okay?
Als ein Anhänger der New England Patriots, der eine lange Leidenszeit - fünf bis sechs Jahre können ziemlich lang sein! - hinter sich hat, ist es schon ein erhabenes Gefühl, jetzt endlich wieder einen Franchise-Quarterback zu haben. Die erste Saisonhälfte 2025 hat für mich unterstrichen, dass Drake Maye gekommen ist, um zu bleiben.
Maye hat hervorragende Statistiken und befindet sich sogar auf MVP-Kurs, völlig gleich, was Leute wie Cam Newton oder dergleichen dazu zu sagen haben. Die Patriots spielen ihre beste Saison seit 2019 und damals hieß der Quarterback noch Tom Brady, der allerdings große Probleme mit einem sehr überschaubaren Receiving Corps und einer schon damals wackligen Offensive Line hatte.
Die Patriots haben nach zwei richtig schwachen Jahren, in denen sie ganze acht Spiele insgesamt gewonnen haben, nun wieder ein Team, das man zumindest mal ernst nehmen muss. Sind sie so gut, wie ihre Bilanz derzeit suggeriert? Vermutlich nicht, zumal der Spielplan nach der schwachen Vorsaison naturgemäß leichter ist als bei anderen Teams. Doch schwache Teams muss man auch erstmal so klar schlagen, wie es diese Patriots aktuell tun.
Der Gesamtkader hat immer noch deutliche Lücken, doch die größten Unterschiede zum Vorjahr sind Head Coach Mike Vrabel und sein Trainerstab sowie das enorme Upgrade, das Maye auch im Vergleich zu seinen damaligen Leistungen liefert. Denn bekanntermaßen ist man in der NFL vor allem dann konkurrenzfähig, wenn man einen Top-Quarterback hat.
Maye ist auf bestem Wege, zu beweisen, dass er ein solcher ist. Das mag jetzt für Anhänger von 31 anderen Teams nicht unbedingt prickelnd sein, zumal das bedeuten könnte, dass dieses außerhalb Neuenglands so unglaublich beliebte Team wieder voll da ist. Und Drake "Drake Maye" Maye ist gerade mal 23 Jahre alt. Er geht also in absehbarer Zeit nirgendwo hin.
Und dafür bin ich ganz besonders dankbar.
Happy Thanksgiving!





































