Seit fast einem Jahrhundert wartet Deutschland auf einen Weltmeister im Schwergewichts-Boxen. Die Durststrecke könnte bald enden. Agit Kabayel steht als WBC-Interims-Champion dicht vor einem Titelkampf. Der langjährige Manager der Klitschko-Brüder traut dem "Leberking" den WM-Coup zu.
Eins, lautet die Antwort, wenn man nach der Anzahl deutscher Boxweltmeister im Schwergewicht fragt. Bis heute ist Max Schmeling der einzige Faustkämpfer aus Deutschland, der es geschafft hat, sich zum Meister aller Klassen zu krönen. 1930 war das, eine Ewigkeit ist's her.
Karl Mildenberger scheiterte 1966 beim Versuch Schmeling zu folgen an Box-Ikone Muhammad Ali, Axel Schulz 1995 am kaum minder legendären George Foreman (wenn auch nur durch eine umstrittene Punktniederlage).
Der letzte Deutsche, der im Schwergewicht um einen anerkannten WM-Titel boxte, war 2005 Luan Krasniqi. Der "Löwe" aus Rottweil hatte gegen WBO-Champion Lamon Brewster schon eine Hand am Gürtel, ehe ihn ein linker Haken des Amerikaners fällte.
20 Jahre später ruhen die deutschen Box-Hoffnungen in der Königsklasse auf Agit Kabayel. Mit einem beeindruckenden K.o.-Sieg über China-Koloss Zhang Zhilei krönte sich der Bochumer im Februar zum Interims-Weltmeister des Verbandes WBC.
Als solcher ist Kabayel Pflichtherausforderer von Schwergewichts-König Oleksandr Usyk - hängt allerdings in der Warteschleife.
"Wenn es einen unumstrittenen Weltmeister gibt wie jetzt Usyk, ist das Warten immer ein Problem für die offiziellen Herausforderer", erläuterte der langjährige Klitschko-Manager Bernd Bönte im Interview mit den "World Boxing News" das Dilemma.
Boxen: "Wenn Usyk aufhört, ..."
Bönte wies daraufhin, dass der Sieger des Duells um den WBO-Interims-Titel zwischen Joseph Parker (Neuseeland) und Fabio Wardley (England) am 25. Oktober als nächstes an der Reihe sei, den 38-jährigen Ukrainer zu fordern.
"Das sind die Regeln und Vereinbarungen zwischen den vier großen Verbänden basierend auf einem Rotationssystem." Usyk hält die Titel der vier anerkannten Verbände WBA, WBC, IBF und WBO.
"Hoffentlich ist Agit irgendwann 2026 dran", sagte Bönte, der für den Deutschen indes auch einen anderen möglichen Weg zum Titel sieht. "Sollte Usyk aufhören, könnte Kabayel fast über Nacht zum vollwertigen WBC-Champion gekrönt werden. Eine Belohnung für jahrzehntelanges Durchhaltevermögen."
Kabayel ist seit 2011 Boxprofi und in 26 Kämpfen (18. K.o.-Erfolge) ungeschlagen. Im Jahr 2016 gewann er erstmals den EM-Gürtel, ein Jahr später schlug der Mann aus Bochum mit Derek Chisora erstmals einen Top-Mann im Schwergewicht.
Der internationale Durchbruch gelang Kabayel Ende 2023, als er in Saudi-Arabien den russischen Zwei-Meter-Riesen Arslanbek Makhmudov in vier Runden kurz und klein hackte.
Kabayles nächster Kampf findet am 10. Januar 2026 in der Rudolf-Weber-Arena von Oberhausen statt, sein Gegner steht noch nicht fest.
Agit Kabayel der "beste Body Puncher" im Schwergewicht
Für Bönte steht fest, dass der 33-Jährige aus dem Ruhrpott durchaus das Zeug zum Weltmeister hat. "Agit hat sich exzellent entwickelt und sein Potenzial zuletzt gegen dreimal in Serie gegen starke Gegner gezeigt", so der Box-Experte.
Kabayel bezwang in seinen drei letzten Kämpfen die im Vorfeld favorisierten Makhmudov (Russland/Ende 2023), Frank Sanchez (Kuba/Mai 2024) und Zhang (China/Februar 2025) - allesamt vorzeitig durch schwere Körpertreffer.
"In meinen Augen ist Agit mehr als ein Contender (Anwärter bzw. Herausforderer um den Titel. Anm.d.Red.) - er ist womöglich der beste Body Puncher, den es heute im Schwergewicht gibt", sagte Bönte über den "Leberking".
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Kabayel sei immer gut vorbereitet und "hat extrem starke Nerven", lobte der "DAZN"-Kommentator. Mit Trainer Sükrü Aksu habe er zudem einen Taktikfuchs in seiner Ecke, dem er völlig vertraue.
Sollte Kabayel tatsächlich der WM-Coup gelingen, "wäre das für Deutschland sehr speziell und würde dem Sport einen Schub geben, den es seit den Klitschkos nicht gegeben hat", betonte Bönte, der die Karrieren der Ukrainer viele Jahre managte.