Beim London Game in Woche 6 der NFL taten sich Abgründe auf, was den Football-Sport an sich betrifft. Drake Maye wiederum spielte erneut groß auf und die Cowboys zeigten einmal mehr, dass sie perfekt sein müssen, um Erfolg zu haben.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg nennt an jedem Montag seine Erkenntnisse der NFL-Woche.
Broncos vs. Jets hat Football um Jahre zurückgeworfen
Liebe Briten, liebe Europäer, lasst mich damit beginnen zu betonen, dass American Football nicht immer so aussieht wie am Sonntag im Tottenham Hotspur Stadium. Dieses 13:11 war so ziemlich das Schlimmste, was ich in Sachen Offense, Offense Execution und Play-Calling seit langer Zeit gesehen habe.
Ich schaue schon berufsbedingt viel Football. Seit mehr als zwei Jahrzehnten auch häufig in meiner Freizeit. Aber selbst, als ich noch keine Ahnung von Analytics und dergleichen hatte, kann man ich mich nicht an so etwas erinnern. Beide Teams taten so ziemlich alles, um nicht zu gewinnen.
Sicherlich ist das bei den Jets nochmal eine andere Geschichte, weil die offensichtlich nicht sonderlich gut sind und wir uns einfach nicht wundern dürfen, dass Justin Fields in Jahr fünf eben immer noch so spielt wie in den Jahren eins bis vier. Fields hält den Ball viel zu lange, er scheut sich, den langen Ball zu werfen und kassiert schon dadurch etliche Sacks. Gegen die Broncos waren es einfach mal deren neun!
Man wird das Gefühl nicht los, dass diese Offense - zumindest bedingt - besser aussehen würde, wenn Tyrod Taylor übernehmen würde, schließlich versteht der es wenigstens, den Game Manager zu geben und den Ball zu verteilen - das heißt, ihn loszuwerden. Doch das soll hier nicht das Thema sein.
Katastrophales Clock Management
Das Thema ist vielmehr das, was Sean Payton und seine Offense fabriziert haben. Wir sehen immer mal wieder Plays, die zeigen, was Bo Nix und Co. machen können. Courtland Sutton ist eine gute Nummer eins und Tight End Evan Engram ebenfalls ein starker Playmaker. Und dennoch macht dieses Team im Grunde nichts anderes, als kurz zu werfen und den Ball zu laufen. Und das nicht sonderlich effizient oder wenigstens effektiv. Nix warf im Schnitt nur 5,5 Yards tief und brachte es dabei auf 0,08 EPA/Play. Auf dem Boden hatte kein Broncos außer Nix bei einem Scramble (!) positive Expected Points Added.
Auch ließen mich die Sequenzen am Ende jeder Halbzeit fragend zurück. Die Broncos brauchten am Ende im Grunde nur noch ein 1st Down und entschieden sich bei 2nd&7 dazu, ein Run Play mit Wide Receiver Marvin Mims (!) aus dem Backfield zu laufen. Der ließ den Ball fallen, doch Denver behielt ihn am Ende doch. Danach kassierte Nix noch einen Sack und New York bekam ein letztes Mal den Ball zurück.
Die Jets jedoch legten noch viel konfuseres Game und Clock Management in beiden Hälften an den Tag! Am Ende der ersten Hälfte entschied sich Head Coach Aaron Glenn dazu, einen Fake Punt für ein neues 1st Down zu spielen. Es gelang und man hatte noch gut eine Minute zu spielen an der eigenen 38? "Man" drückt aufs Tempo und versucht, bis zur Pause nochmal zu punkten beim Stand von 6:10.
Die Jets jedoch spielten letztlich ohne jegliche Dringlichkeit die Uhr runter und verhinderten essenziell nur, dass auch die Broncos bis zur Pause nicht mehr scoren konnten. Glenn hat also in der eigenen Hälfte im Grunde schon das komplette Spiel riskiert, nur um dann so zu tun, als würde man eine Führung am Ende des Spiels nach Hause bringen.
Und auch am Ende des Spiels fehlte dann jegliche Dringlichkeit nach einem 3-and-Out der Broncos. Bei 1st Down wurde erstmal in der eigenen Hälfte gelaufen und bis auf ein paar kurze Pässe, von denen einer auch noch unvollständig war, kassierte Fields nur noch zwei Sacks, ehe das Spiel endgültig vorbei war.
Wenn am kommenden Sonntag die Jaguars auf die Rams im Wembley Stadium treffen (ab 14:30 Uhr live bei RTL), sehen wir vermutlich eine komplett andere Sportart. Jedenfalls hoffe ich das.
Maye hält Patriots auf Kurs
Die New England Patriots haben in Woche 6 etwas geschafft, was ihnen seit 2022 nicht mehr gelungen war - sie haben drei Spiele am Stück gewonnen! Und der Hauptgrund dafür war einmal mehr Quarterback Drake Maye, der dieser Tage eine beeindruckende Form an den Tag legt. Vor allem jedoch ist sein Spiel eine Antithese zu dem, was Sean Payton mit Bo Nix viel zu oft in Denver macht. Maye darf nicht durch den Deep Ball werfen, er tut dies auch mit sehr viel Erfolg.
Gegen die Saints warf er drei Deep Balls, die am Ende auch zählten. Allesamt resultierten in Touchdowns über 53, 25 und 29 Yards. Insgesamt warf Maye für 261 Yards (18/26) und drei Touchdowns für ein Passer Rating von 140,0 und 83,4 Total QBR. Maye produzierte sage und schreibe 0,56 EPA/Play und das mit einer durchschnittlichen Target-Tiefe von 11,5 Yards. Und ohne die fragwürdigen Penalties bei zwei weiteren Shots, die rund 100 Yards ausradierten, wären diese Zahlen noch viel imposanter gewesen.
Maye sieht derzeit komplett in Kontrolle aus und scheut sich nicht, auch die schwierigen Würfe zu nehmen. Ein Zögern ist nicht zu erkennen und er macht auch unter Druck einen guten Eindruck. Alle drei Touchdowns kamen gegen Pressure und Maye war insgesamt 10/16 mit 177 Yards gegen Pressure, 7/8 für 144 Yards (3 TD) kamen dabei schon vor der Pause.
Gegen die Saints profitierte Maye vor allem auch von einer grandiosen Vorstellung von Kayshon Boutte, der mit fünf Receptions für 93 Yards und zwei Touchdowns sein wohl bestes NFL-Spiel in der alten Heimat - er spielte College Football an der LSU und stammt auch aus Louisiana. Zudem erwischte selbst Pop Douglas einen guten Tag und begann seinen Tag mit dem sehenswerten 53-Yard-Touchdown-Catch gegen eine Secondary, die noch im Tiefschlaf war nach Play Action auf einer Post-Route. Beide Youngster produzierten, was die eher unauffälligen Vorstellungen von Stefon Diggs und Hunter Henry zu kompensieren.
Patriots: Das Run Game stockt
Die Patriots bestätigten mit dieser Vorstellung den überraschenden Erfolg in Buffalo vor Wochenfrist und unterstrichen damit ihre berechtigten Playoff-Ambitionen. Allerdings bestätigten sie auch einen unschönen Trend der vergangenen Wochen: das Run Game stockt. Zwar leistete man sich zur Abwechslung mal keinen (verlorenen!) Fumble, doch funktionierte das Ground Game überhaupt nicht. Im Schnitt liefen Rhamondre Stevenson, TreVeyon Henderson und Maye via Scrambles gerade mal für 2,4 Yards im Schnitt. Vor allem Handoffs zu Stevenson erbrachten keine Erfolg. Der Lead-Back wurde oft schon im Backfield gestellt und lief gerade mal für 18 Yards bei 13 Carries (1,4 im Schnitt).
Das Passspiel funktioniert, doch im Run Game muss man sich etwas einfallen lassen, denn so spektakulär das gerade auch aussieht, ist es in der heutigen NFL vermutlich nicht wahrscheinlich, dass man wirklich jede Woche eine so effiziente Vorstellung durch die Luft von Maye und Co. erwarten kann.
Für den Moment jedoch darf man die Air Show vom "M(aye)VP"-Kandidaten genießen. Weiter geht es am kommenden Sonntag gegen die Tennessee Titans (ab 18:45 Uhr live auf RTL+*).

Die Cowboys-Offense war nicht perfekt
Hut ab vor den Carolina Panthers! Sie haben es schon wieder geschafft, ein eigentlich ganz ordentliches Team im eigenen Stadion zu schlagen. Sie sind nach Siegen über die Falcons, Dolphins und Cowboys nun 3-0 zuhause, allerdings auch 0-3 auswärts. Sie sind aber vor allem ein Team, dass man nicht mehr automatisch abschreiben sollte.
Und mit Rico Dowdle hatten sie am Sonntag einen überragenden Mann auf dem Feld. Der frühere Cowboy zerstörte seine ehemaligen Teamkollegen mit 239 Scrimmage Yards (34 Touches) und einem Touchdown. Und auch Bryce Young spielte stark und warf für drei Touchdowns (INT). Was diese Zahlen gegen die Cowboys-Defense aber wirklich wert sind, wissen wir mittlerweile alle ...
Genau deshalb endet hier auch die so seltene Panthers-Lobhudelei, denn die Wahrheit ist eben auch, dass die Cowboys-Offense nicht gut genug war. Und diese muss derzeit einfach perfekt sein, wenn die Cowboys erfolgreich sein wollen. Bitter ist vor allem, dass die Cowboys in diesem Spiel sogar den Turnover-Vergleich mit 1:0 für sich entschieden haben. Geholfen hat es am Ende nicht. Die eigene Defense erwies sich einmal mehr als inadäquat, um einen späten Run des Gegners zu stoppen und das Team damit im Spiel zu halten.
Dak Prescott tat einmal mehr seinen Job, warf letztlich für 261 Yards und drei Touchdowns. Laut "ESPN" hatte er sogar ein Total QBR von 90,3 (100 ist der Maximalwert), was schon sehr, sehr gut ist. George Pickens fing neun Pässe für 168 Yards und einen Touchdown und kompensierte den Ausfall von CeeDee Lamb erneut stark. Die Cowboys hielten bis kurz vor Schluss mit, sie führten sogar zum Start des Schluss-Viertels 24:20. Anschließend jedoch gelang nicht mehr viel.
Cowboys bauen Angriffsserie wie ein Autounfall
Rookie Tetairoa McMillan drehte das Spiel zum 27:24 und die Cowboys kamen erneut zum Ausgleich. Anschließend gelang der eigenen Defense sogar mal ein so seltener Stopp, der einen Punt erzwang. Da waren noch mehr als acht Minuten zu spielen mit dem Ball nahe der Mittellinie.
Anstatt jedoch einen potenziell entscheidenden Drive hinzulegen, folgte ein regelrechter Autounfall von einer Angriffsserie. Es begann mit einem Screen von Prescott auf Javonte Williams für Minus-5 Yards. Das reichte Brian Schottenheimer offenbar nicht, also folgte gleich der nächste Screen auf Williams - Minus-7 Yards! Der folgende Checkdown für vier Yards beim 3rd&22 war dann schon fast egal.
Das soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass das Run Game der Cowboys überhaupt nicht funktionierte. Im Schnitt lief man für 1,6 Yards. Defensiv wiederum ließ man 5,7 Yards pro Carry zu. Wenn man so will, war dies ein schwerer Rückfall ins Vorjahr, als das in der Summe ähnlich aussah.
Mit noch sechs Minuten zu spielen punteten die Cowboys und - da es eben die Cowboys-Defense ist - sah Dallas den Ball im Anschluss nicht wieder. Die Panthers legten einen 15-Play-Drive hin, ehe Kicker Ryan Fitzgerald mit auslaufender Uhr den Sieg per 33-Yard-Field-Goal besiegelte.
Das Spiel war ansehnlich, sogar unterhaltsam. Es war jedoch vor allem eine deutliche Erinnerung daran, dass die Cowboys ein sehr fragiles Konstrukt sind. Eines, dass sich kein Nachlassen in der Offense leisten kann. Sie sind zwar für Shootouts gerüstet, doch dafür muss ihre Offense perfekt sein, denn von der eigenen Defense kann man einfach nichts erwarten.
Eine Statistik macht dies auch besonders deutlich: Laut "ESPN Research" ist Prescott seit 1950 der einzige Quarterback, der elf oder mehr Total Touchdowns und keinen Turnover auf dem Konto hat und sein Team dennoch eine nicht-positive Bilanz (2-3-1) über einen Zeitraum von drei Starts vorzuweisen hat.

Eagles setzen Negativ-Trend fort
Nein, dies ist keine Kopie meines Eagles-Segments aus der Vorwoche - auch wenn wenn ich mir vermutlich damit Arbeit erspart hätte. In der Vorwoche war der Vorwurf, dass die Eagles beim 17:21 gegen die Broncos nach ihrem Opening-Drive-Touchdown in der zweiten Hälfte offensiv gar nichts mehr zustande gebracht hatten. Und ganz am Ende zerfiel dann auch die Defense.
Bei der folgenden völlig überraschenden 17:34-Pleite bei den New York Giants wurde es im Grunde noch schlimmer. Präsentierte man sich vor der Pause offensiv noch halbwegs passabel, ging es nach der Pause komplett den Bach runter. Es gelangen keinerlei Punkte mehr. Schlimmer noch: Jalen Hurts, der bis dahin durchaus ordentlich spielte, versenkte diese Partie im Grunde mit seiner Interception zu Cor'Dale Flott im vierten Viertel. Es folgte Rookie Cam Skattebos dritter Touchdown der Partie, der den Endstand herstellte - fast zehn Minuten vor Schluss.
Endgültig vorbei war es dann, als Eagles-Running-Back A.J. Dillon auch noch einen Fumble verlor. Die Giants mögen auch mit Jaxson Dart und Skattebo, der mit 110 Scrimmage Yards und drei TDs sein bestes Spiel in der NFL hinlegte, im Backfield nun wieder unterhaltsam sein, doch waren es die Eagles, die sich selbst im Weg standen. Allen voran waren sie anfällig auf dem Boden und ließen 172 Rushing Yards zu. Der Hauptgrund dafür dürfte der Ausfall von Defensive Tackle Jalen Carter gewesen sein, dessen Fehlen - nach Ejection - in Woche 1 bereits gegen die Cowboys sehr auffällig war.
Doch auch eine Verletzung im Spiel von Cornerback Quinyon Mitchell half nicht. Erschwerend hinzu kam, dass Cornerback Adoree' Jackson bei einem der Skattebo-Touchdowns im Grunde eine "Business Decision" traf und einfach nicht versuchte, an der Goal Line zu tackeln. Unter diesen Umständen wird es schwer, irgendeinen Gegner zu stoppen. Jackson war mit der Aktion das Aushängeschild für die Probleme der Eagles. Laut "PFF" verpassten sie als Team elf Tackles im Spiel, was die Leistung der Giants ein wenig relativiert.
Die Eagles bekommen dieser Tage zu selten zusammenhängende Drives zusammen, was auch am Play-Calling liegen mag. Doch macht vor allem die Tatsache Sorgen, dass sie nun schon zum wiederholten Male - siehe auch den Season Opener gegen die Cowboys - nach der Pause komplett den Faden verloren haben. Noch ist hier kein ganz großer Grund zur Sorge, doch ein Selbstläufer wie scheinbar im Vorjahr, wird die Mission Titelverteidigung keineswegs.
*Wir arbeiten in diesem Beitrag mit Affiliate-Links. Wenn Sie über diese Links ein Produkt kaufen, erhalten wir vom Anbieter eine Provision. Für Sie entstehen dabei keine Mehrkosten. Wo und wann Sie ein Produkt kaufen, bleibt natürlich Ihnen überlassen.