Woche 3 der NFL ist nahezu im Kasten und sah einige verrückte Enden. Dadurch blieben ein paar Favoriten ungeschlagen, während es einen anderen erwischt hat und dabei gleich mehrere Schwachstellen aufgedeckt wurden.
sport.de-Redakteur Marcus Blumberg nennt an jedem Montag seine Erkenntnisse der NFL-Woche.
Um den Champion zu schlagen musst du den Champion schlagen
Es gab da dieses typische amerikanische Sprichwort: "Never underestimate the Heart of a Champion" vom damaligen Erfolgscoach der Houston Rockets, Rudy Tomjanovich, das man sicherlich auch in dieser Woche anbringen könnte beim Blick auf den verrückten Comeback-Sieg der Philadelphia Eagles gegen die Los Angeles Rams (33:26). Aber so richtig angebracht ist das nicht, denn sicherlich haben die Eagles Herz bewiesen und endlich ihre Passing Offense in Schwung gebracht - und jemand hat Offensive Coordinator Kevin Patullo offensichtlich gesteckt, dass er in A.J. Brown einen der besten Wide Receiver der NFL hat. Aber der Schlüssel zu diesem Comeback nach 7:26-Rückstand war unweigerlich die Tatsache, dass die Rams die Tür nicht zu bekommen haben.
Den Eagles gelang vor der Pause herzlich wenig. Sie haben das Spiel mit einem Touchdown eröffnet - natürlich per Tush Push und leider schon wieder mit einem nicht bestraften False Start des Right Tackles. Doch danach gelang den Eagles nahezu nichts mehr. Kurz nach der Pause hatten die Rams 212 Yards, die Eagles 33. Da hatte Jared Verse gerade einen Fumble erzwungen und die Rams auf 26:7 gestellt und die Luft schon raus. Anschließend verloren die Rams jedoch den Faden.
Die Eagles erzielten zwei schnelle Touchdowns und bekamen defensiv nun mehr Zugriff, auch, weil die Rams konservativer wurden. Zwischen den zwei TDs der Eagles im dritten Viertel stand eine kurze Angriffsserie, die zwar mit einem 12-Yard-Pass von Matthew Stafford auf Puka Nacua begann, dann jedoch durch zwei Run-Plays ins Stocken geriet. Bei 3rd Down kassierte Stafford einen Sack und es kam zum Punt. Zu Beginn des vierten Viertels dann wollte man nicht punten und gab den Ball stattdessen mit Raumverlust bei 4th Down ab. Und danach wurden gleich zwei Field-Goal-Versuche geblockt - der erste hätte die Führung auf acht Punkte ausgebaut, der zweite hätte den Sieg bedeutet.
Der Anfang vom Ende waren jedoch zwei Serien, die jeweils in der Red Zone endeten. Die Rams erreichten im Spiel viermal die Red Zone, machten daraus jedoch nur einen Touchdown. Der Rest waren Field Goals, was eben gegen ein Team wie die Eagles auch mal zu wenig sein kann.
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Wer den Champion schlagen will, kann nicht in der Red Zone konservativ werden und auf Nummer sicher gehen. Das hält ein Team, das nun 19 der letzten 20 Spiele gewonnen hat, einfach im Rennen. Denn selbst wenn es mal nicht gut läuft für ein solches Team, heißt das nicht, dass es sich selbst schlagen wird. Das muss man schon selber regeln. Die Rams haben das am Sonntag nicht getan.
Die Vikings haben vielleicht das beste Gerüst der NFL
Ich sage nicht, dass die Vikings das beste Team der NFL sind. Und ich sage auch nicht, dass sie in irgendeiner Weise perfekt wären, aber Kevin O'Connell und Co. schaffen es wie kaum ein anderes Trainer-Team derzeit, ihren Spielern ein so stabiles Gerüst hinzustellen. Der Ausfall von J.J. McCarthy, nachdem man sich ohne Not von Sam Darnold getrennt hatte, mit dem man immerhin 14 Spiele im Vorjahr gewann, glich keinem Weltuntergang. Vielmehr gelang ein sehenswerter Blowout gegen die Cincinnati Bengals, die ebenfalls auf ihren Starting Quarterback verzichten mussten.
Und es gelang O'Connell sogar, Wandervogel Carson Wentz wie einen kompetenten Quarterback aussehen zu lassen. Etwas, was nicht allzu viele Coaches vor ihm geschafft haben seit seiner starken Saison 2017 bis zum Kreuzbandriss. Wentz spielte natürlich nicht die Sterne vom Himmel, er machte aber auch keine Fehler. Er brachte 14/20 Pässen für 173 Yards (2 TD) an und sicherte damit den Football.
Das war der große Unterschied zu dem, was die Bengals auf der anderen Seite gemacht haben. Das Lob dafür geht natürlich in erster Linie an Defensive Coordinator Brian Flores und seine Unit, die mal wieder groß aufspielte. Allen voran ist hier Cornerback Isaiah Rodgers zu nennen, der einen Pick-Six hinlegte und dann auch noch 66-Yard-Fumble-Return in die Endzone trug - den Fumble erzwang er natürlich auch noch selbst gegen Noah Fant. Und da auch das Run Game funktionierte - Jordan Mason lief allein für 116 Yards und 2 Touchdowns - liefen die Vikings schnell davon mit diesem Spiel.
Wie es aussieht, wird Wentz auch die zwei anstehenden Europaspiele am kommenden Sonntag gegen die Steelers sowie in Woche 5 gegen die Browns in London (jeweils ab 14:30 Uhr live bei RTL) starten. Die beeindruckende Gesamtvorstellung seines Teams gegen die Bengals suggeriert jedoch, dass die Vikings in jedem Fall konkurrenzfähig sein wird - egal, wer under Center steht.
Das sind die Schwachstellen der Packers
Was haben wir nicht alle die Green Bay Packers nach den ersten zwei Wochen der Saison über den grünen Klee gelobt - ja, auch ich zähle mich dazu! Gegen die Cleveland Browns jedoch zeigte sich, dass auch bei den Cheeseheads die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Packers waren richtig schwach und verloren das Spiel fast folgerichtig 10:13 mit einem Walk-Off-Field-Goal. Bitter. Aber irgendwo auch verdient.
Der Schlüssel für die Browns war - wie könnte es derzeit auch anders sein? - die Defense. Gerade die Defensive Front um Myles Garrett dominierte nach Belieben und schaffte am Ende fünf Sacks und sieben QB-Hits gegen eine Packers-Offensive-Line, die zeigte, dass ihr zweiter Anzug womöglich nicht so richtig passt.
Die Packers bekamen zwar die zuletzt verletzten O-Line-Starter Zach Tom und Aaron Banks zurück, doch nicht für allzu lange. Der Tackle musste schon nach einem Snap wieder raus. Er verschlimmerte offenbar seine Verletzung an den schrägen Bauchmuskeln und der Guard musste nach nicht mal 30 Snaps mit seiner Leistenverletzung wieder raus. Ihre Vertreter hatten klar das Nachsagen gegen die direkten Gegenspieler aus Ohio. Am Ende produzierten die Packers nur 3,8 Yards pro Play.
Daraus resultierte dann auch die schwache Vorstellung von Jordan Love, der zwar auch einmal seine Klasse beim improvisierten Touchdown-Pass auf John Fitzpatrick im dritten Viertel unter Beweis stellte. Doch Love leistete sich dann eben auch diese schlimme Interception zu Safety Grant Delpit, die die Wende im Spiel bedeutete. Delpit trug den Ball bis an die gegnerische 4-Yard-Linie und nur ein Play später sorgte Rookie-Running-Back Quinshon Judkins für den Ausgleich mit seinem ersten NFL-Touchdown.
Das vorangegangene Play erinnerte uns alle nochmal daran, dass Love eben auch immer noch in der Lage ist, diese krassen Fehler zu machen, speziell, wenn er unter Druck steht und entnervt wird. Das werden zwar auch nicht viele Teams so hinbekommen, aber die guten sollten es können - spätestens in den Playoffs.
Dass im Anschluss an die Interception auch noch ein geblocktes Field Goal folgte, was dann dem Field Goal zum Sieg für Cleveland vorausgegangen war, machte dann nur noch eine weitere Baustelle auf.
Das sind nicht mehr die alten Chargers
Hand aufs Herz: Wer hat beim Schauen des Chargers-Spiels - oder ihrer zwei Spiele zuvor in dieser Saison - nicht das eine oder andere Mal "Chargering" im Kopf gehabt und mit dem Schlimmsten gerechnet? Die Chargers, mit denen ich "aufgewachsen" bin, hätten dieses Spiel gegen die Denver Broncos sicher verloren. Sie hätten vermutlich auch einen Weg gefunden, das Brasilien-Spiel gegen die Chiefs zu verlieren ...
Jim Harbaughs Chargers von 2025 jedoch arbeiten gerade daran, "Chargering" aus unserem Wortschatz zu verbannen. Diese Chargers nämlich finden viel mehr Wege, Spiele zu gewinnen. Auch solche, die eigentlich schon verloren wirken.
Die Chargers führten am Sonntag nach einem Touchdown von Rookie Omarion Hampton 10:0 mit unter vier Minuten bis zur Pause. Die Broncos jedoch steckten nicht auf und schlugen noch vor der Pause zurück - Bo Nix feuerte einen 52-Yard-Touchdown-Pass auf Courtland Sutton. Und direkt nach der Pause gingen die Gäste sogar in Führung durch einen 19-Yard-TD-Run von Ex-Charger J.K. Dobbins! Damit aber nicht genug, denn die Chargers verloren im Anschluss einen Fumble beim Kickoff-Return! Es folgten Field Goals, die den Broncos letztlich eine 20:13-Führung zum Start des Schlussviertels bescherte.
Die allgemeine Erwartung war dann sicherlich, dass der entscheidende Fehler der Chargers nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Doch weitgefehlt! Justin Herbert drehte auf und streute gleich mehrere Chunk-Plays ein. Am Ende fand er schließlich mit einer sehenswerten Flucht aus der Pocket Keenan Allen für einen 20-Yard-Touchdown über die Mitte. 20:20 kurz vor der Two-Minute Warning! Und nach einem weiteren Defensiv-Stopp brachte Herbert sein Team nochmal in Field-Goal-Reichweite - Cameron Dicker "The Kicker" tat seine Pflicht aus 43 Yards und die Chargers stellten auf 3-0.
Die Erkenntnis hier ist, dass die Chargers nicht mehr "aktiv" versuchen, sich selbst zu sabotieren und kreative Wege finden, Spiele zu verlieren. Vielmehr treffen sie gerade gegen Ende gute Entscheidungen und machen Plays. Und schon jetzt kann man wohl mit Überzeugung sagen, dass es eine sehr gute Idee war, Justin Herbert seinen alten Receiver-Buddy Allen zurückzugeben. Beide verstehen sich im Grunde blind und hatten großen Anteil daran, dass dieses Spiel am Ende doch noch gedreht wurde. Und das wiederum hilft dann auch Herbert, als früher MVP-Kandidat gehandelt zu werden.