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Spätzünder Sabastian Sawe

Reißt dieser Wunderläufer in Berlin eine magische Marke ein?

Sabastian Sawe ist der große Favorit in Berlin
Sabastian Sawe ist der große Favorit in Berlin
Foto: © IMAGO/Roman Vondrous
19. September 2025, 12:08

Er ist der aktuell schnellste Marathonläufer der Welt: Sabastian Sawe lässt die Sportwelt staunen und gilt als großer Favorit für den Berlin-Marathon am Sonntag. Dort könnte ihm der ganz große Wurf gelingen. Fällt eine magische Marke?

Sabastian Sawe ist ein Mann der schnellen Beine, nicht unbedingt der großen Worte.

Das wird an diesem Mittwoch nochmal deutlich. Etwas schüchtern, fast verdruckst steht er vor der Kamera von RTL/ntv. Der 29-Jährige ist soeben in der deutschen Hauptstadt gelandet.

Am Sonntag und auch in den Tagen davor steht Sawe maximal im Rampenlicht. Er ist der Läufer der Stunde. Der Mann, den es im Marathon zu schlagen gilt. Und der womöglich den ganz großen Wurf wagt. All das in Berlin (Live ab 8.30 Uhr bei RTL und auf RTL+).

Die Nachfragen zu seiner Zielzeit, einem möglichen Weltrekord oder gar der magischen Zwei-Stunden-Marke, lächelt er dann fast weg. Aber nur fast.

Sawe will es richtig schnell angehen

Der Kenianer übt sich im freundlichen Understatement. Er werde so schnell laufen, wie ihm das möglich sei, sagt er. Weltrekord? Mal schauen, "wir werden sehen", sagt er und setzt sein Sawe-Grinsen auf.

Video: Marathon-Star mit Rekord-Ansage

So viel lässt er sich dann doch entlocken: Die persönliche Bestzeit ist schon ein Ziel. Er habe seinen Raceplan, die Taktik geändert,  werde diesmal schneller laufen. Noch schneller muss man sagen, dazu gleich mehr. Mit ein paar Top-Pacemakern will Sawe so schnell laufen, wie möglich.

Diesen Satz wird er in ähnlicher Weise noch mehrmals wiederholen.

Und die Lauf-Welt fragt sich: Ja, wie schnell ist es denn möglich?

Der Aufstieg von Sabastian Kimaru Sawe ist imposant. Binnen weniger Monate schoss er in die Riege der Top-Marathonläufer auf. Er ist der Shootingstar, das nächste große Lauf-Wunder aus Kenia.

Das ostafrikanische Land ist eine Läufernation. Für viele Athleten ist das Laufen das Ticket aus der Armut, der Weg zu Ruhm, Geld und Anerkennung. So wie Deutschland große Fußballer vom Schlage eines Thomas Müller oder Florian Wirtz produziert, bringt Kenia Lauf-Stars hervor. Ikonen. Eliud Kipchoge, der Dominator aus der vergangenen Dekade zum Beispiel – oder Kelvin Kiptum, der Weltrekordhalter, der viel zu früh gestorben ist.

Nun steht Sawe im Rampenlicht. Parallelen zu Kiptum drängen sich auf, andere Dinge unterscheiden die beiden klar.

Wie bei Kiptum kam der Aufstieg von Sawe für viele etwas überraschend. Erste Läufe außerhalb Afrikas unternahm er erst 2022. Zunächst machte er sich über die Halbmarathon-Distanz und im Crosslauf einen Namen. In beiden Disziplinen wurde er Weltmeister (beim Crosslauf in der Teamwertung). Auch auf der Straße über die 10 Kilometer deutete Sawe schon sein Können an.

Im Vergleich zu Kiptum aber erfolgte der Aufstieg auf internationaler Bühne erst im höheren Alter. Kiptum raste mit 22 respektive 23 Jahren auf den Thron, Sawe ist schon 29 Jahre alt.

Wie der Weltrekordhalter stieß auch Sawe mit seinen ersten beiden Läufen gleich in die absolute Weltspitze auf, setzte sofort dicke Ausrufezeichen.

Sein Debüt feierte er auf dem schnellen Kurs in Valencia. Dort lief er auf Anhieb eine 2:02:05, eine höllisch schnelle Zeit. Wenige Monate später gewann Sawe auch den zweiten Marathon seiner Karriere, den prestigeträchtigen in London (2:02:27). Grundstein war eine Temposteigerung auf den letzten zehn Kilometern.

Solch schnelle Debüts haben absoluten Seltenheitswert, wie auch Lauf-Legende Haile Gebresselassie im Gespräch mit RTL/ntv und sport.de bestätigt.

"Das Besondere ist, dass er die ersten beiden Marathons schon superschnell gelaufen ist. Normalerweise sind die ersten Marathons nicht so schnell. Großartig", sagt der Äthiopier.

Sowohl 2024 als auch 2025 stammt die schnellste Marathonzeit der Welt von Sawe. Das S steht für Speed. Wie auch Kiptum setzte er bislang auf einen negativen Split. Heißt: Die zweite Hälfte der rund 21 km läuft er nochmal schneller als die erste.

Die Fachwelt ist sich sicher: Der Kenianer hat das Zeug dazu, den Weltrekord zu knacken. Und nicht nur das. Auch die magische Zwei-Stunden-Marke könnte fallen. Schon am Sonntag?

Laut Gebreselassie ist der beste Ort dafür Berlin. "Der Kurs ist einfach sehr gut, das Wetter ist immer wundervoll. Es gibt wenig Luftverschmutzung und Ablenkung bei dem Lauf", erläutert die Lauf-Ikone. Tatsächlich wird das Wetter eine entscheidende Rolle spielen. Wird es am Vormittag zu warm, könnte dies einen Rekordversuch eindämmen. Die Worte von Sawe lassen aber ein schnelles Tempo erwarten.

Was Sabastian Sawe so besonders macht

Gebrselassie schwärmt von Sawe: "Er ist jung, sehr talentiert, er ist wie geschaffen für den Marathon."

Der deutsche Berlin-Starter Hendrik Pfeiffer sieht eine spannende Situation. "Ich denke schon, dass es die Zielstellung sein wird, die Schallmauer von zwei Stunden anzulaufen."

RTL-Kommentator René Hiepen adelt Sawe als einen "Ausnahmeathleten". "Es ist wahrlich beeindruckend, ihn live laufen zu sehen."

Vor Konkurrenten weglaufen kann er, vor den Superlativen nicht. Das ist wohl Fluch und Segen zugleich. Die Erwartungen an Sawe sind gigantisch.

Einst hielt man die Zwei-Stunden-Marke für unerreichbar. Gebreselassie lief 2008 den Weltrekord in 2:03:59, heute fehlen noch 35 Sekunden.

Die Zwei-Stunden-Marke wackelt

Das liegt auch daran, dass sich Sport und Technologie weiterentwickeln. Besonders die Schuhe und Verpflegung spielen eine Rolle, auch die extrem schnellen Tempomacher. Gebrselassie ist sich sicher: Hätte er 2007/08 schon diese Voraussetzungen gehabt, hätte er die zwei Stunden schon geknackt.

Dass es einer wie Sawe bald schaffen wird, steht für ihn außer Frage. Es sei sogar fast schon "einfach", sagt die Legende.

Das ist natürlich eine Übertreibung. Das Tempo ist mörderisch. Um unter zwei Stunden zu laufen, benötigt es eine Geschwindigkeit von über 21 km/h. Oder anders gesagt: 2:50 Minuten pro Kilometer. 14:13 Minuten auf 5 km oder die 100 m 422 Mal in 17 Sekunden durchhalten. Kurzum: Brutal schnell.

Womöglich sollte man die Läufer auch nicht mit den Rekorderwartungen überfrachten. Auf der anderen Seite: Genauso funktioniert die Leichtathletik eben oft. So generiert sie Aufmerksamkeit.

Ein anderes Problem: Bei den Zeiten von Sawe läuft heutzutage auch stets ein latenter Verdacht mit. Umso mehr, weil Kenia ein offensichtliches Dopingproblem hat und in den vergangenen Jahren einige bekannte Läufer gesperrt wurden.

Ungewöhnlicher Vorstoß im Anti-Doping-Kampf

Während sich Kiptum hier noch wortkarg gab, sucht Sawe mit der Hilfe seines Ausrüsters die Offensive. Der 29-Jährige hat zuletzt eine freiwillige Kontroll-Initiative in Zusammenarbeit mit der Integritätseinheit des Weltverbandes ausgerufen. Diese umfasst mindestens 25 Anti-Doping-Tests in den zwei Monaten vor Berlin, auch überraschende Tests außerhalb von Wettkämpfen sollen dabei sein.

Sein Hauptsponsor unterstützt die Tester finanziell. Diese seien unabhängig, betont sein Team. "Ich hoffe, damit ein Beispiel zu setzen, andere zum Handeln zu ermutigen und zu zeigen, dass saubere Leistungen möglich sind", so Sawe, der keine Lust auf Generalverdacht hat.

Reicht das, um alle Fragezeichen für immer zu beseitigen? Vermutlich nicht. Die Probleme sind tiefgreifender. Und sollte der Kenianer tatsächlich den Rekord holen und die Zwei-Stunden-Marke knacken, werden ziemlich sicher Zweifel geäußert. Das weiß auch er. 

Am Sonntag dürften für den Shootingstar neben der Stoppuhr seine größten internationalen Herausforderer Titelverteidiger Milkesa Mengesha (Äthiopien/Bestzeit: 2:03:17 Stunden) und Gabriel Geay (Tansania/Bestzeit: 2:03:00) sein. Wobei der Kenianer betont: "Ich habe vor niemandem Angst."

Für Berlin schob Sawe einen möglichen Start bei der Leichtathletik-WM beiseite. Der Grund: Auf der flachen Strecke, mit Pacemakern und niedrigeren Temperaturne sind die Chancen auf schnellere Zeiten deutlich höher als in Tokio.

Berlin ist für Sawe ohnehin ein gutes Pflaster. 2023 holte er in der deutschen Metropole schon den Sieg im Halbmarathon. Er kennt den Berliner Asphalt. "Berlin ist eine schöne Stadt", sagt er nüchtern.

Für alles Weitere wird er die Beine sprechen lassen.

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