Borussia Dortmund hat seinen Vertrag mit Cheftrainer Niko Kovac vorzeitig bis zum Sommer 2027 verlängert. Das bestätigte der BVB am Dienstag offiziell und spricht seinem Coach damit das weitere Vertrauen aus. Ist das die richtige Entscheidung? Oder hätten die Schwarz-Gelben nicht besser noch abwarten sollen, wie sich die BVB-Profis in der ersten kompletten Kovac-Saison weiter entwickeln? In der sport.de-Redaktion gibt es verschiedene Ansichten.
Kovac hat den Verein und das Umfeld hinter sich gebracht
Seit Jürgen Klopp, dessen Zeit bei Borussia Dortmund längst ein Jahrzehnt zurückliegt, hat sich keiner der neun nachgefolgten BVB-Cheftrainer länger als zweieinhalb Jahre auf seinem Stuhl halten können. Die BVB-Bosse erhoffen sich endlich wieder Kontinuität und Verlässlichkeit auf dem wichtigen Trainer-Posten und setzten dabei voll auf Niko Kovac.
Dieser hat trotz des biederen Saisonstarts - ein dürftiger 1:0-Pokalsieg bei Drittligist Rot-Weiss Essen und der verschenkte Bundesliga-Auftaktsieg beim FC St. Pauli (Endstand 3:3) - sowohl die Mannschaft als auch das Umfeld in Dortmund hinter sich gebracht. Alleine das ist schon eine große Leistung, schwang unter seinen Vorgängern Nuri Sahin oder Edin Terzic doch die ständige Diskussion über die grundsätzliche Eignung für den Cheftrainer-Job bei den Westfalen mit.
Kovac hat den sportlichen Erfolg zurück nach Dortmund gebracht, das lässt sich angesichts von saisonübergreifend neun Bundesliga-Spielen in Folge ohne Niederlage und der besten Punkteausbeute aller Erstligisten (zusammen mit dem FC Bayern) in diesem Zeitraum nicht wegdiskutieren. Er hat die Champions-League-Qualifikation gerettet und war daher zu Recht mit einem großen Vertrauensvorschuss in die Saisonvorbereitung gestartet.
Was noch viel bedeutsamer ist: Kovac genießt den Rückhalt innerhalb der Mannschaft. Die BVB-Stars verstehen seine Spielidee und seinen Fokus auf Disziplin, Mentalität und Fitness. Sie sind bereit, den eingeforderten Aufwand zu betreiben.
Kovac sei von Anfang an hart gewesen und lasse nicht viel durchgehen, hatte etwa Gregor Kobel über den 53-Jährigen gesagt, gefolgt von einer Aussage, die tief blicken ließ: "Das brauchen wir auch."
Auch seine Teamkollegen bestätigten in den letzten Wochen und Monaten immer wieder diesen Tenor, meinten in Person von Karim Adeyemi etwa: "Er hat uns in den Arsch getreten. Er hat uns gesagt, dass wir laufen müssen. Egal gegen wen. Deshalb sind wir gerade dort, wo wir sind."
Die Handschrift des Trainers ist klar erkennbar - und sie wird von seinen Spielern verstanden. Die Entscheidung des Vereins, mit dem neuen Vertrag bis 2027 noch mehr Ruhe in der Trainerfrage zu sorgen als ohnehin schon, ist da nur nachvollziehbar.
Mats-Yannick Roth
Kovac-Verlängerung ein unnötiges Wagnis zur falschen Zeit
Der 1:0-Sieg im DFB-Pokal bei Rot-Weiss Essen offenbarte bereits deutlich, dass der BVB noch nicht da steht, wo er stehen will - und angesichts des Kaders auch stehen muss. Der 3:3-Liga-Auftakt gegen den FC St. Pauli, bei dem man über weite Strecken ideen- und lustlos auftrat, dank individueller Qualitäten dann zunächst auf 3:1 davonzog, um letztlich sogar noch um das Remis zittern zu müssen, lenkte das Bild keineswegs in eine positivere Richtung. Ein Umstand, der zumindest den Zeitpunkt der Verlängerung mit Kovac in ein seltsames Licht rückt.
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Klar, die Ausbeute von 16 Siegen, 5 Remis und 6 Niederlagen in 27 Spielen als Hauptverantwortlicher an der BVB-Seitenlinie sind durchaus stark, der Endspurt der vergangenen Saison war sogar zweifelsohne beeindruckend. ABER: Nach der Sommerpause und Kovac' erster Vorbereitung als Dortmunder Übungsleiter scheint vom Glanz der Vorsaison wenig übrig geblieben.
Das übrigens sah auch Kovac ein, der sein Team nach dem 3:3 gegen St. Pauli nach Strich und Faden zerlegte.
Dass auf die durchaus deutlichen Worte ("Wir haben es nicht geschafft, dem Gegner Paroli zu bieten, was Körperlichkeit und Physis angeht") nun die Verlängerung folgt, ist natürlich ein klares Zeichen der BVB-Bosse, die mit der Verkündung wohl nicht zufällig betonen, dass Kovac für "Überzeugung, Intensität und Leidenschaft" steht.
Sportchef Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl scheuen es ganz offen nicht, sich mit dem nach dem Saisonstart angeschlagenen Kovac in den derzeit wackligen schwarzgelben Kahn zu setzen. Man nimmt dem Trainer damit einerseits eindeutig Druck, andererseits begeht man ein unnötiges Wagnis.
Denn: Sollten die kommenden Wochen keine deutliche Besserung zeigen, wird man gemeinsam mit Kovac, dessen Ernennung nach dem fragwürdigen Aus von Edin Terzic und dem missglückten Experiment mit Nuri Sahin unbedingt sitzen musste, in den Fokus der Kritik rücken.
Geschieht dies, droht dem BVB ein sattes Führungsbeben - alles andere als die Grundlage für eine Saison, bei der endlich mal wieder nur das Sportliche im Mittelpunkt stehen sollte.
Marc Affeldt
































