Das deutsche IntactGP-Team blickt nach der ersten Saisonhälfte auf die bislang erfolgreichste Moto2-Saison zurück. Manuel Gonzalez gewann vier Rennen und führt die Weltmeisterschaft an. Senna Agius hat einen Sieg geholt. So viele Siege in einer Saison wurden in der Vergangenheit weder mit Jonas Folger noch mit Tom Lüthi erobert.
"Natürlich sind wir jetzt happy. Jetzt ist genau das eingetreten, was wir uns erhofft haben", freut sich Teamchef Jürgen Lingg im Gespräch mit "Motorsport-Total.com". "Man weiß es vorher nie. Umgestellt haben wir eigentlich gar nichts. Es sind dieselben Leute, die da arbeiten."
In der Moto2-Klasse spielt der Fahrer eine große Rolle. Mit Gonzalez hat es vom ersten Tag an Klick gemacht. Mitte Februar stieg der Spanier beim Wintertest in Portimao (Portugal) zum ersten Mal auf die Kalex-Triumph mit WP-Dämpfern von IntactGP.
IntactGP-Team hat schwierige Phasen hinter sich
"Wir haben die Welt nicht mehr verstanden", blickt Lingg auf diesen entscheidenden Tag zurück. "Ich habe gedacht, das Motorrad kommt nie mehr in einem Teil zurück, das kommt in zwei Teilen zurück, weil er war wirklich auf Anhieb richtig schnell."
"Wir haben ihn auch gefragt, sollen wir vielleicht mit der Basis anfangen, wie du vergangenes Jahr aufgehört hast, weil die Federelemente ja sowieso schon neu für dich sind. Und dann hat er gesagt, nein, er wechselt das Team und das Motorrad."
"Er will unsere Philosophie verfolgen und einfach das so machen, wie wir das machen, denn sonst hätte er ja im alten Team bleiben können. Und das heißt, eigentlich hat er 1 zu 1 unsere Geometrie und Einstelldaten vom Vorjahr von Portimao übernommen und das hat für ihn gepasst."
In den vergangenen Jahren erlebte das IntactGP-Team schwierige Phasen mit wenigen Highlights. Es fehlte der Fahrer, der diesen entscheidenden Unterschied ausmachen kann. Der ausbleibende Erfolg ließ auch Zweifel aufkommen.
"Man hört natürlich schon immer vom Federelemente-Hersteller, vom Chassis-Hersteller, von Extern Pro: 'Ihr macht das alles gut und das passt alles, das ist immer gut bei euch.' Aber man hat es halt oft an den Resultaten einfach nicht gesehen. Dann zweifelt man natürlich schon an sich selber."
"Jetzt haben wir echt ins Schwarze getroffen, da haben wir echt Glück gehabt. Und das passt einfach, das harmoniert", sagt Lingg und lobt Gonzalez: "Seine Vorgehensweise ist eigentlich genau so, wie ich es erwartet habe."
"Nichts komplizierter machen, wie es ist und einfach immer fokussiert bleiben und mit beiden Füßen am Boden. Einfach konzentriert weiterarbeiten, auch wenn es mal eine Niederlage gibt. Seine Arbeitsweise ist echt gut. Und er ist wirklich mit beiden Füßen am Boden."
Nach zwölf von 22 Saisonrennen hat Gonzalez 25 WM-Punkte Vorsprung auf Aron Canet. Das entspricht einem Grand-Prix-Sieg. Das Ziel für das restliche Jahr lautet ganz klar Weltmeistertitel. Es wäre der erste für IntactGP in der Moto2-Klasse.
Warum IntactGP dem MotoGP-Test mit Trackhouse zustimmte
Als Belohnung für seine Performance stimmte der Rennstall Anfang Juni zu, dass Gonzalez beim Montagstest in Aragon erstmals eine MotoGP-Maschine fahren durfte. Das Trackhouse-Aprilia-Team ermöglichte ihm diese Chance.
Warum Lingg diesem Test zustimmte, begründet er folgendermaßen: "Das kommt auf den Fahrer an. Ich hätte es vielleicht auch nicht bei jedem Fahrer für gut geheißen, aber bei Manu habe ich da null Bedenken gehabt."
"Im Gegenteil, ich habe mir gedacht, es tut ihm gut, weil es sein Ziel ist, so schnell wie möglich dahin zu kommen. Ich habe eigentlich die Kritik nicht ganz verstanden. Das Training auf Motorrädern gehört zum Tagesgeschäft, ein Trainingsunfall kann immer passieren."
"Er trainiert sonst auch viel bei Trackdays. Das heißt, ob jetzt mit seiner R1 was Dummes passiert oder mit einem perfekt vorbereiteten MotoGP Bike, das kann immer mal passieren. Beim MotoGP-Test kann man davon ausgehen, dass das Motorrad perfekt vorbereitet ist."
"Und ich habe auch gewusst, dass die Helferlein schon so eingestellt waren, dass das Risiko minimiert wird. Und ich habe es auch aus dem Grund gemacht, weil es einfach sein großer Traum ist, das zu machen und mal damit zu fahren."
"Gleichzeitig denkt man natürlich als Fahrer, man kann das, aber man weiß es nicht so ganz genau. Und die Bestätigung hat er jetzt einfach gekriegt, er kann einen Haken dran machen. Wenn ich die Chance kriege, ich kann das."
Wenn es 2026 nicht mit dem MotoGP-Aufstieg klappt
Die MotoGP ist das große Ziel von Gonzalez. Allerdings sind die Chancen, dass es trotz der Moto2-Erfolge für 2026 klappt, derzeit mehr als fraglich. Denn laut Paddock-Gerüchten steht er bei keinem MotoGP-Team ganz oben auf dem Wunschzettel.
Sein Manager spricht mit Teams, aber konkret hat sich bisher nichts ergeben. "Nun, er hatte schon ein intensives vergangenes Monat", sagt Gonzalez, "in dem wir versucht haben, den Schritt zu machen, den wir wollen."
"Ja, er stand definitiv in Kontakt mit einigen MotoGP-Teams. Trotzdem müssen wir weiter daran arbeiten und mehr Rennen gewinnen. Das muss ich tun. Da ich Spanier bin, muss ich mehr Rennen gewinnen."
Denn MotoGP-Promoter Dorna Sports will nur einen weiteren Spanier in der Königsklasse, wenn er sehr erfolgreich ist. Andere Nationalitäten haben Vorrang. Deswegen könnte zum Beispiel eher der Brasilianer Diogo Moreira den Schritt machen.
Gonzales auch im nächsten Jahr dabei?
Sollte es für Gonzalez im nächsten Jahr nicht mit einer MotoGP-Chance klappen, dann ist klar, wie es weitergeht. "Wenn er nicht MotoGP fährt, dann fährt der Manuel bei uns", bestätigt Lingg. "Also das ist fix. Da gibt es auch kein links und rechts. Das ist so."
"Ich würde mich für ihn freuen, wenn er es schafft, weil wir dann ja irgendwo auch unsere Mission erfüllt hätten. Wenn nicht, haben wir auch intern schon so kommuniziert, dann versuchen wir einfach im Idealfall, dasselbe zu machen wie der Zarco 2015 und 2016."
"Ich habe auch zu ihm gesagt, wenn es nicht mit der MotoGP klappt, ist es kein Weltuntergang. Du bist jung und 2027, wenn du mit ein bisschen Glück auf dem richtigen Bike sitzt, kannst du von Anfang an ordentlich mitfahren, wo die Chancen nächstes Jahr wahrscheinlich begrenzt sind."
"Man kann es sich nicht aussuchen, aber wenn sich die Möglichkeit ergeben würde, dass er nochmal ein Jahr Moto2 fährt und gleichzeitig schon hin und wieder diese 850er testen kann. Ich denke, das wäre die ideale Vorbereitung. Aber es ist halt leider kein Wunschkonzert."
Dass Gonzalez momentan nicht auf dem Wunschzettel der MotoGP-Teams steht, findet Lingg bedenklich: "Er ist der stärkste Fahrer im Feld und wenn man dann keine Option hat, das ist schon hart. Weil er hat es ja mehr verdient als alle anderen im Moment."