Der Rücken-OP-Schock um Nationaltorwart Marc-André ter Stegen ist kaum verdaut und wirkt schon jetzt gewaltig nach respektive vor. Julian Nagelsmann und ganz Fußball-Deutschland stellt sich mal wieder die T-Frage. Über allem steht der Name Manuel Neuer – doch auch hier gibt es Fragezeichen. Eine kommentierende Analyse.
Marc-André ter Stegen kann einem nur leidtun. Nach seiner schweren Knieverletzung im Vorjahr hatte er sich zurück gekämpft, im Final Four der Nations League ein brillantes Comeback in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hingelegt.
Die Paraden-Show, die ter Stegen im Spiel um Platz 3 gegen Frankreich zeigte, war atemberaubend. Einen solchen Weltklasse-Mann – den hat man bei der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko doch gerne zwischen den Pfosten, dürften sich Bundestrainer Julian Nagelsmann und die deutschen Fans gedacht haben.
Jetzt fällt ter Stegen allerdings ins nächste Verletzungs-Loch, aus dem sich der 33-Jährige buddeln muss. Zwar sei er in "sehr guter Form", ließ ter Stegen ausrichten. Aber: "Ich bin nicht schmerzfrei." Der Rücken des früheren Gladbachers z(w)ickt. Konsequenz: Ter Stegen muss unters Messer. Die OP fordert Tribut, drei Monate Zwangspause.
Was ist, wenn Neuer so spielt wie bei der Klub-WM mit dem FC Bayern?
Auch das noch, mag man denken angesichts ter Stegens ohnehin schon angespannter Lage. Beim FC Barcelona haben die Bosse den Kapitän und langjährigen Stammkeeper entmachtet. Die Gerüchteküche über einen Wechsel ter Stegens brodelte schon. Manchester City galt als Anlegestelle, auch der Galatasaray-Hafen am Bosporus. Jetzt ist das Feuer unterm Transferkessel erstmal aus. Einen verletzten Torwart, für den nach einer OP erstmal eine Reha ansteht, ist keine heiße Aktie.
Hinter ter Stegens großem Traum, endlich als Nummer 1 ein großes Turnier für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu spielen, steht ein großes Fragezeichen, genährt durch viele Wenn-Fragen.
Wenn ter Stegen nach einer Rückkehr nicht zu alter Form findet, wie soll er dann als Nummer 1 zur WM?
Wenn ter Stegen infolge der Verletzung keinen internationalen Topklub findet, bei dem er ab Herbst/Winter regelmäßig auf höchstem Niveau spielt –, wie soll er dann als Nummer 1 zur WM?
Und dann die entscheidende Frage: Wenn Manuel Neuer beim FC Bayern in der kommenden Saison auftritt wie bei der zurückliegenden Klub-WM, muss der Bundestrainer dann nicht den Weltmeister-Torwart von 2014 für die WM in Nordamerika zurückholen?
Nagelsmann vertraut Neuer voll und ganz
Ob es der Bundestrainer will oder nicht: Die Neuer-Frage wird unweigerlich kommen. Nagelsmann wird sie hören, immer und immer wieder, jedes Mal, wenn der Bayern-Torwart ein starkes Spiel abliefert.
Dass Nagelsmann bei Neuer vorfühlen wird, dürfte klar sein. Sportlich gab und gibt es – eben von ter Stegen abgesehen – keinen deutschen Tormann, der auf seinem Level hält. Und dass Neuer eine Comeback-Bitte des Bundestrainers ablehnen würde, ist auch kaum vorstellbar. Zu gerne trug er den Adler auf der Brust, zu gerne sang er die Nationalhymne, zu gerne führte er Deutschland als Kapitän aufs Feld.
Kein Geheimnis ist auch: Nagelsmann und Neuer hatten stets eine gute, vertrauensvolle Beziehung – sowohl beim FC Bayern als auch in der Nationalmannschaft. Für den Fußball-Lehrer war Neuer immer ein verlängerter Arm auf dem Rasen. Vielleicht gab Nagelsmann ihm für die Heim-EM 2024 auch deswegen den Vorzug vor ter Stegen. Denn vor dem Turnier hatte der Barcelona-Schlussmann eigentlich die bessere Saison gespielt als Neuer, dem immer wieder kleinere Blessuren zu schaffen machten.
Das Neuer-Fragezeichen
Womit wir beim Thema wären. Denn auch hinter Manuel Neuers Leistungsfähigkeit hängt ein Fragezeichen. Nicht, weil es der fünfmalige Welttorhüter nicht mehr draufhätte. Sondern, weil Neuer im WM-Jahr eben 40 wird, weil er in den letzten Jahren immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hatte.
Neuer hat nur bedingt Einfluss darauf, dieses Fragezeichen aus der Welt zu schaffen. Er kann halten, wie er will, wenn der Körper nicht dauerhaft mitmacht, sind alle Paraden, Steilpässe, Fußabwehren, Abwürfe und Reflexe Makulatur.
Weniger als ein Jahr vor dem WM-Eröffnungsspiel in Mexiko-Stadt hat Fußball-Deutschland die T-Frage zurück. Wer soll im Tor stehen? Ein T-Problem ist das noch nicht, dazu sind die Stellvertreter Alexander Nübel und Oliver Baumann zu gut, besonders der Hoffenheimer überzeugte bei seinen Einsätzen im DFB-Tor.
Und doch werden Baumann und Nübel in den kommenden Monaten in der T-Debatte nur eine Nebenrolle spielen. Neuer Nationaltorwart oder nicht – das ist hier die Frage!