Das würdevoll gealterte, nach wie vor herrschende Alpha-Tier gegen den jungen, brüllenden Löwen - das Duell zwischen Oleksandr Usyk und Daniel Dubois um die Schwergewichts-Krone erzählt eine klassische Boxgeschichte. Deutschlands Box-Hoffnung Agit Kabayel sieht Lokalmatador Dubois im Wembley-Stadion in der K.o.-Pflicht und wagt eine Prognose.
Agit Kabayel rechnet damit, dass WBA/WBC/WBO-Champion Oleksandr Usyk den Kampf gegen IBF-Weltmeister Daniel Dubois am Samstagabend im Wembley-Stadion von London gewinnt - unter einer Voraussetzung.
"Ich sage: Wenn der Kampf von Daniel Dubois in den ersten fünf Runden nicht entschieden ist, wird es ein Punktsieg für Oleksandr Usyk oder ein später K.o.-Sieg für ihn", prognostizierte Kabayel im Interview mit RTL/ntv und sport.de.
Das Duell vor 90.000 Zuschauern um alle bedeutenden WM-Gürtel werde "in den ersten vier, fünf Runden" entschieden. "Dubois hat eine enorme Power in seinen Händen. Wenn er das in den ersten Runden ausspielt, Druck aufbaut, Runde für Runde Gas gibt, kann er wirklich den Kampf für sich entscheiden, sogar vorzeitig", sieht Kabayel den Engländer keinesfalls als klaren Außenseiter.
Mehr dazu:
Man dürfe aber nicht vergessen, "dass er gegen Usyk im Ring steht", betonte der 32-Jährige. "Der hat schon oft bewiesen, dass er einer der besten Schwergewichtler ist - und ich rede nicht von heute, sondern was die Boxgeschichte angeht. Es wird auf jeden Fall ein spannender Kampf."
Kabayel rät Dubois gegen Usyk zur Methode Chisora
Dubois müsse in der Anfangsphase ähnlich wie früher Mike Tyson "kontrolliert Druck aufbauen", nach vorne marschieren und den Rechtsausleger Usyk kontinuierlich zurückdrängen, skizzierte Kabayel einen erfolgsversprechenden Schlachtplan des Briten.
"Er muss wirklich in den ersten fünf, sechs Runden versuchen, Usyks Game Plan komplett zu zerstören, ihm wehtun, ihn dahin ziehen, wo er es nicht mag. Usyk mag auf keinen Fall, dass das eine Schlacht wird, in der das Boxerische hinten rüber fällt - dass das Ganze quasi ein Rocky-Kampf wird, bei dem aufeinander eingeschlagen wird, bis nur noch einer steht."
Als Vorbild für Dubois nannte Kabayel dessen britischen Landsmann Derek Chisora, der den ukrainischen Edeltechniker bei einer knappen Punktniederlage 2020 mehrmals in den roten Bereich getrieben hatte. "Wenn man sich diesen Kampf anguckt: Usyk mag es gar nicht, wenn einer permanent Druck aufbaut. Wenn Dubois das hinbekommt, kann er den Kampf gewinnen."
Usyk müsse in den ersten Runden dagegen "sehr vorsichtig sein, versuchen mit seinem Jab gute Treffer zu landen und dann auch Wirkungstreffer mit seiner linken Schlaghand. Er muss Dubois da wehtun, wo er es am wenigsten erwartet, mit Kontern. Er muss einfach boxen, die ersten fünf, sechs Runden beweglich sein", so Kabayel.
Kabayel beim WBC Herausforderer Nummer 1
Dubois laufe Gefahr, in der zweiten Hälfte des Kampfes abzubauen, erläuterte der Deutsche. "Er muss ja ständig Druck machen und das kostet sehr viel Kondition. Wenn Usyk sich bis zur sechsten Runde rettet und dann das Tempo nochmal anzieht, den Kampf an sich zieht, könnte er den Kampf sogar vorzeitig beenden. Eine Prognose ist sehr schwer, ich tippe auf Punktsieg Usyk."
Ein Fragezeichen setzt Kabayel allerdings mit Blick auf Usyks Lebensuhr. "Ich glaube, das Einzige, was ihn wirklich schlagen kann, ist das Alter. Man darf nicht vergessen, dass er schon 38 ist, ein enormes Alter auch fürs Schwergewicht", sagte er. Dubois stehe mit 27 Jahren dagegen "in der Blüte seiner Karriere. "Der enorme Altersunterschied kann für Dubois sprechen. Aber das werden wir sehen."
Kabayel ist seit seinem beeindruckenden K.o.-Sieg im Februar über den Chinesen Zhang Zhilei WBC-Interims-Champion und als solcher Pflichtherausforderer des WBC-Weltmeisters. Der Bochumer reist nach London, um sich das Duell zwischen Usyk und Dubois am Ring anzuschauen - und das ganz genau.
"Natürlich geht man so ein Spektakel im Kopf durch. Wie wäre es gegen Usyk? Wie gegen Dubois?", sagte Kabayel. Der Bessere solle gewinnen, wennschon der Kämpfer aus dem Pott einräumte, "dass es für mich die bessere Ausgangssituation wäre, wenn Usyk gewinnt, dann würde ich für eine WM-Chance infrage kommen".
Hintergrund: Usyk und Dubois haben eine Rückkampf-Klausel unterschrieben. Gewinnt der Engländer, kommt es zu einer Revanche, Kabayel müsste weiter auf einen Titelkampf warten.
Agit Kabayel: "Ich wüsste, was ich gegen Usyk tun muss"
Der "Leberking" machte erneut keinen Hehl daraus, dass er sich bereit hält für Box-Großmeister Usyk.
"Gegen den Ukrainer brauche man "eine enorme Kondition, um ihn zu stellen, Runde für Runde. Man darf sich gegen Usyk nicht irre machen lassen, muss Runde für Runde Druck aufbauen und irgendwann wird dann auch ein Usyk zusammenbrechen. Wenn ich mit Usyk im Ring stehen würde: Ich wüsste, was ich machen muss", sagte Kabayel und spielte auf seinen druckvollen, auf Körpertreffer ausgerichteten Offensivstil an.
Seit seinem Sieg gegen Zhang seien viele Kritiker von ihm überzeugt, "auch wenn es sicher immer noch Leute gibt, die nicht an mich glauben und sagen: 'Oh, der Usyk ist nochmal ein anderes Kaliber'", so Kabayel. Mit Zhang habe er allerdings schon einen Rechtsausleger geschlagen, "der von der Power her Usyk überlegen ist und auch vom Gewicht her mit seinen 130 Kilo".
Kabayel deutet Kampf in Deutschland an
Was seinen Pläne für den nächsten Kampf angeht, hielt sich Kabayel zurück. "Erst einmal müssen wir den Samstag abwarten", sagte er, deutete aber eine Rückkehr nach Deutschland an.
"Ich kann auf jeden Fall sagen, dass vonseiten meines Promoters Frank Warren von Queensberry Promotion und meines Managers Spencer Brown sehr großes Interesse besteht, nach Deutschland zu kommen und meinen Traum zu verwirklichen, in Deutschland in einer Arena zu boxen. Damit wir auch den deutschen Boxsport wiederbeleben", sagte Kabayel. Er werde diesbezüglich in London Gespräche mit Warren und Brown führen.
Seine letzten drei Kämpfe bestritt der Schwergewichtler allesamt in Saudi-Arabien, in Deutschland kämpfte er zuletzt im März 2023.
Mehr dazu:
"Ich will in Form bleiben, keinen Ringrost ansetzen. Ich will einfach kämpfen. Dafür brauche ich den Support von den Zuschauern, von den Fans, um mich dahin zu pushen, wo ich hingehöre. Und wenn ich jetzt nicht zum Zuge komme, muss ich eben wieder ran und den Leuten beweisen, dass ich der nächste WM-Kandidat bin", schloss der Kämpfer aus dem Revier.