Fullback Jakob Johnson erlebte im Vorjahr eine Achterbahnfahrt bei den New York Giants. Mittlerweile ist der Stuttgarter bei den Houston Texans untergekommen und hofft dort auf eine ruhigere NFL-Spielzeit.
Im exklusiven Interview mit RTL/ntv und sport.de erzählt er Marco Kasch, wie er sich in Texas eingelebt hat, wie er seine Chancen auf Einsätze sieht und ob die Olympischen Spiele ein Ziel für ihn sind.
Außerdem verrät er, was Texans-Coach DeMeco Ryans als Zielsetzung ausgegeben hat. Auch wenn er damit wohl niemanden überrascht hat.
NFL-Veteran Jakob Johnson im exklusiven Interview
Herzlich willkommen! Wo treffen wir Sie gerade an?
Jakob Johnson: Ich bin jetzt bei den Houston Texans. Für die Offseason bin ich zuhause in Nashville, wo ich trainiere. Ich komme gerade von einer Workout-Session. Es sind die letzten Wochen, bevor es ins Training Camp geht. Und dann geht es in NFL-Jahr sieben für mich.
Wie sind die ersten Eindrücke von Houston?
Das Wetter in Houston ist auf jeden Fall extrem heiß. Es sind so 36 bis 37 Grad mit einer hohen Luftfeuchtigkeit. Die Facility ist aber cool, die Mannschaft ist top aufgestellt und hat in den letzten Jahren viel richtig gemacht. Aber ich bin gespannt auf den Sommer, es wird viel Competition geben. Wenn du eine Mannschaft hast, die gut ist, siehst du das direkt im Training. Ansonsten ist Texas einfach anders. Alles ist viel größer. Die Straßen haben vier Spuren anstatt zwei. Alles ist riesig, aber was will man mehr. Für Football ist es glaube ich der ideale Platz.
Also ähnlich wie in New York?
Eigentlich nicht. New York ist eine riesige Stadt, aber du hast dort viel weniger Platz für Straßen als in Texas. Hier fährst du durch ein Wohngebiet und hast zwei Spuren auf jeder Seite. In Texas lieben die Leute ihre Autos.
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Für Sie ist es nun die vierte NFL-Station. Wird es durch die Wechsel schwieriger sich zu beweisen?
Es ist eigentlich nie so, dass du dich von Jahr zu Jahr ausruhen kannst. Auch wenn du bei einem Team bleibst, musst du dich wieder neu beweisen bei der vielen Bewegung im Roster. Bei den ganzen Veränderungen ist es jedes Jahr eigentlich auch wie eine neue Mannschaft. Was eher gleich bleibt, sind die Coaches. Die Coaches bewegen sich von Team zu Team und ich trainiere jetzt wieder unter Coaches, die mich am Anfang meiner Karriere trainiert haben. Zu denen hat man dann natürlich schon eine Beziehung. Du triffst auch immer wieder andere Jungs in der Kabine, mit denen du woanders schon zusammengespielt hast. Das gehört zum NFL-Alltag.
Die Sachen, die mir dort helfen, sind dieselben, die mir auch im normalen Alltag helfen. Die Sachen, die ich zum Ausgleich mache: Yoga, Meditation, solche Geschichten, Zeit mit der Familie und Freunden verbringen. Man kann es ansonsten ohnehin nicht kontrollieren. Du bist da, um Football zu spielen. Ob das jetzt mit diesen Jungs ist oder mit anderen Jungs. Du hast deinen Job und da liegt der Fokus drauf.
Dass Sie jetzt schon einige Coaches kennen, ist sicher ein Vorteil oder?
Ich finde es hat alles Vor- und Nachteile. Es ist Sache der eigenen Einstellung, was du daraus machst. Es kann helfen, wenn dich die Leute schon kennen und man schon eine Verbindung miteinander hat. Aber es kann auch sein, dass die Leute dich dann schon in eine Schublade gesteckt haben und denken: 'Das ist ja der und der kann XYZ machen'. Daher kann es genauso gut ein Vorteil sein, wenn es neue Leute sind und du von frischen Augen gesehen wirst und noch nicht negativ aufgefallen bist. Am Ende ist es das, was du daraus machst. Das beste Rezept ist, glaube ich, dass du neutral in eine Situation gehst, deine Sachen erledigst, die du sowieso machen musst, um erfolgreich zu sein.
In der letzten Saison sind Sie mehrfach entlassen und wieder zurückgeholt worden. Gehen Sie die Vorbereitung mit einem anderen Gefühl an?
Vorbereitung ist Vorbereitung. Wie in jedem Jahr. Es ist immer anders, aber doch irgendwie immer gleich. Du musst hart arbeiten. Denn Arbeit ist am Ende das, was funktioniert. Du musst versuchen, besser zu werden und deinen Körper vorzubereiten. Auf das Training Camp und auf die Saison, die danach kommt. Aber diese ganzen Roster Moves und sowas, das ist natürlich ein Ding. Aber mir wurde in meinem Rookie-Jahr gesagt: 'Du kannst dich nicht selbst cutten'. Am Ende treffen die Trainer und die General Manager die Entscheidung.
Aber wenn du jetzt in deinem Zimmer sitzt, acht Wochen bevor diese Entscheidungen kommen und dir schon einen Kopf machst, dann hilfst du dir nicht weiter. Deshalb spielt das noch keine Rolle für mich. Mein Fokus ist darauf, dass ich meine Workouts gut hinter mich gebracht habe. Und jetzt hab ich Kinderdienst und passe auf mein Kind auf. Und morgen geht es dann wieder ins nächste Workout. So geht das Tag für Tag und am Ende wirst du wissen, wo du stehst.
Was sind Ihre Ziele für dieses Jahr? Persönlich und auch für die Mannschaft.
Es ist immer dasselbe. Es ist die beste Version von dir selbst zu sein. Das ist in Jahr sieben so, aber auch in Jahr eins. Da hat sich nichts verändert. Die Ziele für die Mannschaft hat der Coach bereits am ersten Tag vorgegeben. Wir wollen den Bull auf den Super-Bowl-Ring packen. Alles ist darauf ausgerichtet. Was ich esse, wie ich meinen Tag verbringe, wie ich schlafe, was ich trainiere. Alles soll zu diesem Ziel führen. Wenn ich die beste Version von mir selbst bin, habe ich die besten Chancen, der Mannschaft zu helfen. Und dann werden wir sehen, wofür es am Ende des Jahres reicht.
Das sind hohe Ziele. Doch die Texans haben sich in den letzten Jahren von der grauen Maus zu einem Contender entwickelt und zuletzt jede Menge gute Spieler herausgebracht oder verpflichtet. Passt das Saisonziel dann zu diesem Kader?
Du hast es bereits gesagt, hier sind sehr viele extrem talentierte Jungs. Jungs die in dieser Liga bereits abgeliefert haben. Wir haben sehr starke Coaches. Insgesamt ist die ganze Franchise super aufgestellt, auch von der Ownership-Seite. Was wir an Ressourcen bekommen, ist fantastisch. Am Ende des Tages liegt es an uns, was wir daraus machen. Ich könnte den Hype jetzt noch weiter befeuern. Ich habe ohnehin immer eine spezielle Meinung zu meinen Teammates. Es sind immer die besten 53, die besten 62 Spieler in der NFL. So ist meine Einstellung.
Aber wenn ich das jetzt im Juni sage, dann zählt das noch nicht. Es zählt, was im September passiert. Ich glaube wir haben eine Riesenchance. Wie immer, wenn man eine so talentierte Mannschaft und einen eingeschworene Coaching Staff hat. Aber wir müssen auch etwas draus machen. Es ist jedoch aufregend. Es kribbelt, weil es viel Spaß macht, mit so viel Ressourcen in eine Saison zu gehen. Es ist ein Ticket für eine Achterbahn in der du hoffst, dass es mehr Aufs als Abs gibt. Und am Ende des Tages zählt der Ring.
Und für welche Position sind Sie in diesem starken Roster vorgesehen?
Fullback, Tight End, wie du es auch nennen willst. Ich glaube, es ist ein bisschen zu kurz gedacht, es an einer Position festzumachen. Am Ende geht es darum, wie oft und in wie vielen Positionen und Plays kann man eingesetzt werden, so dass es der Mannschaft hilft. Wie viele verschiedene Sachen, die wir im Gameplan haben kannst du machen in der Offense, der Defense oder in den Special Teams. Die Planung ist also: 'Zeig mir, was du machen kannst, zeig mir wie ich dich einsetzen kann.' Und am Ende des Training Camps ist die Evaluation fertig und die Coaches wissen, was sie von mir bekommen. Und dann müssen sie eine Entscheidung treffen, ob das reicht oder eben nicht. Und dann bekommt ihr die News, ob ich dabei bin oder eben nicht.
Ich werde alles dafür tun. Und wenn ich zur Not als Wide Receiver eingesetzt werde, das ist mir egal. Mein Training ist ohnehin vielseitig, denn die reine Fullback-Position gibt es in der NFL eigentlich nicht mehr. In New England habe ich auch immer mit den Tight Ends gearbeitet. Es geht darum, den Coaches möglichst viel zu zeigen und das Vertrauen zu gewinnen, dass sie mich im Spiel gebrauchen können.
In der NFL sind mittlerweile immer mehr Deutsche oder auch deutschsprachige Spieler unterwegs. Eine schöne Entwicklung oder?
Ja auf jeden Fall. Man merkt den Zuwachs an deutschsprachigen Spielern auf jeden Fall deutlich. Es gab eine Phase, wo ich irgendwie der einzige in der NFL war. Und dann kamen Jahr für Jahr mehr Jungs in die NFL. Nicht nur Jungs wie die St.-Brown-Brüder, die auch Schlagzeilen machen, sondern auch in den Practice Squads tummeln sich viele Jungs. So hat eigentlich in jeder Mannschaft zumindest mal ein Deutscher gespielt oder zumindest einen Vertrag gehabt. Das hilft dem Sport und der Sichtbarkeit in Deutschland. Die Kids sehen, dass man es als Deutscher in die NFL schaffen kann. Es ist der nächste Schritt der Reise, dass wir den Football weiter in Deutschland voranbringen.
Sie haben gesagt, dass Sie aktuell noch in Nashville wohnen. Zum Pendeln ist der Weg nach Houston sicherlich zu weit. Wie sieht's mit der Wohnort-Suche aus?
Nein, ich habe noch nichts in Houston. Ich bin im Frühjahr im Intercontinental untergebracht worden. Ein sehr nettes Hotel mit gutem Service. Und jetzt muss man schauen. Ich suche gerade nach einem Ort. Und dann, wenn die Saison losgeht wird man eine Entscheidung treffen, etwas längerfristiges zu mieten oder sowas. Aber die Homebase ist jetzt erstmal in Nashville. Das große Jakob-Johnson-Umzugskarussell geht weiter, wenn die Saison endet. Mal schauen was dann ist, vielleicht geht es ja sogar in ein anderes Land.
Das heißt, es geht zurück nach Deutschland?
Ich überlege, den Zweitwohnsitz in den europäischen Raum zu legen. Deutschland ist vom Wetter her nicht so optimal, also vielleicht eher Spanien oder Portugal. Mal sehen.
Das will mit der Familie natürlich gut abgeklärt sein. Da gab es in der jüngeren Vergangenheit Zuwachs. Wie hat sich das Leben seither verändert?
Es ist natürlich anders. Es ist ein anderer Fokus da. Man hat einfach eine andere Verantwortung und der Zeitplan muss enger gestrickt werden. Ich habe großes Glück, dass ich von meiner Frau so stark unterstützt werde, die sich um das Baby kümmert und mir den Rücken freihält, was das Training angeht. Es ist aber sehr schön, es ist ein super Gefühl nach Hause zu kommen und von einem lachenden Gesicht empfangen zu werden. Man muss natürlich ein paar Opfer bringen, um der Rolle gerecht zu werden, aber das mache ich gerne.
Ist das Gefühl, von Zuhause wegzugehen, jetzt als Vater ein anderes?
Das ist eine Sache die ich unterschätzt habe. Wie schwer es ist, von Zuhause wegzugehen und mehrere Tage nicht da zu sein. Bei den OTAs war ich unter der Woche weg, bin dann fürs Wochenende zurückgeflogen. Was so Dinge wie das Schlafen angeht und dass es anstrengender wird, habe ich gewusst. Aber es ist jetzt wirklich schwer zu sagen, dass man drei, vier Tage am Stück weg ist. Man verpasst dadurch viel.
2028 wird Flag Football bei den Olympischen Spielen in Los Angeles erstmals mit im Programm sein. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung und wollen Sie in drei Jahren für Deutschland mit dabei sein?
Es ist ein Riesenschritt, dass irgendeine Art von Football olympisch ist. Es öffnet Türen. Für die Sportförderung, für den Nachwuchs, für mehr Mädchen in dem Sport. Man kann es an Schulen besser integrieren. Ich hoffe da wird so viel wie möglich draus gemacht. Auf nationaler und auch auf Verbandsebene. Es reicht natürlich nicht, wenn jetzt nur Deutschland und die USA gut sind. Alle Länder müssen sich anstrengen. Aber ich glaube, es wird den Football auf jeden Fall nach vorne bringen, denn wenn du die Regeln beim Flag Football verstanden oder es sogar gespielt hast, wird der Einstieg zum Football schauen viel leichter sein. Zu meiner eigenen Rolle: Im Football kriegst du immer das, was du dir verdienst. Deshalb sollten wir die besten sieben Athleten hinschicken, die wir bekommen. Im normalen Football gehöre ich noch zu diesen sieben. Aber was Flag Football angeht, bin ich mir sicher, da finden wir mehr.
Wenn 2028 ein Jakob Johnson mit 33, 34 Jahren zu den besten gehört, dann haben wir ein Nachwuchsproblem. Aber ich bin mir sicher, wir finden Jungs, die jünger sind, die schneller sind. Jungs, die Gas geben können. Wenn es offene Tryouts gibt, werde ich da sein, aber ich hoffe, dass ich dann nur da bin, um den Jungs Feuer unter dem Hintern zu machen und nicht, weil ich mich ernsthaft für einen Starting Job anbiete.
Welcher Titel ist größer: Olympia-Gold oder der Super Bowl?
Eine schwere Frage. Es ist beides auf jeden Fall krass. Ich kann verstehen, wie krass es ist, einen Super Bowl zu gewinnen, weil ich dieses Business kenne. Aber bei Olympia ist es einfach der weltweite Wettbewerb, der nur alle vier Jahre stattfindet. Da gehört viel Glück dazu, du musst im richtigen Moment im richtigen Alter sein und so weiter. Aktuell würde ich noch sagen, der Super-Bowl-Sieg ist größer, aber ich kann mir vorstellen, dass Olympia-Gold in ein paar Jahren mehr zählt. Das hängt aber natürlich auch davon ab, wie groß die Competition am Ende wirklich ist, wie viel Stellenwert dieses Thema bekommt, wie viele NFL-Spieler teilnehmen und ob man die USA überhaupt mal schlagen kann.
Aktuell findet ja beispielsweise die Klub-WM der FIFA in den USA statt, im nächsten Jahr steht die WM an. Basketball ist auch immer wieder ein Thema. Wie viel bekommen Sie von anderen Sportarten mit?
Wir haben ja gerade eine Hitzewelle. Ich habe heute morgen bei 37 Grad trainiert. Das ist für Nashville nicht normal. Ich habe ein paar Leute in Fußball-Trikots herumfahren sehen und dann erst bemerkt, dass ja aktuell die Klub-WM ist. Verfolgt habe ich das aber bisher nicht. Wenn im nächsten Jahr dann die richtige WM ist, dann bin ich auf jeden Fall voll dabei. Aber bis dahin habe ich andere Sorgen und vor allem auch gar kein Kabelfernsehen. Das heißt ich muss schauen, ob ich was streamen kann. Beim Basketball verfolge ich die NBA ein bisschen, aber ich gehe lieber mal ein bisschen spielen, als es zuhause zu schauen.
Auch in der NBA gibt es ja mittlerweile viele deutsche Spieler...
Ich kenne einige von den deutschen Basketballspielern gut. Mit Dennis Schröder hatte ich schon Kontakt, wir haben uns auch schon getroffen. Daniel Theis ist sowieso einer meiner Jungs. Ich habe einige Jerseys von ihm. Auch mit Wagner-Brüder kenne ich ein bisschen.
Das deutsche Team wird ab Ende August um den EM-Titel kämpfen. Wie wäre es zum Abschluss mit einer kleinen Motivations-Ansprache?
Viel Glück an Dennis und die Jungs! Ich zähle auf euch, ich schaue euch zu! Ich freue mich immer, wenn Deutschland gewinnt. Egal, wo! Basketball, Fußball, Football. Ganz egal! Wir werden Europameister, let's go!
