"Signed" - unterschrieben. Mit diesem kurzen, aber entscheidenden Wörtchen haben sowohl Tyson Fury als auch Oleksandr Usyk ihren langersehnten Kampf um die Schwergewichts-Krone Ende September bestätigt. Nach Furys mühevollem Punktsieg über Ex-UFC-Champion Francis Ngannou treffen die rivalisierenden Weltmeister am 17. Februar 2024 in Saudi-Arabien aufeinander. sport.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Mega-Fight.
Fury vs. Usyk: Worum geht es?
Um alle anerkannten WM-Gürtel. Fury ist Weltmeister beim Verband WBC, Usyk hält die WM-Titel von WBA, WBO und IBF. Wer gewinnt, ist der einzig wahre Weltmeister im Schwergewicht - der "große Zeh Gottes", wie US-Schriftsteller Norman Mailer den Meister aller Box-Klassen einst nannte. Furys britischer Landsmann Lennox Lewis war vor mehr als 20 Jahren der letzte Schwergewichtler, der alle WM-Titel vereinte, danach teilten die Klitschko-Brüder die Krone unter sich auf.
Bei Fury vs. Usyk stehen aber nicht nur die Titel der Verbände auf dem Spiel. Fury hat seit seinem Sieg über Wladimir Klitschko Ende 2015 den Titel als "linearer" Weltmeister inne (eine Art "natürliche" Thronfolge, die bis ins Jahr 1885 zurückreicht). Usyk bringt den prestigeträchtigen Gürtel der Box-Bibel "The Ring" mit, den viele Fans und Experten höher werten als die Großbuchstaben-Titel.
Warum findet der Kampf in Saudi-Arabien statt?
Ganz einfach: Weil die Saudis in Person von "Entertainment"-Minister Turki Alalshikh mit Abstand das meiste Geld zahlen. Die Monarchie am Persischen Golf inszeniert sich seit geraumer Zeit als Sport-Großmacht, pumpt Unsummen in ihre Fußball-Liga, leistet sich eine pompöse Golf-Liga und veranstaltet einen Formel-1-Grand-Prix. Auch Usyks Revanchekampf gegen Anthony Joshua 2022 fand am Roten Meer in Dschidda statt.
Der Kampf um die unumstrittene Weltmeisterschaft im Schwergewicht ist für die Saudis nur das nächste "logische" Prestige-Event. Furys Promoter Frank Warren bezeichnete den Box-Blockbuster schon als "den größten Boxkampf des Jahrhunderts". Den Showkampf gegen Ex-UFC-Champion Francis Ngannou bestritt Fury eigentlich nur, um den Usyk-Fight anzuheizen. Der Ukrainer unterschrieb seinerseits vor Monaten einen Vertrag beim saudischen Promoter "Skill Challenge Promotions".
Es ist also anzunehmen, dass der Mega-Fight von längerer Hand geplant wurde, nachdem ein Deal für ein Duell der Weltmeister in Wembley im Frühjahr 2023 öffentlichkeitswirksam geplatzt war.
Was verdienen die Kämpfer?
Viel. Verdammt viel. Wahrscheinlich haben die Kämpfer ihre Gagen separat mit den saudischen Veranstaltern ausgehandelt. Konkrete Summen sind zwar noch nicht durchgesickert. Furys US-Promoter Bob Arum (92 Jahre alt und fast genauso lange im Geschäft) sagte aber, er rechne damit, dass der "Gypsy King" bei dem "Undisputed Showdown" in Saudi-Arabien "sehr viel mehr als 100 Millionen Dollar" kassieren werde.
Auch Usyk sahnt ab. Zur Einordnung: Für seinen zweiten Kampf gegen Joshua in Dschidda bekam er 50 Millionen Dollar ausbezahlt. Gegen Fury dürfte er noch einmal deutlich mehr verdienen.
Was macht den Kampf sportlich so besonders?
Dass zwei ungeschlagene Weltmeister aufeinander treffen, die noch nicht übern Berg sind. Der Sieger ist der beste Schwergewichtler einer ganzen Generation. Fury (35) entthronte 2015 den langjährigen König Wladimir Klitschko, bezwang nach einem Märchen-Comeback 2018 zweimal K.o.-Maschine Deontay Wilder. Joshua-Nemesis Usyk (36) krönte sich 2018 zum unumstrittenen Weltmeister im Cruisergewicht (bis 90,72 kg), kann dies nun in der Königsklasse wiederholen - ein Kunststück, das bisher nur der legendäre Evander Holyfield schaffte.
Fury gegen Usyk ist zudem ein klassisches Duell "David gegen Goliath". Usyk (1,90 Meter/100 Kilogramm) ist 16 Zentimeter und 20 bis 25 Kilo leichter als der englische Koloss. Die absurden Kämpfe des russischen Riesen Nikolay Valuev bewusst ausgeklammert, muss man im Box-Geschichtsbuch bis ins Jahr 1934 zurückblättern, um ein ähnliches Groß-gegen-Klein zu finden. Damals punktete der 122 Kilo schwere und fast zwei Meter große Primo Carnera Halbschwergewichts-Champion Tommy Loughran (1,82 Meter, 84 Kilo) aus.
Auch stilistisch wird der Wüsten-Kampf eine spannende Kiste. Fury pflegt seit geraumer Zeit eine offensive Gangart, erdrückt sein Gegenüber mit all seiner Masse. Usyk schwirrt dank einer faszinierenden Beinarbeit um seine Gegner herum, deckt diese mit schnellen Fäusten aus unterschiedlichsten Winkeln ein. Ob ihm das auch gegen den boxerisch äußert versierten Fury gelingt, ist eine der großen Fragen. Umgekehrt wird interessant zu beobachten, wie der Engländer mit dem schnellen Usyk und dessen unbequemer Rechtsauslage klarkommt.
Wer ist Favorit?
Trotz seiner schwachen Leistung gegen den Novizen Ngannou noch immer Fury - vor allem dank seiner physischen Vorteile. "Ein guter großer Boxer schlägt einen guten kleinen", lautet die alte Boxweisheit. Nicht zuletzt Lennox Lewis führte 1999 gegen Evander Holyfield einen empirischen Beweis für diese These.
Martin Armbruster