Williams ist für Mick Schumacher der letzte Strohhalm der Hoffnung auf eine Rückkehr in die Formel 1. Sollten die Briten dem fehleranfälligen Logan Sargeant am Ende der Saison die Tür zeigen, wäre für Mercedes-Mann Schumacher ein Plätzchen frei. Aber: Williams könnte auch einen Fahrer aus der Red-Bull-Familie aufnehmen, der gerade Schlagzeilen macht - denn die "Bullen" stecken in einem Dilemma.
Liam Lawson hat eine unerwartete Chance bekommen. Weil sich AlphaTauris Stammpilot Daniel Ricciardo in Zandvoort bei einem eigentlich eher harmlos anmutenden Crash die Hand bracht, kam Lawson zum Zug. Und hat seine Chance ergriffen, der Neuseeländer überzeugt seither mit starken Leistungen, raste zuletzt in Singapur als Neunter in die Punkte.
"Ich habe diese kurze Möglichkeit und will am Ende zurückschauen und sagen, dass ich alles getan habe, was ich konnte", sagte Lawson nach seinem Erfolg in Singapur: "Es ist schwer, einen Stammplatz in diesem Sport zu bekommen, aber statt auf all diese Dinge um mich herum zu schauen, fokussiere ich mich auf jede Session und versuche jedes Mal, das Maximum herauszuholen, wenn ich im Auto bin, um zu zeigen, was ich kann."
Das gelingt Lawson - wenngleich der 21-Jährige seine Aktien für 2024 natürlich im Blick hat. Die starke Performance des Kiwis stürzt Red Bull in ein Dilemma. Angenommen, Sergio Perez fährt - wie vertraglich vereinbart - auch kommende Saison neben Max Verstappen bei Red Bull, hätte das Juniorteam (das dann womöglich Adidas oder Hugo Boss heißt) drei Kandidaten für seine zwei Cockpits: Ricciardo, Lawson und Yuki Tsunoda. Letzterer galt bislang als gesetzt. Bis Lawson kam. Der Newcomer war schon bei seinem zweiten Einsatz in Monza auf Augenhöhe mit Tsunoda, in Singapur fuhr er ihm davon.
Und Ricciardo? Der soll beim übernächsten GP in Katar wieder an Bord sein. Auch der Australier galt bei vielen Beobachtern als ziemlich sichere AlphaTauri-Nummer für 2024. Ob Ricciardo in den dann verbleibenden sechs Rennen so viel Eigenwerbung machen kann wie Lawson - eine Gretchenfrage. Die AlphaTauri-Leute werden ganz genau hinschauen, wie sich sowohl Tsunoda als auch Ricciardo schlagen. Lawson ist als Vergleichsmaßstab nunmehr keine Theorie mehr.
Formel 1: Was macht Red Bull mit Liam Lawson?
Kein Geheimnis ist, dass das Red-Bull-Schwesterteam gerne einen erfahrenen Mann à la Ricciardo im Team hätte. Und dass Tsunoda vom Hof gejagt wird, ist auch nicht unbedingt wahrscheinlich. Zum einen fährt er alles in allem eine solide Saison. Zum anderen wird Red Bull noch bis Ende 2025 von Honda unterstützt. Mit Blick auf den asiatischen Markt ist Tsunoda für Red Bull also durchaus relevant.
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Um Lawson in der Formel 1 zu halten, bliebe für Red Bull nur noch ein Team übrig: Williams. Dort ist der Amerikaner Sargeant im Begriff, sich aus der F1 zu schießen. In Singapur krachte er zum wiederholten Male in die Wand. Ob Williams seinem jungen Piloten noch ein weiteres Jahr auf Bewährung gibt - noch eine dieser Fragen.
Sollte Sargeant gehen müssen, könnte Red Bull seinen Juniormann Lawson wärmstens empfehlen, womöglich ein Leihgeschäft mit dem Traditionsteam eingehen.
Formel-1-Comeback für Mick Schumacher?
Schon 2022 hatte der Brause-Rennstall Alex Albon zu Williams ziehen lassen - damals ohne Rückholrecht. Ein Schritt, den Teamberater Helmut Marko mitlerweile bereut, wie er im Interview mit sport.de im Juli einräumte. "Leider Gottes" sei der Thailänder bis Ende 2025 bei Williams fest unter Vertrag, so der Österreicher.
Zöge Red Bull die Williams-Karte für Lawson, wäre der Neuseeländer Mick Schumachers direkter Konkurrent um den letzten Platz im Formel-1-Grid 2024. Für Schumacher spricht zwar, dass er als Mercedes-Ersatzfahrer Silber-Häuptling Toto Wolff als Fürsprecher hat, der zudem Anteile an Williams hält.
Aber anders als Lawson konnte der 24-Jährige dieses Jahr nicht in einem Formel-1-Renner glänzen, wird diese Chance ziemlich sicher auch nicht erhalten.
Martin Armbruster